Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater und Linkesches Bad vom 23. bis 29. Mai 1819

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Sonntags, am 23. Mai. Auf dem Theater am Linkeschen Bade. Zum Erstenmale: Der Liebe Zauberkünste, Lustspiel in 3 Akten, von Vogel.

Es ging diesem Stücke kein günstiger Verkündiger voraus. Man erwartete wenig. Aber wie kam’s, daß man, wo übrigens in Scenerei, Einprobiren und mancherlei Augenlust nichts gespart ward, selbst diese geringe Erwartung getäuscht fand? Man hatte vielleicht nicht genug berechnet, daß gerade der goldverbrämte Mantel, über eine verwachsene Mißgeburt geworfen, die Blöße nicht deckt, sondern nur noch sichtbarer macht. Das Stück selbst ist ein gar klägliches Machwerk aus allerlei verbrauchten Späßen und Reminiscenzen zusammengeflickt. Ein Capitän von Schelbach wird von einer ihm auf dem Wege nach Berlin nachreisenden Geliebten unter verschiedenen Verkleidungen in Wirthshäusern geäfft, und diese Mummereien heißt nun der Verfasser Zauberkünste. Zu einer kleinen Oper auf einem Vorstadttheater möchte der Stoff zur Noth noch auslangen, und doch müßte er auch da, wenn die Langeweile nicht ihr bleiernes Scepter auf unsere Häupter senken soll, geistreicher behandelt seyn. Eine Ahnung hiervon mag den Verfasser wohl selbst angewandelt haben, indem er durch die Einführung einer Lautenschlägerin uns mit einem Sinnfang aufzuheitern sich angelegen seyn läßt. Plan und Ausführung strotzen von Unwahrscheinlichkeit. Welch ein Gimpel müßte der Liebhaber seyn, mit dem seine Herzenskönigin dreimal ohne Maske als eine Fremde conversirt und der sich von ihr doch immer aufschwatzen läßt, sie sey eine ganz andere unbekannte Person! Dabei geht’s bunt unter einander. Zigeunerwirthschaft, Bauerntanz mit einem Donnerwetter accompagnirt, endlich gar Genien und Nymphen, welche das nach allem Ir[r]sal endlich vereinigte Paar mit Rosenkränzen und Blumengewinden umflechten! Der Dialog ist schleppend und platt. Einige ungesalzne Spätze abgerechnet, nicht ein Körnchen Witz, nicht ein Einfall, den man so von innen heraus und nicht mit fremden Kinnbacken belachen möchte. Die Gasthofscene und die Tölpelhaftigkeit des Bedienten wiederholen sich dreimal fast auf dieselbe Weise! Fürwahr, hätten nicht zwei der geachtetesten Namen unsers Künstlervereins, Hr. Julius und Mad. Schirmer durch ihr Spiel dem Stücke Nachsicht und Duldung erworben, gewisse Anklänge, die hörbar genug am Ende zu tönen anfingen, hätten leicht noch stärker anschwellen können. Irren wir nicht, so fühlten unsre Schauspieler selbst das Mißliche eines Stücks, dem durch kein Kunstaufgebot auf die Füße zu helfen war. Mit aller Feinheit und Anmuth, womit Mad. Schirmer besonders die Rolle des Bauernmädchens ausstattete, beschwichtigtigte sie doch kaum am Ende die Frage: und dieser ihm nachlaufenden Alexia giebt der an allen seinen Sinnen bethörte Schäfer ganz zärtlich Hand und Herz! – Hr. Julius half sich durch Entwicklung eines sehr gesunden Appetits auf der Reise. Das Publikum bewegte während der ganzen Vorstellung keine Hand; ¦ wohl aber hörte man ganz vernehmlich das allgemeine Bedauern aussprechen, daß durch das Einlernen und Anpassen eines solchen Stücks so viel Kraft und Zeit einer gehaltvollern Darstellung entzogen worden sey. Das erfreulichste war, daß das Stück schneller endete, als die Ankündigung lautete. Ein heitres Nachspiel hätte vielleicht den erschlafften Geist neue Spannkraft gegeben. Man hätte beim Nachtisch die Vorkost vergessen!

Böttiger.

Dienstags, den 25. Mai. Auf dem königl. Theater in der Stadt: Donna Diana, Lustspiel in 5 Akten, nach Moreto von West. (Neueinstudirt.)

Diese Aufführung vor einem der schönen Witterung wegen nicht zahlreichen aber erlesenen Publikum, gehört ohne Widerrede zu der gelungensten in ihrer Art auf unsrer Bühne. Die kleinen Nachhilfen und Zusätze, wodurch dies Lieblingsstück unsrer Bühne nach dem Abdruck in Müllners dritten Jahrgange für Privatbühnen so sehr gewonnen hat, rechtfertigen sich auch bei dieser Aufführung vollkommen, als von Meisterhänden eingefügt. Alles ist weit mehr motivirt und durch die Auflösung, da die zwei andern Prinzen nun auch feurige Liebhaber geworden sind, durchaus anständiger, befriedigender. Die drei Hauptrollen wurden von Mad. Schirmer, Hrn. Julius und Hrn. Hel[l]wig, als Donna Diana, Don Cesar und Perin mit so viel Frischheit, Kraft und Laune ausgestattet, daß uns vieles wie ganz neu vorkam, manches jetzt erst seine wahre Vollendung erhalten zu haben schien. Mad. Schirmer zeigte durch die stets fortschreitende Leidenschaftlichkeit und Reizbarkeit bis in die feinsten Abstufungen und Schattirungen die denkende, Frauenstolz mit hoher Anmuth gattende Meisterin auch in diesem mit hoher Ironie selbst an den Kothurn anstreifenden Drama. Dabei war alles in ein so schönes Ganze verschmolzen, daß von berechnender Kunst und Hinarbeiten auf Effect nirgends eine Ahnung den Zuschauer beschleichen konnte. Mit welcher Kraft spielte sie die letzten Scenen! Wie fein hütete sie sich vor allem Pathos und bloß declamatorischen Rhythmus! Möge sie uns noch oft in solcher Kraft erscheinen! Hr. Julius stand durchaus in der schönsten Wechselwirkung mit dieser nur durch Stolz zu erweichenden Principessa filosofa, wie sie Gozzi nannte; und Hr. Hellwig übertraf sich selbst durch neckenden Muthwillen, spottendes Doppelspiel und durch die lebendigste, aufgeregteste Beweglichkeit, ohne doch, etwa eine unbehütete Anrührung der Prinzessin ausgenommen, aus den Schranken des Grazioso, wie wir ihn nun einmal für diese Rolle uns denken, herauszutreten. Solche Vorstellungen machen unsrer Bühne Ehre. Mehrere achtbare Fremde, die aus Hamburg und Berlin kamen und dort berühmten Künstlern gehuldigt hatten, fanden doch, daß man mit solchem Kunst- und Kraftaufwand auch mit den Gepriesenen in die Schranken treten könne.

Böttiger.

Am 29. Mai. In der Stadt: Le nozze di Figaro.

Editorial

Authors

Summary

Chronik Dresden, Hoftheater und Linkesches Bad vom 23. bis 29. Mai 1819

Creation

Responsibilities

Übertragung
Fukerider, Andreas

Tradition

  • Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 3, Nr. 139 (11. Juni 1819), f 2v

Text Constitution

  • “beschwichtigtigte”sic!

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