Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater: 2. – 7. Juli 1816

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Theater.

Prag. – Den 2. July: Die teutschen Kleinstädter, Lustspiel in 4 Acten von Kotzebue. Herr und Mad. Costenoble gaben den Sperling und die Frau Untersteuereinnehmerinn als Gastrollen. Die letztere gefiel uns minder, als in den beyden vorhergehenden Rollen, und trotz des etwas gebückten Ganges machten wir dieselbe Bemerkung, die sich uns schon bey ihrer ersten Erscheinung aufgedrungen hatte.

Den 4.: Die Schachfigur, Lustspiel in vier Acten. Herr Costenoble gab den Grafen von Hirschfeld zur fünften, und Herr Hellwig, Regisseur der k. sächs. Schauspielergesellschaft, den Carl von Wild zur ersten Gastrolle. Jener feyerte an diesem Abend in gewisser Hinsicht den größten Triumph, da es ihm gelang, eine kleine Rolle, die wir schon oft und von bedeutenden Künstlern sahen, von einer ganz neuen Seite zu zeigen, und das höchste Interesse für selbe zu gewinnen.Herr H. gab den jungen Wild recht brav; doch enthusiasmirte er noch mehr als durch sein Spiel durch die Prügelscene im zweyten Acte, nach welcher er hervorgerufen wurde (!?!). Die letzte Scene des dritten Acts ging sehr brav, und Costenoble, welcher die Angst des Grafen mit der Sicherheit des komischen Meisters darstellte, sollte ebenfalls die Ehre des Herausrufens im Zwischenacte zu Theil werden: aber – die Schlangen zischten. Nicht etwa, als ob es auch nur einen Theil des Publicums gäbe, welcher sein Verdienst verkennt, aber – es schien ihnen zu viel zu werden; vielleicht waren es gar Billigdenkende, die ihm die doppelte Mühe ersparen wollten.

Den 5.: Kabale und Liebe, Trauerspiel in fünf Acten. Herr Hellwig gab den Major von Walter. Man erkannte dieß – wie das vorige Mahl, Studium und Talent in seinem Spiele; doch gelang es ihm leider abermahls nicht, etwas Großes zu leisten. Dankbar erkannte das Publicum sein fleißiges Streben, und rief ihn am Schlusse hervor, welche Ehre er auf die bescheidenste Weise mit Dlle. Böhler (Luise) theilte.

Den 6.: Der Wasserträger. Herr Hellwig, Michelly. Schon die Ankündigung dieser dritten Gastrolle erregte allgemeine Aufmerksamkeit; denn es ist keine gewöhnliche Erscheinung, einen Schauspieler erst als Bouvivant, dann als Liebhaber und endlich als Bassisten zu sehen, und die Meinungen über die Möglichkeit des Erfolges waren sehr getheilt. Herr Hellwig gab den Michelly mit sehr viel Wahrheit und Einsicht, und befriedigte auch im Gesange größtentheils; seine Stimme ist zwar nicht ausgezeichnet, doch ziemlich kräftig und nicht unangenehm. Wegen Abwesenheit der Mad. Grünbaum hatte Mad. Czegka die Rolle der Con¦stanze übernommen, welche sie sehr ausgezeichnet sang, und den rauschendsten Beyfall einerntete. Überhaupt nimmt ihre Stimme von Tage zu Tage an Kraft zu, und wir wünschen uns immer mehr zu ihrem Besitze Glück. Möchte sie nur auch etwas mehr Mühe auf die mimische Darstellung ihrer Rollen verwenden.

Den 7.: Der Jude, Schauspiel in fünf Acten nach Cumberland von Brockmann. Hr. Costenoble, Schewa. Wäre dieses die letzte Rolle des Herrn C., so würden wir geglaubt haben, er habe sie absichtlich erspart, um uns den Abschied zu erschweren; denn selten fühlt man so im ganzen Umfange, was es heiße, wenn eine Rolle ein Stück hebt und trägt, als in diesem larmoyanten Drama, welches doch nur in den Scenen, wo Schewa auf der Bühne ist, einiges Interesse hat. Mehr als jemahls hatten wir hier Gelegenheit, seine Consequenz und Sicherheit in Haltung eines der allerschwierigsten Charaktere, in welchem ihm auch die Sprache nur Fesseln anlegt, zu bewundern, und als neues Talent erkannten wir in ihm die leisesten und wahrsten Übergänge aus dem Komischen in’s Gemüthliche und Rührende. Daß die Erwartung sehr gespannt war, zeigt der Umstand, daß – im Sommer kein gewöhnlicher Fall – nach sieben Uhr Personen zurück gehen mußten, und wir können mit Zuversicht behaupten, daß er alle Forderungen übertraf. Herr Allram gab den Bedienten des Juden ausgezeichnet brav, und Dlle. Ritzenfeld dessen Magd. Die Zusammenstellung dieser drey Personen schien das Sprichwort: „Berg und Thal kommen nicht zusammen, aber wohl die Menschen,“ bewähren zu wollen; denn wir sahen im Dienste eines Hamburger, einen Prager Juden und eine Berliner Jüdinn. Wenn wir sagen, daß die übrigen Schauspieler alles anwandten, um ihre ziemlich schwierigen Aufgaben zu lösen (denn eine schwierige Aufgabe bleibt es doch gewiß, dem Publicum langweilige Sachen vorzutragen), so haben wir damit ausgesprochen, daß sie eine sehr undankbare, zum Theil unmögliche Arbeit übernommen haben; denn es scheint in der That, daß Herr Cumberland alle Personen des Glückes nur als Vehikel betrachtete, um die Großmuth des Juden an ihnen zu üben, sich daher mit ihrer Charakterisirung eben nicht viel bemühet habe.

[…]

Editorial

Creation

Responsibilities

Übertragung
Jakob, Charlene

Tradition

  • Text Source: Der Sammler. Ein Unterhaltungsblatt, Jg. 8, Nr. 97 (13. August 1816), pp. 400

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