Gustav Mahler an seine Eltern Bernhard und Marie Mahler in Iglau
Leipzig, Sonntag, 22. Januar 1888
Settings
Show markers in text
Context
Absolute Chronology
Preceding
- 1887-12-31: to Normann
Following
- 1888-01-23: to Fischer
- 1904-04-13: from Strecker
Liebe Eltern!
Nur in aller Eile noch ein kurzer Bericht!* Alles gieng großartig. Der Jubel war frenetisch. Heute ist das Haus wieder ausverkauft*. Wundert Euch nicht, wenn mein Verdienst in den Zeitungen etwas geschmälert wird. Aus „Geschäftsrücksichten“ muß es vorderhand verheimlicht werden, was von mir und was von Weber ist. So viel kann ich Euch schon sagen, dass 2 Lieblingsnummern, welche gerade in den Zeitungen überall erwähnt werden (Nro: I Studentchor und die Ballade von Kater Mansor) von mir sind*, wie noch vieles andere*. – Das muß aber geheim gehalten werden, bis die Oper überall aufgeführt worden ist. – Jetzt heißt es, je weniger Ehre, desto mehr Geld! Das kommt dann noch, bis die Enthüllungen folgen.
Jedenfalls bin ich vom heutigen Tage an ein weltberühmter Mann.
Kapellmeister Levy von Bayreuth war auch da, und gegen mich furchtbar enthusiastisch. Er erzählte mir auch, daß Cosima Wagner an ihn über mich einen 4 Seiten langen Brief geschrieben hätte.
Übrigens bekam ich eine Masse Kränze; darunter einen von Direktor Stägemann und Frau mit einer wunderbaren Widmung. Die 10 000 Mk vom Verleger sind bereits für mich in der Reichsbank angelegt. Denkt Euch dass Weber und seine Frau das Geld durchaus nicht eher‡ in meine Hand legen wollten, sondern es selbst in die Bank trugen, und mir nur die Depositenscheine gaben, aus Angst ich möchte das Geld verschleudern. Nun kommen die Tantièmen, deren Höhe man jetzt absolut nicht berechnen kann, weil es eben darauf ankommt, auf wie vielen Bühnen und wie viel mal die Oper aufgeführt wird. –
Derzeit also verfüge ich über obengenannte Summe oder vielmehr verfüge nicht, sondern habe den Depositenschein darüber.
Jetzt gehe ich wieder Pintos dirigiren. Bis sie in Wien ausgeführt werden, müßt Ihr dazu kommen und zuhören. Bald schreibe ich ausführlicher.
Herzlichen Gruß
von Gustav
Schreibt sofort, wie es Euch geht.
Editorial
Summary
Kurzbericht über die Uraufführung der Pintos und Mahlers Anteil
Incipit
“Nur in aller Eile noch ein kurzer Bericht!”
General Remark
Im Original ohne Datierung; in der Publikation von Hollander (1955) noch datiert mit “Ende Jänner 1888”, in der Ausgabe von McClatchie (2006) zutreffend mit “22. Januar 1888”.
Tradition
-
Text Source: London, Ontario (CDN), University of Western Ontario, Music Library (CDN-Lu)
Shelf mark: Mahler-Rosé collection, E13-MF-540Corresponding sources
-
NZfM, Jg. 116, H. 12 (Dezember 1955), S. 131–132
-
Gustav Mahler, Briefe, hg. von Herta Blaukopf, 2. Aufl., Wien 1996, S. 91
-
Gustav Mahler, „Liebste Justi!“ Briefe an die Eltern, hg. von Stephen McClatchie, Bonn 2006, S. 83f.
-
Text Constitution
-
“eher”crossed out
Commentary
-
“… Eile noch ein kurzer Bericht!”Bezogen auf die Uraufführung von Die drei Pintos am 20. Januar 1888.
-
“… ist das Haus wieder ausverkauft”Zweite Vorstellung am 22. Februar 1888.
-
“… Kater Mansor) von mir sind”In Wirklichkeit stammen die beiden genannten Nummern von Weber, gehören allerdings nicht zum ursprünglichen Werkbestand der Pintos-Entwürfe, sondern wurden aus eigenständigen Kompositionen Webers umgearbeitet, um das Material zu einer abendfüllenden Oper zu erweitern. Besonders die Romanze gewinnt freilich ihre besondere Wirkung durch Mahlers amüsante, meisterliche Instrumentierung.
-
“… , wie noch vieles andere”Die einzige gänzlich von Mahler stammende Komposition ist der im Dezember 1888 entstandene Entre-Akt.