Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Donnerstag, 19. Juni bis Freitag, 20. Juni 1817 (Nr. 58)

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Mein vielgeliebter Mukken könig.

Habe dir allerley Gutes, und Nichtgutes zu erzählen, doch überwiegt ersteres bei weitem das leztere. d: 16t Abends kamen Grünb: an. ganz trunken von Berlin, und der Aufnahme besonders bey Beers, das wirst du alles oft und ausführlich von ihnen selbst hören. d: 17t kam ein H: Schik aus Breslau, und präsentirte mir aufs höflichste eine alte nur halb bezahlte MöbelRechnung, indem er sich den Rest mit 94 rh: 12 gr: ausbat. ich war wie aus den Wolken gefallen. du wirst dich errinnern daß ich in Prag schon einen SilberArbeiter in Breslau mit einer ähnlichen alten Foderung, bezahlte*. Wer weis also wie manches da noch stekken mag. daß sind die Folgen der Unordnung, und deß leichtsinnigen blinden Vertrauens. hätte ich damals schon ordentlich Rechnungen aufgehoben, Tagebuch geführt pp, so wüste ich jezt genau Bescheid, so muß ich den Leuten auf ihr Wort glauben, und – bezahlen – was ich denn auch that. aber freilich ohne sonderliche Lust, denn ich hatte mit dem Geld manch anderes vor, wollte auch meiner Mukkin was schikken durch Crinepans*, ist nitz – armer Muks; kann dir nitz schikken als die Lehre, durch Schaden wird man klug und ordentlich. – Hatte auch damals die verruchte Theater Methode so monatlich etwas abzuzahlen, – jezt kaufe ich nicht eher als bis ich das Geld in der Hand habe. – Nun, ich will aber auch sparen, daß mir die Rippen krachen. – doch nun Puntum von den Übeln, und nun zum Guten. d: 17t verging mit Proben, Anstalten Laufereyen pp Abends war das Trauerspiel Faust hier zum erstenmale. gefiel*. Gestern früh kam auf einmal und unerwartet der Beweiß daß der König sowohl deutsche Kunst liebt, als auch die Grünbaum gerne hört, durch einen Befehl daß Abends in Pillnitz das Lotterielos und Pflicht um Pflicht sein sollte. nun giengs an ein Hezzen. erst Probe dann um 2 Uhr hinaus. und um 6 Uhr giengs los*. So wie S: Majestät hinein kam, ging er gleich auf mich zu, und Er und alle Prinzen unterhielten sich aufs freundlichste und schmeichelhafteste den ganzen Abend mit mir, und waren ganz entzükt von der Grünb:* Die Königin frug gleich nach dir, und trug mir auf dich zu grüßen, indem sie mir sagte daß Sie dich sehr lieb hätte – Unsre Herrschaften sind wirklich unendlich lieb und gut.

Es hat uns allen große Freude gemacht, daß Wir und nicht die Italiener die ersten waren die er zu sich rief. das Ganze war gar schön und die Grünb: wird dir alles ausführlichst erzählen. Heute ist nun der Joh: v: Paris. und Morgen spaziert der Brief fort nebst einer Menge Beilagen, Paketen pp. ich erwarte jeden Augenblik einen von dir, und will mich unterdeßen zur Probe anthun. ade, gieb mir geschwind einen Buß. so – nun gut. –

Nachtische      Nachdem ich deinen lieben Brief No: 62 durchgelesen habe, muß ich dir vor allem andern sagen, daß du dir mit Respekt, noch immer der alte Esel bist, mit deinen dummen Ahndungen. Wart nur ich werde dir schon nicht mehr schreiben wenn ich einmal ein bißel zu viel gefreßt habe, oder dergl: wenn du immer gleich so ängstlich sein willst. ich werde weder zu viel arbeiten, noch krank werden, zu dem allen habe ich gar keine Zeit. nun noch Haue, und dann Puntum weiter zu dem Brief.     Es freut mich herzlich daß dir mein Vorschlag gefällt*, ja du legst mehr Werth in ihn als er verdient. wirst du immer meine Handlungen | mit so liebevollen Augen betrachten, so werden wir gewiß glüklich unsern Weg wandeln. Uebrigens muß ich es selbst sagen daß ich mir aus dieser Reise recht viel Freude und gute Folgen für uns Alle verspreche. dem H: Grafen habe ich schon vorläufig von unser meinem Urlaub gesprochen und ich zweifle nicht an deßen Erfüllung. der Himmel gebe nur daß ich dann auch etwas verdiene. bedenke nur, bei der lebenslänglichen Anstellung muß [ich] eine 3 Monatliche Gehalt Taxen bezahlen, also 3 Monate von eignem Fette zehren. Wenn ich dazu die Reise und übrigen Ausgaben berechne, so stehen mir die Haare gen Berge, und das bischen Ersparte könnte sich wohl empfehlen, ich mag ohnedieß gar nicht rechnen wie viel schon davon weg ist. das schadt aber alles nitz. nur heiteren Sinn, und Zufriedenheit, so wird das Alles bald wieder kommen, und wir froh leben, wenn auch die Teppiche pp erst nach und nach kommen.

Die Firmung hast du also versäumt? das ist Schade, wirst du aber heirathen können ohne gefirmt zu sein?     Mit Trauer sehe ich daß ich abermals Recht habe, und du in manchem Benehmen und Äußerungen der Drs: Leute, noch siehst, was vielleicht nicht darinn ist.      Sie ist von jeher so gewesen, und Er auch zum Theil, aber dir fällt es jezt erst auf, weil du ihnen allenfalls einen Grund unterschieben kannst. Auch ich habe oft davon gelitten, aber das gehört einmal zu den Eigenheiten jedes Menschen, die man übersehen muß. Es ist gut und recht von dir, daß du nicht in denselben Ton einstimmst, und – wenn’s wahr ist – dich auch nicht ärgerst. Sey geduldig, und heiter! –. die Agnese scheint also nicht gefallen zu haben*. ist Schade, ist doch viel Schönes in der Musik.     Wilhelmi hat an mich geschrieben, und ich werde ihm antworten was recht ist, und hier möglich.     Ueber die alte Nina habe ich herzlich lachen müßen. Wegen dem Angriffe habe ich nichts dagegen, das ist hoffentlich vorüber, wenn ich aber aufrichtig meine Meynung sagen soll, so kann ich mir nicht helfen, es ist keine Rolle für dich*, du wirst dich selbst unendlich rühren, und die Leute werden auch applaudiren; die Vernünftigen werden aber abermals die alte Erfahrung bestätigt sehen, daß alle Schauspieler immer nur nach dem am liebsten greiffen, was nicht ihr Fach ist, und es erschreklich übel nehmen wenn mans ihnen sagt. das leztere wirst du nun wohl bei mir nicht thun, und ich bitte dich übrigens wegen dieser Äußerungen dich gar nicht zu geniren, und wenn dein Herz so sehr dran hängt, frisch drauf los die Nina loszulaßen. das gehört noch ganz für jezt in dein Departement. Die Vaterliebe ist auch ein guter Gedanke. Hast du denn dein Benefiçe so bald daß du auf Kostenobles Reiz zählst?*

Ja, mit Morgender Post schreib ich an Louis und Vater. Ziel und Dauer meiner Reise werde ich ihnen aus dem einfachen Grunde nicht sagen, weil ich ihn selber nicht weis. warum aber sonst nicht? laß uns doch immer grade aus gehn, du weißt wie fatal mir selbst in den kleinsten Dingen das umgehen des Wahren ist. Wenn Er die Seinigen nur einigermaßen liebt, muß er es einsehen daß mein Plan der freudigere und daher beßere ist.

d: 20t So weit war ich Gestern als es Zeit war ins Theater zu gehen*. Es war troz des herrlichen Wetters voll, und gieng!! – nun! so vollendet, daß ich ganz außer mir war vor Vergnügen. die Overture wurde aplaudirt, die Grünb: unmenschlich empfangen, und so weiter.     Dann waren wir noch bei Ihnen. ich gieng aber bald in Bett weil ich sehr müde war. Jezt muß ich diesen Brief vollenden, und noch ein paar andere, denn um 10 Uhr reisen sie ab. du bekömst also mit der Post keinen, weil die um 12 Uhr schon wieder geht. Was untersteht Err sich zu sagen, ich antworte ihm auf das Zehnte nicht? o du abscheulicher Pumpernikkel, das kann gar nicht wahr sein, denn ich hab immer deine Briefe neben mir liegen, und beantworte | sie Punkt für Punkt.      Der Waldmüller habe ich unterdeßen geantwortet, was du ihr sagtest war sehr wahr, gut, und heilsam.     Die 3 ekkigten Schüßeln in der Auktion das war ein ganzer Serviçe den Wohlbrük auf meinen Namen erstand. Uebrigens hast du wohl recht daß es ein entsezliches Krähwinkel ist, und man sich wohl in acht zu nehmen hat um nicht in der Leute Mäuler zu kommen, was doch am Ende bis auf einen gewißen Grad auch nicht zu vermeiden ist. je nun, thue Recht, und scheue Niemand, muß der Wahlspruch sein.

Denen Herren Spektaklern muß geschieht es schon recht wenn sie ein bischen gezwifelt werden, so sind sie ein andermal vorsichtiger und nicht so roh.

Nun zu meinen Comissionen. hier beiligend bekömst, Möbel Muster aller wo die Breite und der Preiß drauf stehn. NB: die Dresdner Elle, die etwas kleiner ist als Eure.      Sodann wird dir die Grünb: übergeben

6 Ellen Silberstramin, der kostet 7 ƒ — Xr conv: M:

und 4 — Gold —— 5 . 45 . — .

zusamen 12 f 45 Xr: conv: M:

das kannst du nun an die Dame die die Dr:in. so sehr drum bat allein geben, oder es der Kleinwächter halb[?] zutheilen, wie du willst. das Geld habe ich mir gleich von Grünb: geben laßen. denen du es also zurükzuzahlen hast.

Das kleine GürtelSchloß, und die englischen Nadeln mit goldnen und silbernen ohren, nimmt meine Mukkin als einen kleinen Beweiß an, daß ich die Gelegenheit nicht ganz konnte vorbei gehen laßen, ohne ihr doch etwas zu schikken. Die Nadeln werden für sehr gut gehalten und sind eine neue Erfindung.

ich bin jezt gar ein zu armer Hund, drum nimm vorlieb. Beiliegender Brief an die Doktorin, gieb ihr erst zu ihrem Namenstag.

Jezt will ich die andern Briefe schreiben, und bleibt noch ein Augenblik übrig ihn mit Muks verpabsen.

So. der Doctorin gieb am 25t einen recht herzlichen Kuß für mich*. den 25t werdet ihr wohl wenn es so schönes Wetter ist, im Freyen zubringen. ich will da fleißig an Euch denken. Wenn ich nicht bis dahin zerschmolzen bin, denn die Hizze ist heute entsezlich, und die künftige Woche wird es hart hergehen, weil so viele sich kreuzende Proben zusammen kommen.     Jezt ziehe ich mich an und gehe zu Grünb: so wie die weg sind, wieder nach Hause, und schreibe den ganzen Tag. muß mir einmal wieder die vielen Rükstände vom Halse schaffen.

Meine gute vielgeliebte Lina, morgen Abends hast du schon den Brief, wenn ich mich doch so mit einpakken könnte. nun, die Zeit vergeht auch so nach und nach. Gott erhalte dich gesund, heiter, und ohne Ahndungen. um die Zeit wo der aimable Kranz geruhte herunter zu fallen, las ich in der Stunde eine itali: Komödie, schrieb dann an dich, und hatte dann Proben. das war alles Uebel das mich betraf. o du! du! du! du!     ich will nichts weiter sagen.

Alles Schöne an die Mutter. Es freut mich sehr, daß auch Sie mit meinem Plane zufrieden ist. Ich umarme dich innigst mein theures Leben, Gott segne dich + + + und behalte recht lieb deinen dich ewig unveränderlich liebenden Carl.Millionen Bußen.

Editorial

Summary

über Rückkehr der Grünbaums, eine alte Rechnung aus Breslau u. die fehlende frühere Buchführung; über Theaterangelegenheiten u. die kurzfristig angesetzte Auff. in Pillnitz; die geplante Hochzeitsreise; fehlende Firmung Carolines; die Auswahl ihres letzten Benefiz’, gemeinsame Bekannte; Wohnungseinrichtung betr.; erbetene Stoffe gibt er Grünbaums mit, ebenso diesen Brief; beruhigt sie über ihre “Ahnungen”, freut sich, dass ihre Mutter auch mit seinem Reiseplan einverstanden ist

Incipit

Habe Dir allerley Gutes und Nichtgutes zu erzählen

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Weberiana Cl. II A a 2, 12

    Physical Description

    • 2 Bl. (3 b. S. o. Adr.)
    • Rötel- und Bleistiftmarkierungen von Max Maria von Weber
    • am unteren Rand von Bl. 2r von F. W. Jähns mit Tinte: “Carl Maria von Weber an seine Braut. Eigenhändig.”, auf Bl. 1v zur Datumsangabe mit Bleistift: “Dresden.”

    Provenance

    • vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403

Thematic Commentaries

Text Constitution

  • “dir”crossed out
  • “unser”overwritten
  • “muß”crossed out

Commentary

  • “… einer ähnlichen alten Foderung, bezahlte”Laut Tagebuch am 6. Oktober 1816.
  • “… Mukkin was schikken durch Crinepans”Hierbei dürfte es sich um eine der zahlreichen bei Weber beliebten Lautveränderungen von Namen, in diesem Fall Grünbaums, handeln.
  • “… Faust hier zum erstenmale. gefiel”Vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 3. Juli 1817.
  • “… um 6 Uhr giengs los”Im Pillnitzer Hoftagebuch (Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, 10006 Oberhofmarschallamt, O 05, Nr. 50, Bl. 11v/12r) heißt es dazu: „Um 6. Uhr Abends wurde aufn hiesigen Hoftheater zum 1sten male als es existirt deutsches Schauspiel gegeben. | Vor Anfang deßen hielt die deutsche HofSchauspielerin Madame Schirmer einen den Ereignis anpaßenden Prologe dann gab man Das Lotterie Loos, Singspiel in 1. Akt die Musick von Isouard, Hℓ: und Made Grünbaum spielten darinnen Gastrollen. Hierauf führte man auf Pflicht um Pflicht Schauspiel in 1. Akt von Wolf.“
  • “… ganz entzükt von der Grünb:”Th. Grünbaum sang die Adele im Lotterielos.
  • “… daß dir mein Vorschlag gefällt”Zum Plan der Hochzeitsreise nach Mannheim, Mainz und zurück über Thüringen vgl. Webers Brief vom 11./13. Juni 1817.
  • “… also nicht gefallen zu haben”Laut Tagebuch der deutschen Bühnen (1817, S. 343) fand die Prager Premiere am 15. Juni statt; bis einschließlich Oktober 1817 gab es nur eine Wiederholung (19. Juni).
  • “… ist keine Rolle für dich”Gemeint ist wohl Nina, Tochter der Baronin Wendheim, in Welche ist die Braut; diese Rolle wurde am 24. Juni 1817 in Prag dann allerdings von der jüngeren Friederike Krickeberg gespielt (vgl. Tagebuch der deutschen Bühnen 1817, S. 344). Vgl. dazu auch Webers Brief an Caroline Brandt vom 27. Juni 1817.
  • “… du auf Kostenobles Reiz zählst?”Graf Pachta hatte sich während Liebichs schwerer Krankheit bzw. nach dessen Tod mehrfach (23. November, 3. und 28. Dezember 1816) an Costenoble mit der Bitte gewandt, dieser möge als Oberregisseur gemeinsam mit Mad. Liebich die künstlerische Leitung des Prager Ständetheaters übernehmen. In einem Brief der Witwe Liebich vom Januar 1817 trug sie ihm förmlich die Mitdirektion an. Costenoble hatte zugesagt, im Frühjahr nach Prag zu kommen, um sich zu entscheiden; vgl. Carl Ludwig Costenoble’s Tagebücher von seiner Jugend bis zur Übersiedlung nach Wien (1818), Berlin 1912, Bd. 2, S. 165–167. Zu Caroline Brandts Benefiz am 17. September 1817 vgl. den Kommentar zu Webers Brief vom 18. August 1817.
  • “… war ins Theater zu gehen”Am 19. Juni wurde Johann von Paris gegeben mit Therese Grünbaum als Prinzessin von Navarra; vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 3. Juli 1817.
  • “… recht herzlichen Kuß für mich”In der Tagebuchnotiz zum Glückwunschbrief vom 20. Juni 1817 ist fälschlich angegeben zum Namenstag, laut Webers Briefen an C. Brandt vom 23. und (29./)30. Juni 1817 war es jedoch der Geburtstag.

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