Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Dresden
London, Freitag, 28. April 1826 (Nr. 23)

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Die dumme Post! bin recht betrübt. Fürstenau hat gestern Brief gehabt und ich nicht, gewiß bekomme ich wieder 2 zugleich, was lange nicht so hübsch ist, als wenn die Nachrichten öfter kommen. Nun, Geduld, ängstigen thue ich mich deßhalb aber gar nicht, da kannst du ruhig sein. gewiß kann ich dir von diesem Briefe aus ein Willkommen in Hosterwitz, zurufen. Wenn du gestern hinaus gezogen bist, so wird die liebe Ameise wohl keine Ruhe haben bis alles geordnet ist, und ich sehe dich daher heute im Geiste sehr geschäftig, und hoffentlich von glüklichen fröhlichen Sinnes über die guten Nachrichten vom Oberon.

d: 25t dirigirte ich ihn zum 12t male. wie immer volles Haus, großer Beyfall. Gestern und Vorgestern soll es noch ärger gewesen sein. ich brachte den 26t bei Kembles zu, und Gestern hatte ich Probe und Aufführung von Hawes Concert /: der Verleger des Oberon :/ wo ich die Overturen zu Euryanthe und Oberon dirigirte*. heute will ich aber wieder einmal hingehen, und mir die Sache mit ansehen*.      Morgen ist meines hiesigen sogenannten Rivals Oper zum 1t male Aladin. bin recht neugierig drauf, Bishop ist allerdings ein Mann von Talent, aber ohne alle eigne Erfindung. ich wünsche ihm das beste Glük, wir haben alle Plaz in der Welt.      Ein Dresdner Kaufmann Kelz*, reißt heute von hier gerade über Hamburg nach Dresden, dem gebe ich ein Buch vom Oberon für dich mit, es macht dir doch wohl Spaß es zu sehen, und andern zu zeigen. es ist die 3t Auflage*. von der ersten schikke ich auch Böttger eines.

Da hatten wir für Sonntag eine hübsche Parthie aufs Land für den ganzen Tag arrangirt, Göschen, Kind, Fürstenau und ich, ich darf mich aber nur auf etwas freuen so geschieht es nicht, und eine Einladung des Herzogs von Clarence zum eßen zerstört unsern ganzen Spaß. das soll eine große Ehre sein, ich halte es aber für sehr unbequem, in vollem Anzuge nun 15 englische Meilen zu fahren, zu eßen, Klavier zu spielen und in der Nacht um 2 oder 3 Uhr wieder so nach Hause zu kommen. es ist aber nichts zu machen, als in Geduld die Ehre zu verzehren.

Ich bin so oft gestört worden bei diesem Brief, und weiß auch eigentlich so gar nichts zu schreiben, daß du dißmal mit Recht unzufrieden mit No. 23 sein wirst. wir sind aber alle von der Kälte die seit ein paar Tagen herrscht so zusammen geschüchtert, als wenn uns der Verstand erfroren wäre.      lezte Nacht konnte ich meine Füße gar nicht warm kriegen, und dabey habe ich einen Schnupfen, nun, der heißt Ihr.      Ach Gott, daß hätte ich eigentlich schon nicht schreiben sollen, du bist kapabel dich gleich wieder zu ängstigen. Nein, nein, meine Alte, sey ganz ruhig; mein Husten und Befinden ist immer auf dem alten Flekk, und wird nicht eher beßer werden bis ich ganz ruhig hokke, und weder in heiße Gesellschaft, Konzerte, kalte Orchester, und alle die Freuden zu gehen brauche | die nun einmal mit dem Künstlerstande unzertrennlich sind. es ist ohnedieß unbegreifflich was man mir alles hingehen läßt. ich besuche Niemand, alles kömt zu mir. alle Rüksichten die ich sonst zu nehmen pflege, fallen hier weg. es ist aber auch wahr das Treppen Steigen wird mir gar zu sauer, und — für was habe ich denn einen großen Nahmen, wenn er mir zu gar nichts helfen soll.      bei Manchen mag ich es jedoch wohl verschüttet haben, und der Adel ist hier wie überall durch die Kriechereyen der Italiener verwöhnt, nun, Punktum, ich kann und mag nicht anders; und es geht auch.

Kannst du glauben meine gute Mukkin, daß troz dem daß ich jezt eigentlich nichts zu thun habe, ich doch noch nicht dazu gekommen bin, an Lichtenstein, Beer oder die Hennikstein zu schreiben? es ist unglaublich wie die Zeit sich verkrümelt, und was man für viele kleine Schreibereyen hier hat. bei den großen Entfernungen ist mit schikken und mündlichen Comissionen gar nichts zu machen, die geringste Kleinigkeit muß schriftlich abgemacht werden, und seyen es auch nur 2 Worte, so müßen sie gefalzt, couvertirt, gesiegelt und adreßirt werden. Das macht mich manchmal so ungeduldig. an Smarts Bruder habe ich aber einen treuen Gehülfen. wenn der des Morgens komt, so pakke ich ihm gleich ein halb Duzzend solcher Billetchens auf.

Und nun schließe ich meinen Brief alla Heinrich Beer, die Post geht pp Gott segne Euch + + + Ihr innigst Geliebten. wie zähle ich die Tage Stunden, Minuten, bis zu unserm Wiedersehen. wir sind doch sonst auch getrennt gewesen, und haben uns gewiß auch lieb gehabt, aber diese Sehnsucht ist ganz unvergleichbar, und unbeschreiblich. Geduld, Geduld. Ich drükke Euch an mein treues nur für Euch schlagendes
Herz. Ewig Euer
Carl.

Editorial

Summary

schildert seine Lebensweise in London, Oberon weiterhin erfolgreich; Leitung von Hawes’ Concert; Neugier auf die Oper Aladdin; übermittelt Oberon-Textbuch für Caroline von Weber; unzufrieden über ehrenvolle, aber lästige Einladung; Gesundheitliches und Privates

Incipit

Die dumme Post! bin recht betrübt

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Mus. ep. C. M. v. Weber 230

    Physical Description

    • urspr. 1 DBl. (2 b. S. o. Adr.), Bl. 2 bis auf 5 mm Rand abgeschnitten
    • Blaustiftmarkierungen von Max Maria von Weber

    Provenance

    • Weber-Familiennachlass

    Corresponding sources

    • MMW II, S. 691 (Auszug); Reise-Briefe, S. 175–178

Thematic Commentaries

Text Constitution

  • s“S” overwritten with “s

Commentary

  • “… zu Euryanthe und Oberon dirigirte”Vgl. Tagebuch vom 27. April 1826.
  • “… mir die Sache mit ansehen”Gemeint ist die abendliche Aufführung des Oberon, allerdings blieb Weber laut Tagebuch „Abends zu Hause“; vgl. auch den nächsten Brief.
  • “… Welt. Ein Dresdner Kaufmann Kelz”Der Dresdner Adreß-Kalender 1826 sowie 1827 nennt keinen Kaufmann dieses Namens, wohl aber Ernst Kell (1826, S. 179; 1827, S. 177).
  • “… ist die 3 t Auflage”Bekannt sind bislang die zur Uraufführung erschienene erste Auflage des gesamten Textes (London: Hunt and Clarke, in zwei nur in einigen Details voneinander abweichenden Varianten) und das zeitgleich aufgelegte Textbuch der Musiknummern ohne Dialog (London: W. Reynolds; beide Ausgaben mit Planchés Vorwort vom 10. April 1826) sowie die „Second Edition“ des vollständigen Librettos (London: Hunt and Clarke, zusätzlich mit Planchés Vorwort vom 15. April 1826). Ob es tatsächlich eine „Third Edition“ gab oder Weber die zuvor genannten Ausgaben meinte, bleibt unklar. Der Neuauflage bei Hunt & Clarke aus dem Jahr 1827 ist jedenfalls kein weiteres Vorwort vorgedruckt, sondern lediglich die genannten vom 10. und 15. April 1826.

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