Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater, Januar 1814

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Ständisches Theater in Prag.

(Januar 1814.)

Mad. Schröder hat uns im Laufe dieses Monats durch die Darstellungen der Gräfin Orsina in Emilia Galotti, der Fürstin in der Braut von | Messina und die gewünschte Wiederholung der Medea Belege ihres seltenen Kunstverdienstes gegeben. Auf dem Wege eigenes Studiums, mit einem für die Wahrheit reingestimmten Gefühle, hat sich die Künstlerin sorgfältig vor dem Einflusse der neuern Scheinmanier bewahrt, und darum ergreift ihr wahres und schönes Spiel auch Herz und Geist des Hörers. Ein volltönendes, biegsames Organ seltener Alttiefe spricht das Feierliche, Erhabene, Leidenschaftliche der tragischen Darstellung in ihrem Munde mit einer Kraft und Würde aus, die, ohne dieses Talent, jeder Kunstübung unerreichbar bleibt. Eine richtige Betonung beseelt ihre Rede mit Wahrheit, ohne jedes Wort declamatorisch herausheben zu wollen, und selbst der Sturm der Leidenschaft erhält ihre Darstellung in der Gränze des Schönen. Mit welcher Kraft und Schönheit sprach sie den schrecklichen Fluch über Jasons Haupt, sah ihre Phantasie den Verbrecher verzweifeln! – Man wird Medeen auf unsern Bühnen rasen hören, aber bei so scheinbar wenig Aufwand von tragischer Energie, und doch so kräftig wahr und erlesen kann nur ein solches Talent es wagen, die Schönheit an die Wahrheit zu binden. Besonders reizend ist das Armspiel der Künstlerin, das sich in voller Kraft erhebt, und in den Schwingungen der Schönheitslinien endet. Seit Jahren im Norden verborgen, kannte Deutschland leider! die hohen Verdienste einer Künstlerin nur wenig, die Talent und Kunst im Schooße der Natur und Wahrheit so glorreich vollendeten. – Nächstens wird Mad. Schröder einen erlesenen Kreis knnstsinniger Hörer mit einem Deklamatorium erfreuen. Je seltener sich in diesen Redeübungen der natürliche, von keiner Kunstmanier verschrobne Vortrag erhält, desto mehr Bewunderung wird die Künstlerin hier, wie in Hamburg erwecken, weil sie schon den Beweis gab, daß ihre Kunst die Natur und Wahrheit zu steten Begleiterinnen auch da behält, wo es scheinen möchte, die Vorbereitung hätte sie zurückweisen müssen, um bemerkbar in den Vordergrund treten zu können.

Qdt.

Editorial

Summary

Aufführungsbesprechung

Creation

Responsibilities

Übertragung
Charlene Jakob

Tradition

  • Text Source: Allgemeiner Deutscher Theater-Anzeiger, Jg. 4 (1814), Nr. 13, pp. 49–50

    Commentary

    • knnstsinnigerrecte “kunstsinniger”.

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