Protokoll zur Auseinandersetzung J. G. Leiblins mit C. M. von Weber in der Harmoniegesellschaft
Dresden, Samstag, 6. März 1824

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Erzählung
der von dem Herrn Dr. Leib-
lin
am 2. März 1824. in
der Harmonie-Gesell-
schaft
verübten Excesse.

Am vergangenen Dienstage einige Zeit nach aufgehobener Mittagstafel, gieng ich aus der Tabagie in die hintern Zimmer. In dem Zimmer, in welchem das Büffet gewöhnlich aufgestellt ist, vernahm ich einen starken Wortwechsel zwischen Herrn ComissionRath Schulze und Herrn Director Philippi, einer- und Herrn Dr. Leiblin, anderer Seits.

Ich wurde von den erstern aufgefordert, mich des als Gast anwesenden Herrn Kapellmeisters von Weber, als Vorsteher, anzunehmen, da sich Hℓ. Dr. Leiblin gegen ihn sehr gröblich vergangen habe.

Die gedachten drey Herren hatten sich gleichzeitig in den | anstoßenden großen Saal begeben, und ich finde mich um so mehr verpflichtet die Sache, wo möglich, zu schlichten, da Hℓ. Dr. Leiblin in meiner Gegenwart auch gegen Hℓn CommissionRath Schulze Schimpfreden ausstieß und sich an ihm thätlich zu vergreifen im Begriff stand, welches jedoch durch mein Dazwischentreten verhindert wurde.

Ich ersuchte nun die Umstehenden sich zu entfernen, nahm Hℓn. von Weber und Dr. Leiblin auf die Seite und ersuchte erstern mir die ihm zugefügten Beleidigungen zu erzählen*. Letzteres geschahe von Hℓn von Weber mit einer Ruhe und Sanftmuth, die | seinem Herzen zur größten Ehre gereicht; ich übergehe jedoch hier die Wiederholung dieser Mittheilung, da sie schon hinlänglich bekannt seyn dürfte. Jene Erzählung hörte Hℓ. Dr. Leiblin ziemlich gelaßen mit an, und ich hoffte meinen Zweck, – sich bei Hℓn. von Weber zu entschuldigen – durch mein Zureden schon zu erreichen, als er auf einmal vom Stuhle aufstand, Hℓ. von Weber am Rocke bey der Brust und an den Armen anfaßte und zu ihm sagte:

wenn ich sie beleidigt habe und sie ein Mann von Ehre seyn wollen, so wißen sie was sie zu thun haben, sie können mich morgen sprechen. |

Dies ist von Hℓn Apellation Rath Dr. Kreysig und Herrn Stadtrichter Rögner mit angehört worden und letzterer deutete dem Hℓ. Dr. Leiblin, in Folge dieser Ausforderung an sich nunmehr aus der Gesellschaft sogleich zu entfernen.

Dr. Leiblin gieng auch durch das Orchester zum Saale hinaus. Gleich darauf war er aber zu einer andern Thüre in die Tabagie wieder eingetreten und in dem kleinen Saale brüsk herumgegangen. Dieses auffallend freche Benehmen veranlaßte einige Mitglieder und sogar einen Fremden – Herrn Major Serre – mich zu ersuchen, | Hℓn Dr. Leiblin, mit welchem man nach dem Vorgefallenen, mit Ehren nicht in Gesellschaft seyn könne, zu entfernen.

Diese begründete Aufforderung glaubte ich, als Vorsteher, nicht ablehnen zu dürfen.      Ich traf Dr. Leiblin in der Billardstube an der Thüre nach dem Vorhause zu, bat ihn lange und freundschaftlich, mit größter Gelaßenheit und indem ich mich auf lange Bekanntschaft mit ihm berief, sich für heute zu entfernen und selbst sein anwesender Schwager unterstützte mich. —

Herr Cammerrath von | Schlieben und Hℓ. Accis-Insp. Reinhard sind Zeugen davon gewesen.

Mein Zureden blieb aber fruchtlos. Auf ferneres Anlangen bemerkte ich nun einige Minuten später an der Tabagie gegen Hℓ. Dr. Leiblin, ich habe zeither, wie er wiße, blos als Freund zu ihm gesprochen, nun müsse ich ihn als Vorsteher ersuchen, die Gesellschaft für heute zu verlaßen. Hierauf frug er mit lauter Stimme, wer es verlange? auf meine Antwort: die Mitglieder, nahm der dabey stehende Herr Senator Schmalz das Wort und bestätigte | mein Anführen dergestalt, daß nachdem was vorgefallen, Niemand mit ihm in Gesellschaft bleiben könne. Dr. Leiblin bemerkte hierauf: das wüßte ich nicht, gieng aber zu der in das Vorhaus führenden Thüre sogleich hinaus und wir glaubten seiner entledigt zu seyn.      Ich sprach nun im Billardzimmer mit dem Gesicht nach dem Fenster zugekehrt mit Herrn Senator Schmalz, als auf einmal ganz heimtückisch Dr. Leiblin von hinten vor mir ins Gesicht schlug, so daß ich die Brille verlor und am Auge eine Verletzung erhielt.      Nur | mit Mühe und durch die Dazwischenkunft des Herrn Oberrechnungs-Inspector Silligs und Hℓn AccisInsp. Reinhards, welche Dr. Leiblin aus dem Zimmer entfernten, konnte dieser Unfall abgewehrt werden. —

Unter Männern von Ehrgefühl und Achtung für Anstand und Sittlichkeit, kann es keinen Augenblick zweifelhaft seyn, daß gegen Dr. Leiblin :/ gleichviel, ob er betrunken, oder nüchtern gewesen /: wegen dieser groben Excesse, die er gegen Hℓn. von Weber, als Gast und gegen mich, in Folge der Erfüllung meiner Obliegenheit als Vorsteher verübt, der 14te § der Gesetze sub a., volle Anwendung finden müße.

Editorial

Summary

bezieht sich auf den Vorfall vom 2. März 1824 in der Mitgliederversammlung der Harmoniegesellschaft, in der Weber von Dr. Leiblin persönlich verbal angegriffen worden sei

Incipit

Am vergangenen Dienstage

Creation

Tradition

  • Text Source: Dresden (D), Stadtarchiv (D-Dsta), Gesellschaft Harmonie (1780–1940)

    Physical Description

    • 2 DBl. (8 b. S., gez. mit Bl. 76-79)

Text Constitution

  • Gesellschaft“Harmonie” crossed out and replaced with “Gesellschaft
  • “:/ gleichviel, ob … nüchtern gewesen /:”added in the margin

Commentary

  • “… ihm zugefügten Beleidigungen zu erzählen”Zum Grund der Auseinandersetzungen vgl. auch F. Kinds Brief an H. von Chézy vom 11. März 1824.

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