Friedrich von Sachsen-Gotha-Altenburg an Caroline Schlick in Gotha
Spa, Mittwoch, 12. August 1812

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Schon heute morgen schrieb ich dir einen großen gewaltigen Brief, in welchem ich alles mögliche erschöpft zu haben glaubte, und siehe, dein lieber Brief vom 6. August kömmt mir eben, da ich vom Tisch aufstehe und gibt mir eine so hübsche Gelegenheit mit dir zu plaudern, daß ich, ohngeachtet des langen Gewäsches von heut morgen, nicht widerstehen kann und schon heut Abend wieder des Baron riche sourçe Feder in Thätigkeit setze. Die Hauptnachricht in diesen lieben Zeilen, daß deine guten Aeltern sich besser befinden, freut mich innig, denn so kannst du deines Lebens wieder froh sein, und, dem Stürmen deines eigenen ichs mit Ruhe und Ergebenheit entgegen sehen, du hast deinen Aeltern so treue Beweise deiner strengen Pflichterfüllung gegeben, daß sie sicherlich deiner Opfer eingedenk, alles thun werden dir dein Leben und deine Existenz, wie es vernünftigerweise möglich ist, so froh angenehm und leicht zu machen als es in ihrem Vermögen stehen wird; grüße die guten Aeltern und wünsche Ihnen in meinem Namen Glück zu Ihrer Wiederherstellung.      Deine Reise nach Erfurt billige ich sehr und zu deinem debut auf dem Theater der Steinmühle, en bonne societé, gebe ich meinen vollkommenen Consenz. Ich finde es sehr hübsch dieses Theater auf eine elegante Art, mit einem hübschen Stücke wie Max Helfenstein, quoique Kotzebue und mit einem feinen Prolog wie der von Bertuch ist, zu eröffnen*, ich glaube daß die Rolle des jungen Mädchens in Max Helfenstein dir zufallen wird, et cela vaut meux que Singstimmen im jüngsten Gericht in Erfurt*, zum wenigsten bin ich überzeugt du würdest dich lieber dem Studium der Rolle, als dem Studium der Sing Parthie unterwerfen. vergiß doch nicht Bertuchen mit vielen Grüßen von mir, zu sagen er solle das Exemplar der Corespondance litteraire des Baron Grim* in meinem Namen der Madame Ettinger* einhändigen und Sie bitten es als ein Andenken von mir zu behalten, da ich dieses selbe Buch in Achen eben kaufte und in diesem Moment beschäftigt bin, es zu lesen. Der Doctor Hamster, der heute bey mir aß, versicherte mich, die Königin von Holland*, welche die Bäder hier braucht, freue sich auf meine Bekanntschaft, und ich freue mich auf die Ihrige, da sie gut, liebenswürdig, und sehr musikalisch sein soll, morgen fange ich die Cur an, grüße doch ja Jeanette recht herzlich in meinem Namen, und kömmt Weber (Er logirt in meinem Hause, ich schrieb es ihm heute), sei freundlich und freundschaftlich gegen ihn, auch die guten Aeltern fordere ich dazu auf, ce qui ne vous couderapas de paine, deine Mutter wäre wohl so gut, Webern auf meine Kosten in die Kost zu nehmen*, bitte Sie ja die guten Aeltern hierüber nicht la petit de bouche zu machen, sondern Geutebrück* zu sagen was sie täglich für ein Couvert an ihrem Tisch verlangen, ich gönne es doch wahrhaftig den lieben Aeltern lieber, als dem Herrn Mohrenwirth, auch bitte doch den Herrn Geutebrück wegen Webers dejeuner, Kaffe, Butter und Brot, was er sehr gefüglich von Kunzens bekommen kann in meinem Namen auszusprechen, auch bitte ich Geutebrück, die blaue Stube in der Ecke nach der Straße prepariren zu lassen, und daselbst auch Sorge für die Besorgung eines piano forte zu haben, welches ich füglich werde miethen müssen, womöglich recommandire Geutebrück eins in Flügelform anzuschaffen*, es versteht sich von selbst, daß Dinte, Feder, und Papier, auch Licht nicht fehlen dürfen.      Sieh mein geliebtes Lingen, ich mache dich auf einmal zu Webers charge d’affaires bei meinem ministerio, das giebt dir den Rang eines fremden Ministers und vielleicht mit der Zeit die Excellenz, Herda und maestro erneuern die Empfehlungen von heut morgen, auch ich grüße dich recht freundlich und innig heut Abend recommandire dir Muth und Selbstüberwindung und versichere dich der Aufrichtigkeit meiner treuen Freundschaft.

dein Papa
Friedrich.

Apparat

Zusammenfassung

Ist erfreut zu hören, dass es ihren Eltern wieder besser gehe und sie wieder mehr sich selbst leben könne, billigt sehr die Nachricht, dass sie bei der Eröffnungsvorstellung im Steinmühlentheater in Gotha debütieren werde. Ist bemüht, den bevorstehenden Aufenthalt Webers für ihn so angenehm wie möglich zu gestalten, bittet, ihre Mutter zu verständigen, die Beköstigung Webers auf seine (des Prinzen) Kosten zu übernehmen, bittet Kontakt zu einem Gewährsmann aufzunehmen, dass dieser für ein Klavier in Webers Zimmer, das er in seinem Schloss für ihn vorsieht, sorgen möchte. Er selbst beginne jetzt seine Kur und freue sich, die Bekanntschaft der Königin von Holland zu machen, deren Aufenthalt bevorstehe, sie soll sehr musikalisch sein

Incipit

Schon heute morgen schrieb ich dir

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Frank Ziegler

Überlieferung in 2 Textzeugen

  • 1. Textzeuge: unbekannt
  • 2. Textzeuge: Max Maria von Weber, Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild, Bd. 1, Leipzig 1864, S. 369–371

    Einzelstellenerläuterung

    • „… von Bertuch ist, zu eröffnen“Betrifft die bevorstehende Eröffnungsvorstellung der Liebhabergesellschaft auf dem dafür neu eingerichteten Gothaer Steinmühlentheater; vgl. Ziegler in Weber-Studien, Bd. 9, S. 251ff.
    • „… im jüngsten Gericht in Erfurt“Aufführung anlässlich des Napoleonfestes in Erfurt am 14./15. August 1812.
    • „… Corespondance litteraire des Baron Grim“Correspondance littéraire, hg. von Friedrich Melchior von Grimm.
    • „… meinem Namen der Madame Ettinger“Wohl Anna Caroline Ettinger, geb. Seidler (1752–1823), die gemeinsam mit ihrem Sohn Ottocar die Ettingersche Buchhandlung in Gotha führte.
    • „… mich, die Königin von Holland“Vermutlich Wilhelmine, geb. Prinzessin von Preußen (1751–1820), die Witwe des Statthalters der Niederlande Wilhelm V. von Oranien, gemeint.
    • „… in die Kost zu nehmen“Die Familie Schlick hatte vom Prinzen Friedrich als Wohnsitz das ehemals Bertuchsche Gartenhaus vor dem Siebleber Tor zwischen dem prinzlichen Palais und dem herrschaftlichen Bauhof zur Verfügung gestellt bekommen; vgl. Gisa Steguweit, Herzog wider Willen. Friedrich IV. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1822–1825), Bucha 2017, S. 74 und 97.
    • „… bouche zu machen, sondern Geutebrück“Wohl Rat und Archivsekretär Christian August Geutebrück (1759–1817), mit Prinz Friedrich befreundet und lange Jahre als dessen Finanzverwalter tätig; nicht der Regierungs-Registrator Carl Theodor Geutebrück (1786–1861).
    • „… Geutebrück eins in Flügelform anzuschaffen“Weber erhielt in Gotha laut Tagebuch am 14. September 1812 ein Klavier vom Musikalien- und Instrumentenhändler Bernhard Keil zur Verfügung gestellt.

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