Carl Maria von Weber an Louis Spohr in Kassel
Dresden, Montag, 12. Januar 1824

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Mein theurer Freund!

Haben Sie zuerst herzlichen Dank für Ihre Theilnahme, und dann dafür daß Sie mir Gelegenheit gaben wiederholt von der Aufführung einer Ihrer Opern zu sprechen.

Sie kennen unsere Stellung ja selbst genau.      Faust dürfen wir dem Hof nicht bringen. in Zemire und Azor hat die Devrient in Wien Ihnen die Zemire verdorben*; ist es ihr da zu verdenken wenn sie sich nun davor scheut sie wieder zu geben?      Nun bleibt uns Jessonda.      Sie kennen unser Personale. wie würden Sie es besezzen?      ich bitte Sie herzlichst mir darüber und über Zemire Ihre Meynung zu schreiben. Endlich muß ich noch bemerken, daß Mad. Devrient hoch schwanger ist, nur noch wenig singen kann, und wahrscheinlich erst im Februar niederkomt*.

Sie sehen daß unsere Laage nicht eben die angenehmste ist.      Was Sie von unserem Repertoir bemerken, ist nur zu wahr. ich kann dazu weiter nichts sagen als daß ich thue waß ich kann und was ich muß.

Seit meiner Rükkunft von Wien d: 10t 9ber bin ich allein im Dienst, da Morlachi in Italien*, und Schubert ohne Hoffnung krank ist.      Was dieses bei unserem so vielfach durchschlungenen Dienst mir für zum Tod ermüdende Arbeit bringt, brauche ich Ihnen nun wohl nicht erst zu erklären. Es ist unbegreifflich daß meine Gesundheit dabei besteht. |

Wenn Sie Euryanthe bekommen, so sehen Sie sie mit Nachsicht des Freundes an.      Gepriesen ist sie allerdings von Manchen worden, von noch Mehreren aber angefeindet. Beide mögen in der Sache zu viel thun, und es wird noch manches Wort darüber sich hin und her kreuzzen.

Auf den Wunsch Ihrer geehrten Intendanz, erlaube ich mir folgende Bedingungen vorzuschlagen.

1t den gewöhnlichen Revers.

2t Ein Honorar von Vierzig Fried: dor.

3t wird zugleich ein an den Komponisten mit einzusendendes von der verehrlichen Intendanz näher zu bestimendes Honorar, für die Dichterin der Euryanthe zur Bedingung gemacht.

—————

Da Sie, mein sehr lieber Freund mir nichts Näheres über Ihre liebe Familie schreiben, sezze ich voraus daß alles wohl ist. auch bei mir geht es ziemlich gut. Max leidet zwar sehr an seinen Zähnen, aber er gedeiht doch im Ganzen sichtlich. Meine Frau grüßt herzlichst.      Wie gerne möchte ich einmal recht ausführlich mit Ihnen plaudern; besonders auch über meinen lezten Aufenthalt in Wien*, der wunderlich, interreßant war. Welch ein Gähren der Gemüther, welche vorsäzliche Wiederspenstigkeit mancher Klaßen in Kunstsachen. — die Welt liegt wohl im Argen.

     Laßt uns Geduld haben, und die Ohren steif halten.      Mit herzlichster Liebe und inniger Achtung stets Ihr Weber.

Apparat

Zusammenfassung

erörtert Problematik des Repertoires bezügl. Publikumsgeschmack und Besetzungsschwierigkeiten; dienstliche Belastung durch Italienreise Morlacchis und Krankheit Schuberts; Kommentar zu Euryanthe und Bedingungen für geplante Aufführung; Privates; Andeutungen über das Wiener Musikleben

Incipit

Haben Sie zuerst herzlichen Dank für Ihre Theilnahme

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Dresden (D), Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (D-Dl)
    Signatur: Mscr. Dresd. Aut. 1002

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)

    Provenienz

    • Stargardt Kat. 657 (1994), Nr. 277 (zugleich Erasmushaus Kat. 67)
    • Sotheby (29.-30. Juni 1964), Nr. 451A
    • Stargardt Kat. 495 (1951), Nr. 178
    • Cohn, Albert: Kat. 216 (1898), Nr. 474
    • Cohn, Albert: Kat. 214 (1897) Nr. 414
    • Cohn, Albert: Kat. 211, (1896) Nr. 415
    • Cohn, Albert, Verst. 20.-22. Mai 1895, Nr. 1128
    • Liepmannssohn (15./16. Oktober 1894), Nr. 599; (A-Slg. Spohr)(=2 S., eng beschrieben)

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • [Leopold Hirschberg], Carl Maria von Weber an Louis Spohr. Eine Hundertjahrerinnerung an den 12. Januar 1824, in: Berliner Börsen-Courier Jg. 56, Nr. 21, 1. Beilage (13. Januar 1924), S. 5
    • Kinsky, Georg (Hg.): Manuskripte. Briefe. Dokumente. Von Scarlatti bis Stravinsky. Katalog der Musikautographen-Sammlung Louis Koch, Stuttgart 1953, S. 153–154 (Nr. 134)
    • Worbs 1982, S. 116–117

    Einzelstellenerläuterung

    • „… Wien Ihnen die Zemire verdorben“Zur Premiere der Oper am Wiener Kärntnertortheater (20. Dezember 1821) vgl. u. a. AmZ, Jg. 24, Nr. 4 (23. Januar 1822), Sp. 58f. sowie Allgemeine Musikalische Zeitung mit besonderer Rücksicht auf den österreichischen Kaiserstaat, Jg. 5, Nr. 104 (29. Dezember 1821), Sp. 824–826.
    • „… wahrscheinlich erst im Februar niederkomt“Der erste Sohn der Sängerin wurde am 12. Februar 1824 geboren; vgl. Webers Brief an Brühl vom 13. Februar 1824.
    • „… Dienst, da Morlachi in Italien“Morlacchi hatte einen Opernauftrag für Venedig (Ilda d’Avenel); er war im November 1823 abgereist (vgl. Webers Brief an Michael Beer vom 27. September 1823) und kehrte erst im September 1824 nach Dresden zurück (vgl. Webers Tagebucheintrag vom 10. September 1824).
    • „… meinen lezten Aufenthalt in Wien“Vom 21. September bis 5. November 1823.

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