Georg August von Griesinger an Carl August Böttiger in Dresden
Wien, Mittwoch, 12. Februar 1823

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Nehmen Sie Sich, mein verehrter Freund, mit den transports au cerreau in Acht, und fixiren Sie Ihre Gicht lieber im Pedal; unter allen Mitteln gegen dieses so allgemein verbreitete Uebel scheint mir eine strenge Diaät noch immer das wirksamste, und ich erinnere mich von dem Schwiegervater unseres Hofraths Parthey in Berlin, damals einem robusten 70ger gehört zu haben, daß es ihm gelungen sey sich die Gicht ganz zu vertreiben, nachdem er Jahre lang schlechterdings keine andere Nahrung als Milch genommen hatte. Freilich ein großes Opfer für einen Freund geselliger Tafeln!

Ihr Portrait hat mir Marq. Piatti eingehändigt; ich danke dafür aufs Verbindlichste und werde eine Gelegenheit suchen, um das andere Exemplar an Podmanitzky* gelangen zu lassen.

H. v. Könneritz hat den besten Weg eingeschlagen, um die Plane der Minna Schröder zu erforschen; da die Mutter selbst gegen Mad. Piquot nicht ganz offenherzig ist, so würde sie es um so weniger gegen mich seyn. Wenn Minna hier bleibt, so dürfte sie es bereuen, denn Mslle. Sonntag, die wir zu Ostern von Prag erwarten, wird sie sehr verdunkeln.

Tieks Critiken* finde ich Ideenanregend, wenn man auch nicht immer mit ihm übereinstimmen kann, und es ist nun schon einmahl | eine Eigenheit unserer deutschen Literatur, einen Gegenstand von allen seiten anzufaßen, und die ersten Autoritäten zu bekritteln. Wenn Schiller noch lebte, wäre er wohl wenig verlegen Hn. Tiek zu antworten, warum er seinen Plan so und nicht anders angelegt habe; über solche Dinge werden die Meinungen und Ansichten stets verschieden bleiben, und daher kann man auch volumina darüber schreiben. Tiek stellt Göthe höher als Schiller*, ich gebe dem Schwäbischen Landsmann die Priorität, und glaube daß er sie auch bei der Nachwelt behaupten wird.

Spohns Briefe sind von großem Intereße, von noch größerem ist seine Entdekung, die in der That Leipzig illustriren wird. ich kann nicht glauben, daß die feste Ueberzeugung eines nach seinen Briefen so besonnenen Mannes auf Illusionen beruhen sollte; ich zweifle keinen Augenblik, daß ihn die höchst nöthige literarische Muse zur weiteren Verfolgung seines Fundes mit Vergnügen bewilliget würde, wenn man den obersten Behörden in Dresden die Sache unter ihrem wahren Gesichtspunkte vorstellte. Kann der ConsistorialPräsident H. von Globig dabei nichts thun?

Der Prinz Anton und Seine Gemahlin* mußten, weil der Eisstoß etwas am Joche von der Donaubrüke fortgerißen hatte, zu Schiffe herübergeführt werden; der König v. Neapel* und der Prinz v. Salerno wurden von Ihnen bis ans Ufer entgegengefahren.

Zacharias Werner wurde in Folge seines Testaments auf dem | Kirchhofe zu Engersdorf (nahe von der Brühl) neben den Pater Hofbauer*, einem HauptPatron der Redemtoristen, unter großem Zulaufe begraben; Fürst Alexander Hohenlohe* hielt die Leichenrede.

Bon Münch erhält als Ps PräsidentialGesandter 46/m f. C. M. Gehalt, und reist im März auf seinen Posten.

Bleiben Sie gesund!
Ihr
Gr.

Editorial

Summary

u.a. über Böttigers Gicht, Wilhelmine Schröder, Tiecks Kritiken u. Zacharias Werner

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Dresden (D), Sächsische Staats- und Universitätsbibliothek (D-Dl)
    Shelf mark: Mscr. Dresd. h 37:4, Bd. 64, Nr. 185f.

    Physical Description

    • 1 DBl. (3 b. S.)
    • untere Hälfte von Bl. 2 abgeschnitten

    Provenance

    • 1926 Dresden SLB

Text Constitution

  • “gehört zu haben”added above
  • “ich”uncertain transcription
  • “etwas”uncertain transcription
  • “wurden”uncertain transcription
  • “Fürst”uncertain transcription
  • “Ps”crossed out

Commentary

  • “… das andere Exemplar an Podmanitzky”Vermutlich Friedrich Podmaniczky Freiherr von Aszód, der Ehemann von Elise Henriette, geb. von Nostitz (1788–1853).
  • “… Tieks Critiken”Tiecks Serie Ueber das Königl. Theater in Dresden, die ab dem 15. Januar 1823 in der Abend-Zeitung erschien.
  • “… stellt Göthe höher als Schiller”Zur Gegebüberstellung Schiller/Goethe vgl. u. a. Abend-Zeitung, Jg. 7, Nr. 22 (25. Januar 1823), S. 88.
  • “… Prinz Anton und Seine Gemahlin”Das Paar befand sich auf Wien-Besuch und reiste Anfang April zurück nach Dresden; vgl. u. a. Der Wanderer, Jg. 10, Nr. 105 (15. April 1823), S. 177.
  • “… werden; der König v. Neapel”Ferdinand I., König beider Sizilien (1751–1825).
  • “… Brühl) neben den Pater Hofbauer”Klemens Maria Hofbauer (1751–1820), Angehöriger des Redemptoristenordens, seit 1914 zweiter Stadpatron von Wien.
  • “… Zulaufe begraben; Fürst Alexander Hohenlohe”Alexander von Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst (1794–1849), Domherr von Großwardein.

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