Carl Maria von Weber an Giacomo Meyerbeer in Wien
Prag, Freitag, 13. Mai 1814

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Sr. Wohlgebohren

Herrn Herrn Meyerbeer

berühmten Tonkünstler großherzogl Heßischen Hof

und Kammer Compositeur

dermalen

zu

Wien

im Baron Arnsteinschen Comptoir zu erfragen.

Durch H: Barthel habe ich erfahren* daß du noch lebst und zwar in Wien, und auch noch meiner gedenkst, welches mich nach deinem langen Stillschweigen herzlich gefreut hat.      ich weiß wohl daß man so mit Arbeit überhäuft sein, und so wenig Lust zum Schreiben haben kann, daß es einem, besonders wenn man ohne auffallende LebensEreigniße fortduselt, — beynah unmöglich ist zu schreiben. Aber gefreut hätte es mich doch recht sehr wenn du mir wenigstens auf den Brief wo ich dir die Aufführung deines Oratoriums, Gott und die Natur, so ausführlich berichtete ein paar Zeilen geantwortet hättest aus denen ich hätte sehen können, daß dir dieses Unternehmen von mir nicht unlieb war. —      Ich hatte mir übrigens schon lange wieder vorgenommen dir zu schreiben, Heute veranlaßt mich aber ein höchst schmerzlicher Grund dazu.      ich erhielt gestern Abend einen Brief des H: Reiner aus Darmstadt wo er mir den Tod unsers großen Lehrers Vogler d: 6t huj: früh ½ 5 Uhr meldet.      Ich kann und brauche dir wohl nicht erst zu sagen wie mich dieses erschüttert hat. Friede sey mit seiner Asche, die Welt verliert Großes an ihm, und uns wird sein Andenken stets heilig sein, denn wie sehr schwinden kleine Flekken im Vergleich seines großen Geistes.

Am meisten bin ich nun um seine Bibliothek und Manuskripte besorgt.* Es sollte mich sehr wundern wenn er nicht Einen von uns zum Erben seiner Werke gemacht hätte. wahrscheinlich aber wird der Großherzog zugreiffen.      Gieb acht wie die Schlingels in der Kunst Welt ihn jezt vergöttern werden. —      Nun auch ein paar Worte von dir und mir. ich höre du hast eine neue Oper geschrieben die du in Wien auf das Theater bringst*. ich bitte dich im Nahmen der Direction so wohl um diese als um Jephta, den wir hoffentlich zu deiner Zufriedenheit geben können. Antworte mir sogleich hierüber, denn ich werde wahrscheinlich d: 1t Juny eine Reise nach Leipzig, Gotha, Eger, und vielleicht Berlin antreten, von der ich erst Ende August zurükkome. Wie wäre es wenn du dann selbst hieher kämst? bey mir wohntest, und sähest wie es thut und wie es ist wenn Freundeshand etwas mit wahrer Liebe auf die Scene bringt.      Meine Gesundheit hat sehr gelitten deßhalb muß ich ein Baad brauchen.

Viel, viel hätte ich dir noch zu sagen, aber ich will diesen Posttag nicht versäumen und kann also nur noch wiederholen daß ich ewig unveränderlich dein dich herzlichst liebender Bruder
bleibe.
Weber

Apparat

Zusammenfassung

meldet ihm den Tod Voglers; bittet um Nachricht, ob er Meyerbeers beide Opern haben könne zur Aufführung

Incipit

Durch H. Barthel habe ich erfahren daß Du noch

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung in 2 Textzeugen

  • 1. Textzeuge: Verbleib unbekannt

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. einschl. Adr.)
    • Siegelrest

    Provenienz

    • Dorotheum, Online Auktion 30. November 2020, Nr. 306 (inkl. Faksimile)
    • Artaria u. Co (Wien) Verst. 22. März 1934, Nr. 657
    • Gilhofer & Ranschburg Auktion 10 (21.–25. Oktober 1901), Nr. 329
    • Autograph 1871 in der Autographensammlung des Kapellmeisters Adolf Müller in Wien
  • 2. Textzeuge: Kopie: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. II B, S. 813

    Quellenbeschreibung

    • Abschrift von unbekannter Hand

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Hirschberg, Leopold: Zwei Briefe Webers an Meyerbeer und dessen Bruder in: Berliner Tageblatt vom 10. Jan. 1924, Nr. 16, 1. Beiblatt
    • Becker (Meyerbeer), Bd. 1, S. 234–235 (nach Abschrift in SBB)

Textkonstitution

Wiedergabe der Adressenseite nach Kopie, des Brieftextes nach Original

    Einzelstellenerläuterung

    • „… H: Barthel habe ich erfahren“Besuch Barthels auf der Rückreise von Wien bei Weber in Prag laut Tagebuch am 10. Mai 1814.
    • „… seine Bibliothek und Manuskripte besorgt.“Sein Nachlass wurde noch im selben Jahr versteigert, vgl. Verzeichniß der von Vogler nachgelassenen, größtentheils noch nicht bekannten praktischen und theoretischen, im Manuscript vorhandenen Werke, sowie seiner im Druck erschienenen und mehrerer fremden Musikalien (Auktionskatalog 29. Sept. 1814), Darmstadt 1814.
    • „… Wien auf das Theater bringst“In der Wiener Hofoper (Kärntnertortheater) wurde das Werk unter dem Titel Die beyden Kalifen gegeben (Aufführung am 20. Oktober 1814).

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