Bericht über die ersten 6 Aufführungen des Oberon in Leipzig 1827

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Leipzig, vom 14. December bis zum 20. Januar.

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Von unserm Theater haben wir besonders anzuzeigen, dass hier, zuerst in Deutschland, unsers zu früh verstorbenen C. M. v. Weber Oberon, nach dem Englischen des Planché, von Theod. Hell, kurz hintereinander sechs Male gegeben worden ist*, und zwar mit einer Pracht der Decorationen, die für ein Theater einer mittlern Grösse nichts zu wünschen übrig lässt. Es wollen zwar Manche meynen, es wäre eben schlimm, dass jetzt überall für den äusserlichen Schimmer zu viel gethan werde, und die Klage mag in vielen Dingen am Orte seyn: aber auch bey Feenopern? Wir meynen nicht. Gesetzt auch, dass der Reiz der zauberähnlichen Erscheinungen auf das Auge beym ersten Male den Hörer mehr zum Schauer machte; so ist doch auch eine solche Oper nicht für einmal hören oder sehen geschrieben und dargestellt, und bey wiederholtem Genusse wird schon das Ohr sein Recht behaupten, wenn nur die Musik darnach ist. Es muss also dem Unternehmer vielmehr dafür Dank gesagt werden, dass er die Oper auch fürs Auge so anziehend machte. Vereinigen sich doch in der Oper die mancherley Künste mehr und lieber, als sonst irgendwo. Einfachheit ist schön, nur nicht überall. Wo Oberons Horn geblasen wird, muss es nicht mehr bürgerlich hergehen. Die meisten Aufführungen gelangen in Ansehung der Verwandlungen vollkommen. Bey der ersten Darstellung machte das leere, marionettenähnliche Erscheinen Carls des Grosen zum Ende des Stückes einen so ärmlichen Schluss, dass diess, von Allen gefühlt, gleich bey der zweyten wegblieb und dafür das letzte Erscheinen Oberons, desto glänzender zu allgemeinem Beyfall hervorgehoben, dem Prachtaufwande die Krone aufsetzte. Auch in Ansehung des Vortrags der für Orchester und Sänger oft sehr schwierigen Oper ist von allen Seiten so viel Gutes geleistet worden, dass jeder nicht ganz unbillige Beurtheiler nur Erfreuliches zu berichten haben wird, will er nicht bey allerley Kleinigkeiten ¦ zu tadelsüchtig verweilen. Ganz besonders aber sind die Anstrengungen der beyden Hauptpersonen, der Dem. Canzi, als Rezia, und des Hrn. Vetter, als Hüon, rühmlich auszuzeichnen. Beyde Partieen sind überaus schwierig und erfordern eine nicht geringe Kraft und Fertigkeit. Die letzte hat ganz besonders der Tenorist nöthig, der Dinge zu singen hat, die, wenn auch nicht immer, aber doch oft, gar nicht gesungen werden sollten. Wenn nun auch die Oper nicht völlig so viel furore machte, als der Freyschütz, so wirkt sie doch offenbar weit mehr, als Euryanthe. Bey weitem der grössere Theil, und darunter sind Männer von Urtheil, wenn wir für unsere Person ihnen auch nicht überall beystimmen können, findet sie meisterlich. Allerdings sind so viele Lichtpuncte und so manche wahrhaft geniale Sätze darin, dass sie im Allgemeinen zu den vorzüglichsten Erzeugnissen C. M. v. Webers gezählt werden muss. Zu den Vorzüglichsten gehört gleich der erste Chor der Elfen „Leicht wie Feentritt nur weht“; das Quartett „Ueber die blauen Wogen“; das Terzett „So muss ich mich verstellen?“ u. s. w. Es wäre hier am unrechten Orte, eine ausführliche Auseinandersetzung des Ganzen zu geben; es würde eine eigene Abhandlung dazu gehören. Jedoch können wir nicht umhin, uns entschieden gegen zwey Arien zu erklären. Die erste hat Oberon gleich Anfangs zu singen: „Schreckens-Schwur! Dein wildes Quälen“. Sie tritt so völlig aus der Geisterwelt heraus und ist so menschlich qualvoll, dass wir nicht begreifen, wie der Meister zu diesem Missgriffe gekommen ist. Die andere singt Hüon: „Von Jugend auf im Kampfgefild“ u. s. w. Wir wissen nicht, ob es Tenoristen giebt, die diese seltsamen Gänge mit kräftigerer und zugleich gewandterer Stimme vorzutragen im Stande sind, als es Hr. Vetter mit der grössten Anstrengung seiner sowohl durch Fülle und Höhe des Tones, als auch durch glückliche Fertigkeit ausgezeichneten Stimme vermochte; aber gewiss ist es, dass er sie über unser Erwarten gut, so kräftig und rund herausgesungen hat, dass ihm dafür alles Lob gebührt. Doch etwas Schönes können wir ihr nicht abgewinnen. Kurz diese beyden Stücke halten wir für nicht gut, was wir uns zu beweisen getraueten, wenn es für einen Bericht nicht zu lang wäre. Dennoch würden die anderweitigen Schönheiten noch zweymal mehr Verfehltes siegreich übertragen. Auch kennen wir M. v. Weber viel zu gut, als dass wir ihn nicht, seiner anderweitigen Verdienste wegen, hochzuschätzen wissen sollten, wenn | wir auch nicht Alles loben können. Wollte Gott, er lebte noch! Friede seinem Geiste!

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Apparat

Zusammenfassung

Bericht über die ersten 6 Leipziger Aufführungen des Oberon 1827

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Jakob, Charlene

Überlieferung

  • Textzeuge: Allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. 29, Nr. 7 (14. Februar 1827), Sp. 109–111

Textkonstitution

  • „Grosen“sic!

Einzelstellenerläuterung

  • „… sechs Male gegeben worden ist“Die ersten sechs Vorstellungen der Oper fanden in Leipzig am 24. und 29. Dezember 1826 sowie 2., 6., 10. und 21.(!) Januar 1827 statt.

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