Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Dresden
Gotha, Samstag, 9. Juli 1825 (Folge 1, Nr. 4)

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Guten Morgen mein innigst geliebtes Leben. Glüklich und gesund bin ich so eben hier unter Donner und Bliz angekommen, und erwarte voll Sehnsucht ein gutes Suppel.      Da aber natürlich überall meine erste Frage nach dem Abgang der Post ist, und ich hörte daß Sie heute Abend nach Dresden spazirt, so muß ich natürlich gleich der Mukkin Nachricht geben.      Du siehst aus obigem Datum, daß man mich in Weimar einen Tag länger festgehalten hat. Das war aber nicht um liederlichen Lebens willen, sondern gute Sorgfalt der guten Leute und Vorsicht von meiner Seite. Denn es ist mir gar nicht recht übelauf gewesen, und wenn ich Dir nicht so heilig versprochen hätte immer alles zu schreiben, so wäre es eigentlich gar nicht der Rede werth, es ist aber so beßer, damit Du nicht etwas Dummes erfährst, denn ich weiß ja wie schnell die Menschen mit schlimmen Nachrichten sind.      Nun also, erzählen. d: 6t Nachmittags 4 Uhr hatte ich Dir doch geschrieben, daß ich mich kreuzwohl befände. Darauf ging ich zu Göthe.wie ich um die Ekke kam, blies mich so ein scharfer Wind an, daß es mir gar nicht gefiel.      Von da gieng ich zu Hummels die eine unendliche Freude bezeigten, und so nach 6 Uhr wollte ich zur Schoppenhauer gehn.      da mich aber, troz dem schönen Wetter ein bischen zu frösteln anfieng, gieng ich erst nach Hause, und zog einen Ueberrok über den Frak. wie ich an das Haus der Schoppenhauer komme wird mir so übel daß ich es für gerathener finde, um zu kehren, und kaum bin ich wieder in meiner Stube angelangt, so muß ich auch schon speyberln. und was wars? ich hatte doch Mittags so diät gelebt, und nur 5-6 Kirschen gegeßen. die mußten wieder heraus. ich ließ mir Kamillen Thee machen, legte mich nieder, und brach nur noch einigemale, so in der Art wie vergangnen Winter. ich hielt es also doch für beßer einen Arzt zu befragen, der verschrieb mir etwas worauf sich das Brechen gab, und ich erträglich ruhte.       d: 7t blieb ich bis Mittag im Bett, ließ mich dann zu Hummels tragen, und machte den Zuschauer bei einem delikaten Eßen, gebakenen Händeln pp.      Die Sorgfalt dießer guten Leute kann ich nicht genug rühmen, sie wollten mich durchaus im Hause behalten und pflegen.      Nach Tische machten sie mir ein Betterl aufs Sopha, da schlief ich recht süß ein paar Stunden, und war wie neugebohren.      Dann fuhr mich Hummel nach Hause, und um 8 Uhr lag ich schon wieder im Neste.      Gestern d: 8t nun, hätte ich recht gut abreisen können, aber die guten Leute litten es nicht. ich hielt mich also noch ganz still, ging zu Niemand. Mittag holte mich Hummel ab, wo mir ein gutes Suppel und gebratenes Hänchen gut schmekte. Von da ging ich zu Gerstenberg und der Schoppenhauer. um 8 Uhr wieder hübsch artig nach Hause, und Heute Morgen um 1/2 6 Uhr fuhr ich ab, und sizze munter und frisch hier, mit etwas leerem Magerl, denn ich halte mich so diät, um Dich ja nicht zu ängstigen. Hummel kam eben von Paris zurük, und erzählte mir viel Intereßantes in jeder Beziehung für mich. Er rühmt außerordentlich das schöne Benehmen der Künstler in Paris, die eine sehr schöne Medaille auf ihn haben schlagen laßen*.      Das sind wahrhaft glükliche Menschen die Hummels. er hat ein sehr nettes Haus und Garten, | Wagen und Pferde. Nichts zu thun, reißt wenn es ihm gefällig ist und verdient vieles Geld.      aber Sie genießen auch beide und sind fröhlichen guten Muthes.      Die Ohren müßen Dir eigentlich immer geklungen haben, so viel wurde von dir gesprochen. Bei Gerstenberg und Schoppenhauer deßgleichen.      Es ist doch recht Schade daß Du das nicht mitmachen kannst, ich bin überzeugt so viele lebhafte Beweise fortwährender Liebe und Freundschaft würden Dich gewiß auch erfreuen.

So eben haben mich Varnhagens besucht — /: Roberts Schwester :/ Die gehen nach Baden. und heute auch noch wie ich nach Eisenach, da wollen wir den Abend zusammen verplaudern. Ueberall finde ich Bekannte und ich darf wohl sagen lauter Gesichter auf denen die Freude glänzt wenn sie mich wieder sehn.

Weißt du daß die Luft Veränderung schon recht vorteilhaft auf mein Uebel wirkt. der Husten ist ganz weg, und die Heiserkeit so unbedeutend daß sie gar wenig zu hören ist. am Ende bin ich schon kurirt wenn ich in Ems ankomme, und kann gleich wieder umkehren. Das wäre sehr schön.

Heute Morgen hinkte die Gretel auf einem Vorderfuße. und wir mußten ihr unterwegs das Eisen abnehmen und eine Steingalle ausschneiden laßen. nun geht es wieder beßer. Die Steingallen sind nehmlich bei den Pferden, was bei uns die Hüner Augen, und Du kannst denken daß ein Hufeisen noch etwas mehr drükt als ein pariser Schuh. Uebrigens sind die Hothos und Musje Johann kreuzwohl auf, und verzehren so viel wie ihr Herr, das heißt dem Gelde nach, denn wenn die armen Thiere hätten die 2 Tage so fasten müßen wie ich, sie wären heute nicht in 6 Stunden mit mir hierher getanzt.

Von dem längern Aufenthalt in Weimar habe ich den Vortheil daß ich nun einen Tag später nach Frankfurt komme, und daher hoffentlich deinen Brief No. 2 finde den du gewiß Gestern an mich abgeschikt hast.      Morgen geht es bis Fulda. Montag bis Gelnhaußen, und Dienstag so Gott will bis Frankfurt. Unterwegens werde ich Dir nun schwerlich mehr schreiben; Du kömst auch sonst in gar zu große Schuld gegen mich, und hast bei der Rükkunft zu viel Bußen heraus zu zahlen.

Gott gebe nur daß ich von Eurer Aller Gesundheit höre. Ich herze meine Buben aufs innigste, und gebe Ihnen gute + + +. Dir alte Mammas ohnedieß, das versteht sich. Sey munter und glaube recht heiter
und gesund, Deinen alten
treuen Carl
[im Kusssymbol:] 1000mal

Alles Erdenkliche an Rohde, Kellers, Lüttichau pp

Apparat

Zusammenfassung

Ankunft in Gotha, erwähnt Besuch bei Goethe in Weimar, über Unwohlsein am Abend dort und Umsorgung durch Hummels, Arztkonsultation, verzögerte Abreise, Treffen mit Varnhagens in Eisenach verabredet, fühlt sich wieder gut, hofft am Dienstag (12. Juli) Frankfurt zu erreichen und Post von ihr vorzufinden

Incipit

Guten Morgen mein innigst geliebtes Leben

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 188

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)
    • urspr. 1 DBl., Bl. 2 abgeschnitten
    • Rötelmarkierung von Max Maria von Weber

    Provenienz

    • Weber-Familiennachlass

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Joachim Veit, Eveline Bartlitz und Dagmar Beck (Hg.), „...die Hoffnung muß das Beste thun.“ Die Emser Briefe Carl Maria von Webers an seine Frau, München 2003, S. 35-37 (mit Faks.)

Textkonstitution

  • „übelauf“unsichere Lesung

Einzelstellenerläuterung

  • „… auf ihn haben schlagen laßen“Medaille mit Hummels Porträt, modelliert von Pierre Jean David d’Angers (1788–1856).

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