Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 3. bis 9. Juli 1817

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Am 3. Juli. Auf dem Theater in der Stadt: Der Wald bei Hermannstadt. Schauspiel in 4 Akten, von F. von Weissenthurn.

Die Familie des Landmanns Kowar hat uns ganz ungemein gefallen. Von unserm Schirmer, den wir schon mehr als einmal in dieser Art von gemüthlichen Charakteren sahen, erwarteten wir schon eine wackere Darstellung dieses braven Alten; aber gestehen müssen wir, daß wir nicht geglaubt hätten, Herr Genast werde den Sokol mit der Naivetät und Natürlichkeit geben, die er wirklich an den Tag legte. Seine Stimme war so treuherzig innig, sein Spiel so einfach wahr, daß der Natursohn recht erfreulich hervortrat. Beider würdig stand in ihrer Mitte Mad. Hartwig als Siwa, die uns diesen Charakter, seit dieses Stück hier gegeben ward, zum erstenmale in seiner wirklichen herzlichen Lebendigkeit darstellte. Trefflich besonders war die Erzählung, wie ihm Mann den Herzog gerettet und dieser bei ihnen gehauset habe. Der Strom der treugemeinten Worte riß alle Zuhörer mit fort, und lauter Beifall belohnte die Darstellerin.

Dem. Schubert gab die Rolle der Elisene mit Fleiß und Sorgfalt, und erwarb und verdiente besonders in der Scene des dritten Aktes, wo sie das ihr geraubte Bild wieder an ihrem Halse entdeckt – sonderbar genug, daß dies nicht früher geschieht – und nun um Herzog zu eilen ich entschließt, Anerkennung und Lob.

Dobroslaw und sein Vertrauter leiteten das Stück nicht vortheilhaft ein, da ihnen das Gedächtniß untreu war, und doch namentlich solche Scenen, welche gleichsam den Vorgrund der Handlung machen, durch Raschheit des Spiels und der Diktion sich auszeichnen müssen, wenn sie nicht auf das Nachfolgende ungünstig wirken wollen.

Am 6. Juli. Auf dem Theater am Linkeschen Bade. Abellino, der große Bandit.

Der große Bandit zieht immer noch sein Publikum an. Und warum soll er es nicht thun, besonders wenn die Rolle der Rosamunde mit so hoher Zartheit und reiner Naivetät gespielt wird, als es hier durch Mad. Schirmer geschieht. Geht doch in dem nicht all zu langen Stücke alles recht lebendig durcheinander, Verschwörungen und Liebeserklärungen, Waffengeklirr und Seufzergelipsel, Verschwinden und Wiedererscheinen, Alter und Jugend, oder, um im Abellinoschen Pathos zu sprechen, der segnende Himmel und die grollende Hölle. Dieses falsche Pathos aber ist es auch allein, war wir aus dem Stücke weg wünschten, überzeugt, daß es alsdann als ein Intriguenstück einen gar nicht niedrigen Rang einnehmen würde; denn die Verwickelung ist so unterhaltend, ¦ und nicht selten so künstlich geschürzt, daß es darin weit über viele andere hervorragt. Dieses gewinnt ihm auch seine Zuschauer, und mit Recht. Daß auch der verdienstvolle Zschokke, der in mancher andren Hinsicht gezeigt hat, daß er nicht auf der Oberfläche schwimme, sondern tiefer in die Charaktere einzudringen gelernt habe, kein Produkt zu Tage fördern könnte, das Beschuldigungen und Wegwerfungen verdiente, wie sie von manchem Ueberklugen diesem Abellino gemacht worden sind, liegt in der Natur der Sache, und bedarf blos eine kleine Besiegung des Vorurtheils, um unbefangen erkannt zu werden.

Bemerken müssen wir nur noch, daß der Künstler, welcher den Abellino spielt, den ersten Monolog, so wie überhaupt alle Monologe, durchaus nicht im Charakter dieses Banditen sprechen darf. Ist er doch der Flodoardo in der Wirklichkeit und der Abellino nur zum Schein; wenn er also mit sich allein ist, legt er gewiß die innere Larve ab, und spricht in dem Tone der Stimme, in welchem Flodoardo gesprochen wird. Es sticht dieser Ton der Milde allerdings gegen das ab, was er mit Härte zu sagen hat, aber vielleicht liegt eben mehr Künstlerisches in dieser sonderbaren Schattirung, als durch die einfache Farbe hervorgebracht werden kann.

Am 8. Juli. Im Hoftheater. Moses. Dramatisches Gedicht von A. Klingemann, in 5 Akten.

Am 9. Juli. Ebendaselbst. Die Entdeckung. Lustspiel in 2 Akten von Steigentesch. Eine Kleinigkeit voll Leben und Witz: mit dem regsten Leben; mit dem feinsten Auffassen des leisesten Witzes will es aber auch dargestellt seyn. Ob dieses bei der heutigen Vorstellung der Fall war, möchten wir fast bezweifeln. Manche Scenen gingen gewaltig langsam, und das Ineinandergreifen des Dialogs war zum Nachtheile der Darstellung hie und da sichtbar vernachlässigt. Wir müssen bekennen, daß wir in den frühern Vorstellungen das Stück bei weitem runder sahen, und der erfreuliche Eindruck, den es damals auf das Publikum machte, bewies es.

Hierauf: Das Geheimniß. Komische Oper in 1 Akt. Nach der franz. Musik von Solié. Herr Geiling spielte heut in Abwesenheit Herrn Geyers* den Thomas mit vieler Laune und belustigte sehr. Hie und da zog er die Darstellung durch stummes Spiel wohl etwas zu sehr in die Länge. Eben so können wir die Karikatur des Anzugs mit dem langen krummgebogenen Zopfe u. s. w. durchaus nicht billigen, da es gar zu unwahrscheinlich ist, daß die elegante Frau Hofräthin nicht ihrem Bedienten diesen häßlichen Haarputz längst abgeschnitten haben sollte, wenn sie ihm anders je erlaubt hat, hinter ihr her zu gehen. Herr Helwig spielte den Hofrath mit Anstand und Wärme. Frau von Biedenfeld sang sehr brav.

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbericht Dresden:„Der Wald bei Hermannstadt“ von Johanna Franul Weißenthurn am 3. Juli 1817 / „Abellino, der große Bandit“ von Johann Heinrich Daniel Zschokke am 06. Juli 1817

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Albrecht, Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 176 (24. Juli 1817), Bl. 2v

    Einzelstellenerläuterung

    • 9.recte „10.
    • „… heut in Abwesenheit Herrn Geyers“L. Geyer war laut Kurliste (1817, Nr. 947) am 4. Juli in Karlsbad im Haus „zum Wallfisch auf der Wiese“ abgestiegen.

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