Anton Bernhard Fürstenau an Gottfried Weber in Darmstadt
London, Montag, 7. August 1826

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Herrn Gottfried Weber, Kriegs-Gerichts-Rath.

in Darmstadt.

Ew. Wohlgeboren

werden hoffentlich es mir nicht übel nehmen, daß ich Ihren sehr geschätzten Brief nicht früher beantwortet habe; denn meine wenigen Zeilen, welche ich Ihnen am 4. v. M. sandte, sollten nicht als Antwort dienen. Es war gewiß schon längst mein sehnlicher Wunsch, an Sie zu schreiben; und schon das innige freundschaftliche Verhältniß zwischen Ihnen und Weber, wovon ich in Frankfurt Augenzeuge war, lud mich dazu ein. Wie oft hörte ich nicht die Äußerungen des Verewigten, wie hoch er seinen Jugendfreund achtete u. schätzte. – Aber trotz des besten Willens blieb mir die Erfüllung dieses Wunsches wahrlich unmöglich. Der Tod unsres Freundes in einem fremden Lande, wo so viele Angelegenheiten zu besorgen waren, denen allen ich allein vorstehen mußte, | die vielen Geschäftsbriefe, welche ich an seine Familie und nahen Angehörigen wegen seines Nachlasses u. s. w. zu schreiben hatte, nahmen mich so in Anspruch, daß mir nicht die Zeit übrig blieb, meine Neigung und Pflicht zu erfüllen, Ihnen Einiges aus den letzten Lebensmonaten unseres abgeschiedenen Freundes mitzutheilen. Gerne benutze ich die wenigen kurz vor meiner Abreise nach dem festen Lande mir übrig gelassenen Augenblicke und bitte gar recht sehr um Ihre Nachsicht, wenn das Wenige, was ich mittheile, nicht Ihrer Erwartung entspricht.

In Paris verlebte ich mit dem seligen Weber einige sehr glückliche Tage, da er sich sehr wohl befand, munter war, und er sich einer sehr guten Aufnahme von den dortigen Tonkünstlern erfreute. Auch erhielt er von drei Theatern Bestellungen. Nur der letzte Tag unsres Aufenthalts in Paris war trübe. Er hatte sich erkältet, und war sehr leidend. – Seine Ankunft in London glich einem Triumphe; sein Ruf ging ihm voran, u. die Aufnahme im Oratorio, wo er den Freischützen selbst dirigirte, war in der That ganz außerordentlich und wahrhaft ergreifend; auch | befand er sich während der ersten Zeit in London recht wohl, und das Leben in England schien ihm zu behagen. Zu Hause beschäftigte er sich besonders mit seinem Oberon; denn meistens alle Stücke des 3ten Actes hat er erst hier componirt, und die Ouverture wurde erst zwei Tage vor der Aufführung beendigt. Wegen Mangels eines guten und treuen Copisten schrieb ich ihm Alles und hatte daher Gelegenheit, mit ihm über alle Stücke genau zu sprechen, wo er mir dann sagte, welche Wirkung er sich von diesem oder jenem Stücke verspreche, welches mir nicht wenig Genuß verschaffte. Schon die Proben weissagten viel Glück, da die Musik in der That herrlich u. oft wahrlich überirdisch ist. Ein außerordentlicher Beifall begleitete auch die Aufführungen, und die beiden Ersten Abende wurde Weber gerufen. 12 mal dirigirte er die Oper; aber das Kohlengas der Beleuchtung wirkte sehr nachtheilig auf seine Gesundheit und er fing an, bedeutend zu kränkeln. Bald darauf warf er einiges Blut aus und bat mich, für einen deutschen Arzt zu sorgen, indem er zu einem englischen kein Zutrauen hatte. Einer meiner hiesigen deutschen Freunde, der Kaufmann | Göschen (Sohn des Buchhändlers in Leipzig) welchen ich deshalb um Rath frug, weil er bereits schon 10 Jahr in London wohnt, schlug mir die Drs. Jencken und Kind vor und Weber wählte letzteren, weil er dessen Familie genau kannte, und war auch während seiner ganzen Krankheit mit Kind sehr zufrieden. Oft äußerte er sich aber gegen mich, daß alle ärztliche Hülfe umsonst sei; er wäre eine zusammengerüttelte Maschine, und nur so lange zu leben wünsche er, um seine Familie anständig versorgen zu können. Manche trübe Stunde umwölkte hiebei seine Seele, und ich konnte ihn nur dadurch erheitern, daß ich von unsrer baldigen Heimreise sprach. – In diesem Zustande trat er auch in den philharmonischen u. Academy-Concerten auf; in ersteren wurde ihm eine glänzende Aufnahme zu Theil; in letzteren, wo der Adel u. der Roßinische Geschmack vorherrschen, wurde er nicht mit dem Beifall empfangen, den er erwarten durfte. Mit seinem körperlichen Zustande besserte es sich jedoch in dieser Zeit ein wenig, nur das Arbeiten wurde ihm sauer, und schon der Clavierauszug seines Oberon | fiel ihm sehr schwer; er mußte sich dazu zwingen. – Leider! fiel sein Concert schlecht aus, und dies wirkte unbezweifelt äußerst nachtheilig auf seine Gesundheit. Nach Beendigung seines Concerts sagte er mir verstimmt: „Was sagen Sie zu Weber in London?“ – Am anderen Tage äußerte er mir, daß er sich abermals davon überzeugt habe, daß ihm das Volk nur Freund und gut sei, nie die höhere Classe, wie sie hier abermals, angesteckt von Rossini, ein Beispiel gab. Das Betragen mehrerer Hohen Personen gegen Weber gränzte an Beleidigung und verdiente öffentlich gerügt zu werden. Trotz seiner sich immer verschlimmernden Lage unterstützte er noch mit der größten Bereitwilligkeit das Benefice der Miss Paton. Sein Gesundheitszustand wurde aber immer bedenklicher und es stellte sich zu seinem heftigen Husten eine entsetzliche Engbrüstigkeit ein, die mit seiner Auflösung endigte. – Viele Details werden Sie gewiß schon aus den öffentlichen Blättern vernommen haben; und ich werde mich freuen und glücklich schätzen, wenn durch diese wenigen Notizen eine Blume mehr dem
Kranze verflochten werden kann, welchem Sie dem Freunde und Meister in Ihrer „Cacilie“ widmen wollen. Ich hoffe nun, nach endlicher Beendigung aller Angelegenheiten Weber’s in London in einigen Tagen in den Kreis der Meinigen nach Dresden heimzukehren, und, wie schmerzlich mir es ist, ihn in einem Lande zurück[zu]lassen, aus welchem er sich mit ganzer Sehnsucht hinwegwünschte, brauche ich Ihnen, seinem treuen Jugendfreunde, wohl nicht zu sagen; denn ich bin fest überzeugt, daß Sie ganz den tiefen Gram mit mir theilen, welchen sein Verlust mir veruracht. Schrecklich wird das Wiedersehen zwischen seiner unglücklichen Gattin und mir sein. Doch Muth! ich habe hier wenigstens noch alles gethan, dieser trostlosen Unglücklichen u. ihren Kindern nützlich zu sein.

Freuen werde ich mich, wenn ich durch einige Zeilen von Ihnen nach Dresden den richtigen Empfang dieses Briefes erfahre. – Genehmigen Sie die Versicherung meiner steten Hochachtung u. Ergebenheit.A. B. Fürstenau

Editorial

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Weberiana Cl. V (Mappe XVIII), Abt. 4 A, Nr. 13 B

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