Bericht über Webers Prager Konzert am 22. Dezember 1815, speziell über die Kantate Kampf und Sieg

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Tonkunst.

Prag. – Unter den Concerten, welche der heurige Winter mitbrachte, haben sich vorzüglich zwey ausgezeichnet, und ich will das Stillschweigen, welches ich bisher beobachtete, brechen, um Ihnen von diesen beyden Relation zu erstatten. – Das erste gab uns Herr Capellmeister Carl Maria von Weber, und es enthielt nebst reichem Kunstgenuß, noch überdieß die tonische Verklärung eines großen, unvergleichlichen Weltereignisses. Herr von Weber ist allgemein als erster Pianofortespieler und Compositeur für dieß Instrument anerkannt, jedermann kennt die seltene Stimme und Kraft der Mad. Grünbaum, und ich darf nur sagen, daß uns jener ein Concert auf dem Pianoforte und diese eine Bravourarie zum Besten gab, um zugleich die Genüsse bezeichnet zu haben, die sie uns gewährten; aber was den zweyten Theil der musikalischen Akademie, die große Cantate: Kampf und Sieg bey Belle-Alliance und Waterloo, von Wohlbrück, componirt von Herrn v[.] Weber, betrifft, so sey es uns vergönnt, ein etwas genaueres Detail über dies imposante Kunstwerk zu liefern, in welchem Posie und Tonkunst im schönsten Vereine Hand in Hand gingen, um die Hörer reichlichst zu ergötzen. Der Geist des instrumentalen Eingangs ist abgerissen, stürmisch, klagend, und erhebt sich gegen das Ende zu hoher Kraft, verschmilzt aber wieder in gleich unwilliges Pochen; Ahnungen der Zukunft wehen hindurch. Nun beginnt der Völkerchor: Reißt wieder sich die Zwietracht losUnd flötet Gottes Frieden?Noch nicht genug des Blutes floßVom Norden bis zum Süden?Du hast aus deiner Himmel HöhenDer Völker Kampf und Qual gesehen,O Herr! – ist nicht genug geschehen?Für Fried’ und Freyheit floß das Blut,Du schenktest Sieg dem frommen Muth,Und wieder droht der Hölle Wuth. -

In diesem Chor herrscht die Stimmung der Ouverture noch fort, bis endlich der Glaube (Baß) eintritt und beruhigend singt: Völker, verzaget nicht,Zweifelt und klaget nicht,  Was nicht genug gescheh’n,  Muß zur Vollendung geh’n;Bäumet des Bösen MachtSich aus dem Reich der NachtGegen das Licht,Glaubet: sie bricht.

Nach einem Terzett zwischen Glauben, Liebe (Sopran) und Hoffnung (Tenor) folgt ein herrlicher Kriegschor mit rauschendem Ritornell: Wohlauf, wohlan, das Schwert gezückt!Erst Mann an Mann geschlossen,Die Hyder in den Staub gedrückt,Von wannen sie entsprossen! -

Bey den folgenden Versen: Horch! das war Freundes Jubelklang,Wohl über Berg und Thal entlang,Aus Welschland tönet Siegesgesang, ertönt, den Gesang begleitend, der österreichische Grenadiermarsch.

Bis hierher waren Trompeten und Pauken – die in Schlachtgemählden gewöhnlich die erste Rolle spielen – noch gar nicht gebraucht worden. Nach dem Schluß des Chors erschallen zwey dumpfe Paukenwirbel, und dann ein verwegener Marsch des Feindes in der Ferne, dazwischen singen die Krieger aus Theodor Körners Gebeth: Wie auch die Hölle braust,Gott, deine starke Faust  Stürzt das Gebäude der Lüge. ¦ Führ’ uns, Herr Zebaoth,Führ’ uns, dreyein’ger Gott,  Führ’ uns zur Schlacht und zum Siege.

Der Marsch verliert sich, wüthender Angriff der Feinde, Schlacht, Noth der Krieger, Übermuth des Feinde; das ça ira ertönt, dazwischen Kriegerchor:      Des Feindes Spott!     O Höllengrau’n! -     Verläß’st du, Gott,     Die dir vertrau’n! Immer wilder wird die Schlacht, in einzelnen Hornstößen erkennt man die preußischen Signale, die immer nächer kommen. Die Krieger singen:   Ha, welch ein Klang! -  Auf Windesflügeln  Sprengt’s von den Hügeln  Die Flur entlang! -  Die Fahnen wallen,  Die Hörner schallen:O Himmelslust in Todesdrang!Das ist Freundes muthiger Schlachtgesang! Jetzt ertönt vermehrter Schlachtruf mit Posaunenschall, und während des folgenden Kriegerchors:   Den Kampf erneut  Gegen den Feind!  Wie er auch dräut,  Wir sind vereint!  Trefft ihn wie Hagelschlag,  Glühende Ballen!  Heut’ sey sein letzter Tag,  Heut’ muß er fallen.  Grimmig, wie Feuersgluth,  Schnell, wie des Bergstroms Fluth,  Fällt seine Glieder!  Stellt er sie wieder,  Nieder, nur nieder!  Wachse, Verderben!  Heut’ muß er sterben.     Die Rachegötter     Singen dem Spötter     Ein Todeslied, ertönt das frevelnde ça ira mehrmals, wird aber von der ganzen Masse der Instrumente unterdrückt, so daß es in immer kürzern Absätzen erschallt und endlich ganz verstummt. Bey dem:   Hurrah! er flieht! fällt die türkische Musik mit lautem Schall ein; sie kehrt wieder bey den Worten:   Hurrah! durch dunkle Nacht  Muthig das Werk vollbracht!  Setzt an den versprengten flüchtigen Troß  Den letzten Hauch von Mann und Roß, und endlich vereinigen sich alle Instrumente, mit Posaunen, Trompeten und Pauken, in das erhabene: God save the King! Die Schlacht ist vorüber und das Recitativ des Glaubens beginnt:   Söhne des Ruhms!  Die aus den Wehen der Schlacht  Blutend den Sieg gebracht.  Nicht auf die Wunden hin,  Blickt auf den Hochgewinn -  Wie die Gebährerinn  Lächelnd das Weh verschmerzt;  Wenn sie ihr Kindlein herzt u. s. w.

Ein herrliches Terzett von Glauben, Liebe und Hoffnung und ein tief gedachter Völkerchor schließen dieses Werk, welches auf eine würdige Weise die Völkerschlacht feyert, welche uns in so kurzer Zeit den Frieden zurückbrachte.

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Jakob, Charlene

Überlieferung

  • Textzeuge: Der Sammler. Ein Unterhaltungsblatt, Jg. 8, Nr. 30 (9. März 1816), S. 122

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