Georg August von Griesinger an Carl August Böttiger in Dresden
Wien, Samstag, 24. November 1821

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Verehrtester Freund,

Gf. Fries und Blaschko sind zurükgekommen, und sind voll Lobes über die Gefälligkeiten, welche Sie ihnen erwiesen haben.

Ein jüngst erschienenes Stük auf dem Wiener Theater, Kassius u. Phantasus, ist eine nicht unwizige Satyre auf die romantisch-mystischen und extravaganten dramatischen Mißgeburten neuerer Zeit, welche drei Tage hinter einander Zulauf hatte.

Um wieder auf die Wahl eines Operntextes für Hrn. Weber zu kommen, bemerke ich, daß im Ganzen das Publikum hier mehr fürs Heitere und Komische ist. Doch scheint es mir nicht, daß Hrn. Webers Talent sich vorzüglich zu diesem Fache neige, und da soll er ja seinem Genius keine Gewalt anthun. In seinen Chören zum | Freischüzen, die zwar sehr gefielen, fand man doch etwas zu viel vom Kirchenstyl.

In Wien wie überall hängt das Glük einer Oper mehr von der Musik als vom Texte ab. Weil man aber hier so viel Musik hört und gehört hat, so ist es nicht genug, daß eine Composition gut und regelmäßig sey, sondern sie muß auch den Stempel der Originalität tragen. Die Geniefunken werden hier schnell aufgefaßt, und sind von dem reizbaren Publikum aufs dankbarste durch Beifallklatschen anerkannt.

Der Freischüz wird oft wiederholt und man hört ihn immer mit Vergnügen*.

Ueber das Kunstblatt welches Sie redigiren wollen*, schreibe ich Ihnen in meinem nächsten Briefe ausführlicher. Ich hole darüber die Meinung eines | Erfahrenen ein. Vorläufig sagte er nur, daß sich die Kunsthandlungen zum Einschicken ihrer Neuigkeiten schwer verstehen dürften, theils weil man Blätter die oft 100 und mehr Gulden kosten (z. B. von Longhi*) nicht verschicken kann, theils weil die Kunsthandlungen zunächst ihre Collegen und Abnehmer im Auslande zu bedienen suchen müssen. Ueberhaupt machen Lob oder Tadel in Journalen hier weniger Aufsehen als im nördlichen Deutschland, weil man nicht so viel liest, und weil der Kunsthändler glaubt, daß sich seine Waare schon durch sich selbst empfehlen werde.

Durch Hrn. Gruner* aus Leipzig habe ich Ihnen die lithographischen Zeichnungen u. der Frau Geh. Räthin v. Nostiz die | Schachtel mit den Seidenhaaren schon vor vierzehn Tagen geschickt.

Totus Tuus
Gr.

Editorial

Summary

kommentiert die Aufführung von Ludwig Roberts neuem Stück und äußert seine Vorstellungen über ein neues Opernsujet Webers für Wien im Hinblick auf die Vorlieben des Wiener Theaterpublikums, erörtert das Für und Wider der Herausgabe einer Wiener Kunstzeitschrift

Incipit

Gf. Fries und Blaschko sind zurückgekommen

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Dresden (D), Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek (D-Dl)
    Shelf mark: Mscr. Dresd. h 37 4, Bd. 64, Nr. 96

    Physical Description

    • 1 DBl. (4 b. S. o. Adr.)

    Corresponding sources

    • Ludwig Schmidt, Zeitgenössische Nachrichten über Carl Maria v. Weber, in: Die Musik. Monatsschrift, hg. von Bernhard Schuster, Jg. 18, 2. Halbjahrsband, Heft 9 (Juni 1926), S. 654. (nur Auszug)

    Commentary

    • “… hört ihn immer mit Vergnügen”Nach der Wiener Erstaufführung am 3. November 1821 hatten bereits fünf Wiederholungen stattgefunden (4., 6., 12., 18. und 20. November), am 24. November ging die siebte Aufführung über die Bühne).
    • “… Kunstblatt welches Sie redigiren wollen”Das von Böttiger redigierte Artistische Notizenblatt erschien ab 1822 als Beilage zur Dresdner Abend-Zeitung.
    • “… kosten (z. B. von Longhi”Giuseppe Longhi (1766–1831), Stecher in Mailand.
    • “… Durch Hrn. Gruner”Möglicherweise der Leipziger Großkaufmann und Bankier Ferdinand Gruner (1769–1852).

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