Friedrich von Lehr an Karl Theodor Winkler in Dresden
Stuttgart, Freitag, 13. November 1829

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Verehrtester Freund!

Tausend Dank für das 7te Bändchen Ihres dramatischen Vergißmeinnicht!* Ich werde thun, wie es gedruckt steht. Das Haus am Walle* spricht mich wohl an, und dürfte – ja wenn mich nicht alles trügt – würde ohne Zweifel auch das Publikum hier ansprechen, allein es paßt nicht in meinen – so zu sagen – Erziehungsplan für das hiesige Schauspiel, den ich mir durch die Gunst der Umstände in neuester Zeit habe entwerfen können u. der in vollem Gang ist, dergleichen für jetzt zur Schau zu bringen; ich will und muß vorerst den wieder erweckten Sinn für das Classische nähren u. hegen u. pflegen, wie eine Mutter ihr wieder gefundenes Kind. Die wohlthätige Revolution, welche – seit Jahren im Stillen vorbereitet – unser Schauspiel dem Anschein nach auf einmal erbitten, hat die Leute dergestalt ergriffen, daß ich im ganzen Publikum keine Unzufriedenen habe, als nur diejenigen, welche bei dem stets überfüllten Haus aus Mangel an Raum nicht mehr können zugelassen werden. – Bei dem Allen bleibt mir noch Vieles zu thun; die Leute – u. ich habe nichts dagegen – meinen | zwar, sie hatten’s; aber sie haben‘s noch nicht, wird aber mit Gottes Hülfe dahin kommen, wenn er mir Gesundheit schenkt, woran ich sehr zweifeln muß. – Ich will den Zustand meiner Finanzen am Schluß des Jahres erst abwarten, ehe ich wegen Weber’s Oberon bestimme*. – Um dem Verlangen des Königs, meines Herrn, nach Rossini’s Wilhelm Tell so schnell als möglich zu entsprechen, habe ich von einem in diesen Tagen mir gemachten andern Anerbieten, wonach ich derselben sogleich erhalten kann, Gebrauch gemacht, und bedaure daher die Zusendung Ihrer Bearbeitung dankend ablehnen zu müssen – die Uebersicht des Repertoir’s u. des Personalzustandes unserer Bühne werden Sie nächstens erhalten.

Leben Sie wohl und behalten Sie in gutem Andenken Ihren
ganz ergebensten
Lehr.

Apparat

Zusammenfassung

Dankt für Buchgeschenk und schildert die Theatersituation; der König wünscht Rossinis Tell zu sehen, er hat deshalb ein Angebot ohne Zeitverzug übernommen und muss daher auf Winklers Bearbeitung verzichten; ob er Webers Oberon machen kann, vermag er erst am Jahresende zu entscheiden, wenn die Finanzübersicht vorliegen wird.

Incipit

Tausend Dank für das 7te Bändchen Ihres dramatischen Vergißmeinnicht!

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz

Überlieferung

  • Textzeuge: Leipzig (D), Stadtgeschichtliches Museum, Bibliothek (D-LEsm)
    Signatur: A/1143/2004

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S.)

    Einzelstellenerläuterung

    • „7 te Bändchen Ihres dramatischen Vergißmeinnicht!“Winkler war Herausgeber der Reihe: Dramatisches Vergißmeinnicht. 26 Bde. Dresden, Leipzig 1823–1849.
    • „Das Haus am Walle“Das Haus am Walle oder der Krieg der Fronde. Hist. Lustspiel in 3 Akten nach Mélesville von Winkler, erstmals in Dresden (Bad) am 5. Juni 1829 aufgeführt (Fambach, Dresden).
    • „… ich wegen Weber's Oberon bestimme“Die Stuttgarter Erstaufführung der Oper fand erst am 10. April 1831 statt.

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