Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Dresden
Marienbad, Sonntag, 25. Juli 1824 (Folge 2, Nr. 8)

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An die Hochwohlgebohrne

Freyfrau, Carolina von Weber.

zu

Dresden.

in Hosterwitz bei Pillnitz.

Tausend Dank, mein geliebtes Herz, für deinen freundlichen Brief vom 19t huj: No 5. Nun verstehe ich erst warum du meinen ersten Brief für so kurz erklärtest, da doch No: 4 vom 13t eigentlich nur ein Anhängsel von No: 3 vom 12t war. ich glaube aber nicht daß dieß an dem Adressiren unmittelbar nach Hosterw: liegt, sondern an dem hiesigen Postenlauf, nachdem die Post gerade geht, oder Umwege macht. ich will es aber probiren und diesen und einige folgenden Briefe an Roth schikken.      Auch ich bin 2 Tage nicht dazu gekommen an dich zu schreiben, theils weil ich auch nichts wußte, theils weil man am Ende so die Zeit mit dem Brunnenwesen eintheilt, daß man gar wenig mehr übrig hat, und das ist sehr gut, und verscheucht in etwas die Langeweile.      so habe ich des Morgens kaum die Stunde von 1/2 10 bis 1/1 11 Uhr frey. und Nachmittag von 3–5, wenn ich nicht spazieren gehe, oder ins Theater.      Vor allem danke ich Gott daß ihr beide so gesund seid. ich bitte dich aber dringendst doch mit Weigl  zu sprechen, ob nicht ein Aderlaß nöthig ist, wenn du gleich keinen solchen Andrang von Blut verspürst wie sonst.      die Habel hast du wohl auch noch nicht gesprochen? laß sie dir doch holen. überhaupt schone dich nur recht. sind die ersten 3 Monate vorüber, so bin ich außer Sorgen.      das Kostgeld von 2 Groschen verbiete ich ausdrüklich anzunehmen. Die gute Rothe kann das unmöglich für eine Vergütung halten, und ich fände es ganz unanständig. ich hoffe daß du mir hier beßer folgst als mit der Zimmervertheilung*, und ich muß doch auch in der Ferne mein HerrenRecht gebrauchen damit es nicht einrostet.

Führe ja deinen Vorsaz aus, zu baden. das wird dir gewiß gut thun. das hiesige Bad thut wirklich Wunder. der Himmel gebe daß es auch an mir sich bewähre. Meine Gesichtsfarbe komt mir weit reiner vor, und ich befinde mich wirklich recht gut, das Gefühl abgerechnet was allerdings durch das Angreiffende der ganzen Kur erzeugt wird.      Heiserkeit und Husten wollen nicht weichen; obgleich sie eben nicht heftig sind. die Zeit muß es lehren, und jezt bin ich gerade in einer Krisis wo einen das Bad tüchtig abmattet und schüttelt.

Das Wetter war ein paar Tage recht schön. obgleich die Morgen und Abendstunden immer sehr kalt sind.      heute scheint es sich aber zu trüben. den Ball d: 22t wollte ich besuchen wie ich dir früh schrieb, aber wie der Abend heran kam, und ich mich total umziehen sollte, siegte die Faulheit, ich aß ein Suppel und lag um 9 Uhr im Betterl.

d: 23t hatte ich nach dem Bade den ganzen Tag einen recht fieberhaften Zustand, der nach des Arztes Versicherung so kommen mußte. Gestern d: 24t war aber alles wieder gut.

Mit deinem Brief zugleich erhielt ich einen von Meyerbeer wo er seine Ankunft in Dresden d: 16t anzeigt. da du mir vom 19t nichts von ihm schreibst, so wird er wohl durchgereißt sein, ohne sich aufzuhalten, da er hörte ich sei nicht da. thut mir herzlich leid.

der 2t Brief war von Praeger in Leipzig, der gehört hat ich ginge nach | London, und mich in Dresden ersezzen will*. ich bin recht froh daß so wenige und unbedeutende Briefe kommen.      Rothe schrieb mir allerley Neuigkeiten die mich unterhielten, denn man ist hier ganz von der Welt abgeschnitten.

Er räht mir jezt Heu zu kaufen, weil es wahrscheinlich theuer werden würde. ich habe nichts dagegen. sage es dem Christian wenn er Gutes und billig noch bekomen kann, kann man ja 20–30 Ct: kaufen, wenn man nicht auf Neue noch zu machende rechnen darf.      Macht das wie ihr es gut glaubt. an Roth kann ich heute nicht schreiben, da ich bald ins Bad muß, auch bald Kopfweh kriege, wenn ich lange schreibe.

bin froh daß es mit dem Hans wieder beßer geht. war recht in Sorgen darumT.

Du glaubst daß die Mäzze vollends die andern Zähne bekömt? nun wenn es leicht geht, so ist es desto beßer, dann hat Er lange Ruhe. Wie wollte ich mich freuen wenn du mir abermals die Ankunft eines solchen Patrones schreiben könntest.

Nun ade, herzliebste Weibe. Sey nur ja um mich außer Sorgen, ich habe mich nun schon hier eingerichtet, und verschlendere mein Leben ganz paßabel, auch die Geselligkeit findet sich etwas mehr, und so wird denn endlich wieder die schöne Zeit heranrükken wo ich Euch wieder in meine Arme schließe.
Gott segne Euch + + + Mit innigster treuster Liebe Euer Carl.

[Im Kußsymbol:] Millionen
gute Buße.

Apparat

Zusammenfassung

zur Reihenfolge der Briefe; will die nächsten beiden an Roth adressieren; bittet sie, Weigl wegen eines Aderlasses zu Rate zu ziehen und sich zu schonen; sie soll von Roth kein Kostgeld nehmen; erwähnt Bäder, Ball am 22., zu dem er nicht ging; Brief von Meyerbeer, der möglicherweise in Dresden schon durchgereist sei, Brief von Präger, der sich um Webers Dresdner Posten bewerben wolle, wenn dieser nach London ginge

Incipit

Tausend Dank, mein geliebtes Herz, für deinen

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Brief in zwei Teilen
  • 1. Fragment: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: 55 Ep 1922

    Quellenbeschreibung

    • Adressblatt: 1 Bl. (2 b. S.)
    • PSt: a) PLAUEN | 28. Jul. 24; b) Marienbaad
    • am unteren Rand der Versoseite von F. W. Jähns: „59. Dies Couvert entnahm ich mit Erlaubniß der Wittwe | C. Maria von Weber’s einem Briefe desselben an sie. | Es ist eigenhändig von Weber geschrieben. Dies bezeuge | ich als Herausgeber seiner hinterlassenen Werke | F. W. Jähns. | Komponist in | Berlin. | Berl. 6. Dez. 46.“; am oberen Rand von fremder Hand: „Untenstehend ist die Handschrift des Componisten Friedr: Wilh: Jähns in Berlin (schrieb Lieder, Messen, Sonaten etc.“

    Provenienz

    • Schenkung Ledderose (2019)
    • Stargardt Kat. 585 (1968), Nr. 787
    • Stargardt Kat. 560 (1962), Nr. 1210 (mit Faks.)
  • 2. Fragment: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. II A a 3, 19

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (2 b. S. o. Adr.)
    • Bl. 2 bis auf 2 cm Rand abgeschnitten
    • Echtheitsbestätigung am unteren Rand der Versoseite von Jähns: „Carl Maria von Weber an seine Gattin. Eigenhändig.“

    Provenienz

    • vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403

Textkonstitution

  • ß„s“ überschrieben mit „ß

Einzelstellenerläuterung

  • „… folgst als mit der Zimmervertheilung“Das Ehepaar Roth war laut Tagebuch am 2. Juni nach Hosterwitz gezogen (offenbar in das Webersche Quartier bei Felsner), wohl damit Frau Roth der schwangeren Caroline von Weber während der Abwesenheit ihres Mannes Gesellschaft leisten könne. Überlegungen zur Unterbringung und Versorgung der Gäste finden sich in mehreren Briefen Webers an seine Frau aus Marienbad.
  • „… mich in Dresden ersezzen will“Präger hatte die bereits zu dieser Zeit kursierenden Gerüchte um einen Opernauftrag Webers aus London (vgl. Webers Brief an Lichtenstein vom 7. Juni 1824) fehlinterpretiert.
  • Ct:Abk. von „Centner“.

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