Bemerkungen zur Chorbesetzung im Freischütz in Wien im Dezember 1821

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Novellistik.

K. K. Theater nächst dem Kärnthner-Thore.

[…]

Das in der Ankündigung gethane Versprechen, dass man berühmte deutsche und italienische Tonsetzer berufen wird, um durch neue, eigends für diese Bühne geschriebene Werke das Vergnügen des Publicums noch mehr zu erhöhen, ist schon in sofern in Erfüllung gegangen, als wirklich Herr Carl Maria v. Weber, königlich sächsischer Capellmeister eingeladen worden ist, hier in Wien ein neues Werk zu componiren. Die Aufführung seiner trefflichen neuen Oper: "Der Freyschütze", durch deren Zustandebringung die vorige Verwaltung dieses Theaters sich dem Publicum unvergesslich gemacht, hat in der That unsere ganze Erwartung gespannt, und einem neuen darzustellenden Werke dieses genialen Tonsetzers schon im Voraus die Bahn geebnet.

[…]

Während dem Drucke dieses Blattes erfahren wir die angenehme Neuigkeit, dass der Männerchor im Kärntnerthor-Theater, von dem mehrere Mitglieder entlassen waren, desshalb wieder verstärkt wird, weil es sich bey der Aufführung der Oper: „Der Freyschütze“ fand, dass die Chöre mit so geringer Besetzung keinen wahren Eindruck machten*.

Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Chöre der deutschen Oper nothwendig stärker besetzt seyn müssen, wenn die harmonischen Verhältnisse, deren grossen und schönen Wechsel das deutsche Gefühl nun einmahl nicht entbehren kann – in gehörige Klarheit gebracht werden sollen. Denn der Chor der italienischen Oper ist mehr als ein Ruhepunct der Solostimmen zu betrachten, und wird auch von den Tonsetzern Italiens grössten Theils so gehandhabt, besonders in solchen Fällen, wenn der Tonsetzer vielleicht dem Dichter durch seine eigene poetische Ader noch ein wenig unter die Arme greift, und das bey einem Donnerwetter in einem offenen Hause zusammengelaufene Volk durch ein häufiges No! no! Si! si! – zum Reden bringt. Er deutsche Chor ist aber stets, oder doch grössten Theils in den dramatischen Faden so nothwendig verwebt, dass die Handlung ihn eben so gut gebraucht als ein eingreifendes Rad in der Mühle.

Bey Webers Oper aber, wo gerade in recht schönem romantischen Sinne der höchste Grad von Lieblichkeit und melodischem Reitz in den Chor gelegt ist, wo diese Melodien in ihrem frohen, ahnungslosen Klange um so mehr ergreifender sind, da gerade Verhängsniss und Schuld über dem Haupte des jungen Waidmanns seine schwarzen Schatten aufrichtet und die junge, holde Braut mit in den offenen Abgrund hinabzureissen droht – da ist ein kräftiger Gesang mehrerer Stimmen unumgänglich nöthig.

Wenn man aber noch bedenkt, dass Weber mit seinen vier Waldhorns sehr schön melodiös verfährt, und sie vierstimmig führt, dann würde der Gesang der Jäger, der unser Gefühl immer ¦ wieder aufweckt, und gleichsam wie in einem dunkeln Walde erschallt, alles effecte, bey kleinerer Besetzung ermangeln.

Apparat

Zusammenfassung

über die Besetzung des Chores bei der Wiener Freischütz-EA

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Frank Ziegler

Überlieferung

  • Textzeuge: Allgemeine Musikalische Zeitung, mit besonderer Rücksicht auf den österreichischen Kaiserstaat, Jg. 5, Nr. 98 (8. Dezember 1821), Sp. 773–776

    Einzelstellenerläuterung

    • „… Besetzung keinen wahren Eindruck machten“Vgl. den Kurzbericht zur Aufführung am 2. Dezember 1822 in der Abend-Zeitung vom 20. Februar 1822.

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