Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns an Franziska Biazzi in Tegernsee
Berlin, Freitag, 13. u. Dienstag, 17. Juli 1888

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Hochverehrteste theure Freundin.

Heut Vorm. kam Ihre liebe Stimme aus Ihrer Heimath! Da mußte der Bleistift aus seinem Versteck. Wozu aber eigentlich? — Neues kann er Ihnen nicht sagen u. das Alte ist nur traurig. So lange das Asthma nicht zu meinen festen Leiden gehörte, konnte man allenfalls noch leben — jetzt ist das leben schrecklich, denn nicht Athem haben, ist entsetzlich! —

Dem „Gruß an den Frühling“ will ich nur ein paar Worte mitgeben. Es ist ein mächtiges Stück u. kann trotz seiner nur 3 Stimmen doch einen großen Erfolg gewinnen, wenn Sänger und Begleiter es verstehen, sich einen Berg zu bauen; Ich habe gloriose Aufführungen damit hergestellt, indem der 3stimmige Satz die Stimmen zu mächtiger Wirkung gelangen läßt, wenn die Sänger es verstehen. —

Später habe ich noch eine 4te (eine Alt-) Stimme dazu gesetzt dennoch muß ich sagen, daß die musikalische Wirkung sich mir nicht erhöht hatte. Ich lege Ihnen die 4te Stimme hiebei. — Sie werden bemerken, daß der Stil des Ganzen etwas von meinem Ihnen bisher bekannt gewordenen, aber nicht der im Liederheft op. 22 im Liede: „Ich muß hinaus“ so recht in Blüte steht.

[17. Juli:] So weit, meine hochverehrte, mir zwar unbekannte, doch längst teuer gewordene Frau, so weit hatte mein Vater geschrieben, als sein Leiden sich derart verschlimmerte, daß er von jeder Tätigkeit absehn mußte. Das böse Asthma steigerte sich, und es kam ein Zustand der Schwäche und Erschöpfung über ihn, der uns einige Tage lang mit den größten Besorgnissen erfüllte und der es ihm auch jetzt noch ganz unmöglich macht, die Feder zu führen. Er hat daher mich beauftragt, Ihnen zu sagen, welch innige Freude ihm auch wieder Ihr gestern eingetroffener Brief vom 15. d. M. bereitet hat, wie jede Ihrer lieben Kundgebungen, die ihm jedesmal froh begrüßte Lichtstrahlen in der Dunkelheit seines Leidens sind.

Vater würde sich aufrichtig freuen, wenn Sie den trefflichen Herrn Scharwenka kennen lernten, der wirklich eine in jeder Hinsicht ausgezeichnete Persönlichkeit ist, und ich habe dem Professor soeben in Vaters Auftrage mitgeteilt, daß Sie, meine gnädige Frau, den Wunsch hegen, seine Bekanntschaft zu machen. — Welche Freude es Vater bereiten würde, seine Lieder von Frau Biazzi in Tegernsee gesungen zu wißen, das können Sie sich wol denken; ob aber Herr Professor Scharwenka geneigt sein würde, dort zu musizieren, das ist eine andere Frage, die wir nicht so unbedingt bejahen möchten; denn der rastlos beschäftigte ist doch in das Gebirge gegangen, um auszuruhen, um die Nerven abzuspannen. — Vater ist der Meinung, daß Hr. Scharwenka mit seiner Gattin dort sei, weiß es aber allerdings nicht gewiß. Sie werden das vermutlich leicht feststellen können und danach Ihre Entschließungen treffen.

Laßen Sie meinem armen lieben Vater, der Ihnen die allerinnigsten und wärmsten Grüße sendet, bald wieder einen Ihrer freundlichen Briefe zukommen und genehmigen Sie den Ausdruck aufrichtigster Verehrung, mit der ich mich nenne

Ihren sehr ergebenen
B. 17/7 88. Max Jähns.

Apparat

Zusammenfassung

schickt ihr sein Lied „Gruß an den Frühling“; sein Sohn Max setzt den Brief fort, da der Vater zu erschöpft sei; sie hatte den Wunsch geäußert, Prof. Scharwenka, der sich in Bayern aufhält, kennenzulernen und evtl. mit ihm zu musizieren; Max hat ihm im Auftrag seines Vaters geschrieben

Incipit

Heut Vorm. kam Ihre liebe Stimme aus Ihrer Heimath!

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. Jähns, F. W. 53

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. o. Adr.)
    • Blei
    • Bl. 2 von Max Jähns fortgesetzt

Textkonstitution

  • „aber nicht“über der Zeile hinzugefügt

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