Anton Bernhard Fürstenau an Gottlob Roth in Dresden
London, Dienstag, 6. Juni 1826

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Sr. Wohlgeboren

dem Herrn Kammermusikus Roth jun.

in

Dresden

durch Einschluß.

Mein theurer Freund.

Wo finde ich Worte, um Ihnen das mitzutheilen, was mich mit Schmerz und Trauer erfüllt und Sie Alle nicht minder ergreifen wird. Ich wage es kaum zu sagen, und dennoch muß es sein, und ich hadre mit dem Schicksal, daß es mich auserlesen hat, diese traurige Nachricht den Seinigen und allen denen, die ihm theuer waren, mittheilen zu müssen. – Weber ist hinüber gegangen, Er ist nicht mehr! – Sanft war sein Ende; gestern früh, als den 5ten Juni um 2 Uhr, starb er. – |

Seine letzten Tage waren hell und klar, und sein Geist beschäftigte sich stets mit der Abreise, welche auf Morgen den 7ten festgesetzt war, obgleich ich mit Bangen und Zittern daran dachte; denn seit meinem letzten Briefe an Sie verschlimmerte sich sein Zustand täglich, und es war vorauszusehen, daß er unmöglich die Reise vollenden würde. An die Frau von Weber ist es mir unmöglich zu schreiben, und ich überlasse es Ihrer Einsicht, ihr diese traurige und schreckliche Nachricht so lindernd als möglich vorzutragen, und kann es ihren gerechten Schmerz lindern, so versichern Sie ihr, daß ich alles angewandt habe, ihm seine letzten Tage durch meinen schwachen Beistand zu erleichtern, und daß sein inniges Dankgefühl, welches er gegen mich äußerte, mir in meiner jetzigen schmerzlich traurigen Lage mein einziger Trost ist. Nicht minder gütig u. hülfreich waren der Dr. Kind, Göschen u. Sir George Smart, welche treulich bei ihm und mir aushielten. Beifolgender Brief von Dr. Kind wird Ihnen Näheres über sein Ende mittheilen, worüber ich heut unmöglich ein Mehreres sagen kann, da ich zu angegriffen bin | und Alles nur mit Anstrengung vollbringen kann. –

Die Gelder und sonstigen Effecten des Hrn. von Weber sind unter Siegel genommen und werden heute alle aufgezeichnet; doch denke ich, man darf diese Angelegenheit nicht fremden Händen überlassen, und ich glaube dem Wunsche der Frau von Weber zu begegnen, wenn ich ihr versichre, daß ich gerne noch dies in Ordnung bringen will, um zugleich die letzte Pflicht gegen meinen verklärten Freund zu erfüllen. Zu diesem Behufe ist es nun natürlich nothwendig, daß ich eine Vollmacht von der Frau von Weber erhalte, ohne deren Vorzeigung man mir nichts verabfolgen läßt, und Sie finden beifolgend deshalb ein Schema, worin ich einen Freund mit aufführe, welcher zugleich als hiesiger Einwohner mich unterstützen kann, und ich bitte nur, mir mit umgehender Post die Unterschrift zu senden, da mein Aufenthalt nun schon so sehr verlängert wird; denn unter 3 bis 4 Wochen (?) ist es unmöglich eine Antwort von ihr* zu haben. Auch bitte ich um eine ähnliche Schrift für Calais, denn ich befürchte, daß man mir den Wagen nicht verabfolgen läßt, der auf Webers Namen dort steht, und ich möchte wohl | den Vorschlag thun, daß der Wagen, wenn sich eine Gelegenheit fände, verkauft würde, da ich dadurch die Kosten meiner Rückreise mir sehr erlichtern könnte. – Meine Lage ist nun freilich nicht die Beneidenswertheste; doch opfere ich alles mit Freuden, um mit der Beruhigung zurück kehren zu können, nichts versäumt zu haben, um auch noch nach dem Tode meines mir über Alles werthen Freundes, ihm und seiner Familie besonders nützlich zu sein.

Schließlich nun die dringende Bitte, mir die Papiere umgehend zu senden, um nicht unnöthigerweise mneinen Aufenthalt verlängern zu müssen.

Nachmittags 4 Uhr.
So eben komme ich von dem traurigen Aufzeichnungsgeschäft aus Weber’s Wohnung; es ist alles auf’s Beste besorgt und es fehlt jetzt nichts als die Vollmacht, um die Gelder und Sachen in Empfang zu nehmen. – Dann fand sich unter seinen Papieren ein Recognitions-Schein, wovon ich Ihnen die Abschrift mittheile, im Falle Frau von Weber nichts davon weiß. Er lautet, wie folgt: |

„Nachderm bei dem Königl: Sächs: Justiz-Amt allhier, untengesetzten Tages des Vormittages in hiesiger Verlassenschafts-Expedition, der Königl: Sächs: Kapellmeister Herr Carl Maria Freiherr von Weber, seinen in Schriften abgefaßen letzten Willen in einem mit der Aufschrift – Dieses ist mein letzter Wille, Carl Maria von Weber – versehenen, auf der Rückseite mit 5 Siegeln verschlossenen in Quart-Format gebrochenen Couvert in weißem Papier zu verwahrlichen Beilegung übergeben hat; So ist hierüber dieser Recognitions-Schein unter gewöhnlicher Vollziehung ertheilet worden.“ „Justizamt Dresden den 15. Sept. 1823“ „Königl: Sächs: Hofrath u. Justizamtmann
Heinrich Pechmann
in dessen (unleserliches Wort)
Carl Friedrich Ilgen. Actu[a]r.“

Dann haben Sie die Güte, Frau von Weber zu fragen, ob ich die Trinkgelder u. sonstige kleine Präsente, welche der Selige im Hause, wo er wohnte, geben wollte, und ich noch | schriftlich von ihm habe, besorgen soll. – Gestern Abends wurde er in einen bleiernen Sarg gelegt; über sein Begräbniß werde ich Ihnen nächstens schreiben; heute drängt die Zeit gewaltig, und bei meiner außerordentlichen Abspannung, weiß ich nicht, wo ich meine Sinne habe, und Sie müssen mit diesem zerstreuten Brief vorlieb nehmen; auch ist noch nichts Näheres darüber bestimmt worden.

Nun leben Sie wohl, so wohl, als es in diesen traurigen Umständen geschehen kann, und denken Sie des entfernten Freundes, welcher so ganz allein den Schmerz ertragen muß, da er keine treue Seele hat, um sich mittheilen zu können und also mit Sehnsucht der Nachricht von Ihnen entgegen sieht, wovon seine Abreise abhängt, um dann endlich in die Arme der Meinigen eilen zu können. Grüßen Sie alle Bekannte
von Ihrem aufrichtigen
A. B. Fürstenau
103 great Portland Street.

NB. Leider habe ich die Vollmacht noch nicht vom Advocaten erhalten, und | kann ich diese erst mit nächster Post senden. Noch muß ich bermerken, daß Sir George Smart alles zum Besten der Frau von Weber thut. Sehr eilig, denn die Post geht ab.

Der Freund, den ich vorgeschlagen habe, mit als Geschäftsträger anzunehmen heißt Göschen und ist der Sohn des Buchhändlers Göschen in Grimma und ein theurer Freund des Verstorbenen, u. ich hoffe es wird der Frau von Weber recht sein. Die Vollmacht nebst der Beschreibung der Beerdigung mit nächster Post.

Editorial

Incipit

Wo finde ich Worte, um Ihnen das mitzutheilen, was mich mit Schmerz und Trauer erfüllt

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Weberiana Cl. V (Mappe XVIII), Abt. 4 A, Nr. 13 B

    Physical Description

    • Kopie nach dem Autograph von Friedrich Wilhelm Jähns
    • 4 Bl. (7 beschr. S.)

Text Constitution

  • “ich”added above

Commentary

  • “… unmöglich eine Antwort von ihr”Unter der Zeile von Jähns: („Sie“ im Original).

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