Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 8. bis 16. September 1817

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Am 8. September. Auf dem Linkeschen Bade. Beschämte Eifersucht. Lustspiel in 2 Akten, von Frau von Weißenthurn.

Eine Demoiselle Czechtizky spielte die Julie mit vieler Keckheit, aber streifte eben dadurch nicht selten an das Gemeine. O! wie schwer ist die wahre Naivetät, und wie müssen wir die Künstlerinnen preisen und ehren, die dieses seltene Gabe, welche nur Natur, kein Studium, verleiht, besitzen.

Von dem hierauf folgenden pantomimischen Divertissement mit Tanz, arrangirt – (warum nur stets französische Worte) von Herrn Simoni, wollen wir lieber schweigen, um über manches Unanmuthige das wir sahen, den Vorhang fallen zu lassen.

Am 11. September. In der Stadt. Jakob und seine Söhne in Egypten. Ein Herr Hambuch spielte und sang den Joseph, beides mit Fleiß und nicht ohne Talent, besonders wenn man ihn noch als Anfänger betrachtet, wie es doch scheint, da der Anschlagzettel kein Theater besagte, von dem er stamme.

Am 13. September. Ebendaselbst. Il Sacrifizio interrotto, von Winter. Dies klassische Meisterwerk wurde heute vor einem ungemein vollen Hause mit verdientem Beifall aufgeführt. Wir sahen die hoffnungsvolle junge Künstlerin, Signora Carolina Benelli, wieder in der Rolle der Myrrha auftreten. Ihr Gesang hat seit einem Jahre unter der Leitung ihres Vaters noch sehr gewonnen. Ihre Stimme bekam mehr Fülle und Kraft, sie hat ausgezeichnete Kunstfertigkeit. Jeder Ton ist gebildet, so daß die vollendetste Gleichheit in ihrer Skala herrscht, ein seltner Vorzug, der nur durch die beste Schule zu erwerben ist! Alle diese lieblichen Klänge sind gerundet und weich verschmolzen, ohne deshalb etwas von ihrer reinen Bestimmtheit zu verlieren; Biegsamkeit bei den schwierigsten Passagen, Zartheit bei den sicher und fein betonten abgestoßnen, und ein schönes Tragen und Schwellen des Tones bei den langausgehaltnen Noten, sind ihr eigen, so wie eine kluge Sparsamkeit des Athems, wodurch sie stets ihre Stimme frei beherrscht, ohne je durch verschwendete Kraft einen grellen oder harten Ton zu bekommen. Wenn die Natur dieser Sängerin künftig bei zunehmender Reife noch etwas mehr Bruststimme verleiht, und alles was jetzt durch Fleiß und Studium erworben ist, immer mehr zur innigen Seelensprache, zum Ausdruck des eignen Gefühles wird, dann gehört sie gewiß zu den vorzüglichsten Künstlerinnen. Ihr Spiel ist jetzt noch etwas ängstlich und befangen, doch wird ihre natürliche Grazie dies bald besiegen und den jugendlich wankenden Schritt unterstützen. Oeftere Uebung das Theater zu betreten wird ihr eben so nützlich als für uns erfreulich seyn. Frau von Biedenfeld gab die schwere Rolle der Elvira mit kühner Kraft und wahrer Bravour. Der meisterhafte seelenvolle Vortrag Benellis, die wunderschöne Stim ¦ me des Signor Benincasa und das ächt komische Spiel des Signor Tibaldi, der uns in der Rolle des Pedrillo den ganz nationell spanischen Gracioso so treffend zeigt, gaben uns vereint einen hohen Kunstgenuß.

C.

Am 14. September. Axel und Walburg, Trauerspiel von Oehlenschläger Die zweite Vorstellung dieses an Schönheit aller Art so reichen, aber in der Aufführung schwierigen Stückes hatte zwar kein zahlreiches, aber ein ausgesuchtes Publikum versammelt. Die Rolle des Königs Hakon war dießmal durch Herrn Julius sehr zum Vortheil des Stücks besetzt und dieß wird immer mehr der Fall seyn, je vertrauter mit ihr dieser wackere Künstler werden wird. Dann gelingt es ihm gewiß auch, die von dem Dichter selbst sehr schwebend und unbestimmt gezeichnete Sterbescene im letzten Akt mit dem, wie Hakon früher erscheint, durch Verstärkung oder Minderung des Affects in Einklang zu bringen, eine Aufgabe, die freilich nur einem wirklichen Künstler zugemuthet werden kann. Mad. Schirmer nahm die Rolle der Walburg dießmal mit noch innigerer Hingebung und Steigerung, besonders am Schluß, wo sie an des todten Axels Seite ausathmet. Sie hatte vieles in ihrem frühern Spiel abgeändert, indem sie weniger im namenlosen Schmerz aufgelöset untergeht, als von einem Blitzstrahl der durch das Anhören der Ballade aufs höchste gereizten Fantasie getroffen wird. Diesen Moment gab sie mit der lebendigsten Wahrheit und Raschheit und rechtfertigte so die Intention des Dichters. (Sehr zweckmäßig war die von Wilhelm gesungene Ballade um einige Strophen abgekürzt.) Ein so gelungenes, die Vielseitigkeit der Künstlerin beurkundendes Bestreben verdient auch dann noch die dankbarste Anerkennung, wenn man bedauern könnte, daß auf diese Weise vieles von der tiefen Innigkeit und von dem sehr kunstreich abgestuften Spiel, womit die treue Walburg sonst an gebrochenem Herzen hinstarb, aufgeopfert werden mußte. Wir wissen aus sehr sicherer Zeugen Munde, daß jenes feine und zarte Spiel, womit Mad. Schirmer auch in Berlin als Sterbende niedersank, dort von den Feinerfühlenden mit innigster Rührung empfunden worden ist, wovon freilich die lauten Stimmführer nichts zu erwähnen für gut fanden. – Die Herren Hellwig, Kanow, Burmeister und Geier g[e]nügten mit noch vollendeter Rundung ein jeder seiner Rolle, besonders ließ Herr Hellwig als Wilhelm die wunderbare Verschmelzung von Unempfindsamkeit und Weichheit, welche der Dichter in diesen Waffenbruder, treu bis zum Tod, legte, uns in seinem Spiel recht lebhaft erkennen. Wir hoffen, daß dies Stück stets ein Liebling unsrer Bühne bleiben werde.

B.

Am 16. September. Im Theater am Linkeschen Bade. Das Kind der Liebe. Schausp. in fünf Akten, von Kotzebue Dem. Czechtizky gab als zweite Gastrolle die Amalia, und im höhern Grade bestätigt, fanden wir das Urtheil, das wir schon bei ihrer ersten Darstellung über sie gefällt hatten.

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbericht Dresden 8. bis 16. September 1817

Entstehung

vor 29. September 1817

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 233 (29. September 1817), Bl. 2v

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