Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater: Dezember 1815

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Theater.

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Prag. – Den 26. Dec.: Die Jugend Peter des Großen, Oper in 3 Aufzügen nach Bouilly von Treitschke, mit Musik von Weigl. Es ist wohl nicht leicht möglich, einen historischen Stoff auf eine sonderbarere Weise aufzufassen, als es hier Herr Bouilly vollführt hat. Er läßt Peter den Großen in Rußland unerkannt als Schiffsbaumann arbeiten und – hier Chatinka finden und mit sich nehmen, um sie zum Kaiserthron zu erheben. Dieser Stoff ist auf gut französisch und oberflächlich behandelt, und wenn auch Weigls Musik hier kein großes Glück machte, so ist wohl daran eines Theils die Schwierigkeit schuld, welche ihm der Dichter entgegen setzte, und andern Theils die großen Erwartungen, welche der Nahme Weigl bey dem hiesigen Publicum erregte. Nur die Ouverture, die auch in der That das schönste Musikstück der Oper ist, erhielt ungetheilten Beyfall. Mad. Grünbaum sang und spielte die Chatinka vortrefflich; auch Hr. Siebert gab den alten Schiffszimmermann, der eigentlich die brillanteste Singparthie hat, sehr brav; in minder günstigem Lichte als gewöhnlich erschien Herr Ehlers als Peter, wozu theils auch ein sehr unglücklich gewähltes Costüme beytrug. Überhaupt wäre wohl zu wünschen, daß dieser brave Künstler etwas mehr darauf Rücksicht nähme, was ihn kleidet. ¦

Den 29. Dec.: Des Hasses und der Liebe Rache. Schauspiel in fünf Aufzügen von Herrn v. Kotzebue. Ein Product aus Kotzebues neuester, aber leider nicht glänzendsten Manier, dessen Inhalt so allgemein bekannt ist, daß wir uns nicht mehr die Freyheit nehmen wollen, die darin vorfindigen Theatercoups mit der kritischen Laterne beleuchten zu wollen, und wir begnügen uns mit dem Erfolg, der übrigens brillant genug ist, wozu freylich wohl die brillante Besetzung des Stückes das meiste beygetragen haben mag. Herr Seewald gab den Dom Pardo sehr brav, wenn er gleich zu wünschen übrig ließ, daß sich sein tiefer Groll noch menschenfeindlicher aussprechen möge; doch ist der Charakter nicht so consequent gezeichnet, daß man ihm hier große Schuld beylegen könnte. Als denkender Schauspieler zeichnete Herr Polawsky den Helm und Dlle. Böhler als Julie übertraf gleichsam sich selbst und erschien als würdige Schülerinn der Madame Schröder. (Es scheint, als habe die talentvolle junge Künstlerinn der Oper ganz entsagt, um sich mit ganzer Kraft der recitirenden Kunst zu weihen. Ein lobenswerther Entschluß, der ihrer Bescheidenheit die größte Ehre macht und den schönsten Hoffnungen für ihre weitere Ausbildung Raum gibt.) Herr Liebich (Wirth einer Posada), Mad. Liebich (Wirthinn) und Herr Bayer (der Gefährte Helms) hatten aus Gefälligkeit diese kleinen Rollen übernommen, und bewiesen, daß für den bedeutenden Künstler keine Rolle unbedeutend ist. Herr Wilhelmi gab den Gasparo mit vielem Studium, nur bisweilen etwas zu heftig. Ein ausländisches Blatt machte diesem talentvollen Künstler im vorigen Jahre den Vorwurf, daß er in intriquanten Rollen zu wenig zu schattiren verstehe, und es scheint, als habe er diese Beschuldigung zu sehr beherziget, da er seit jener Zeit oft zu reichen und manchmahl Schlagschatten anbringt. Möchten doch die Herren Recensenten, wenn es ihnen darum zu thun ist, Kunstworte an Mann zu bringen, bedenken, wie viel Übles sie dadurch stiften, und Künstler – besonders solche, die eine so reiche Kunstwelt in ihrem Innern besitzen, wie Herr Wilhelmi – ihrem bessern Gefühl mehr trauen, als dem gedruckten Worte. Herr Löwe (Filippo) und Herr Reinecke (Giacomo) stellten ihre Rollen wahr und kräftig dar.

Editorial

Creation

Responsibilities

Übertragung
Jakob, Charlene

Tradition

  • Text Source: Der Sammler. Ein Unterhaltungsblatt, Jg. 8, Nr. 13 (30. Januar 1816), pp. 52

    Commentary

    • Peterrecte “Peters”.

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