Aufführungsbesprechung Leipzig: Oberon von Carl Maria von Weber am 24. Dezember 1826 (Teil 2 von 4)

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Aus Leipzig.

(Fortsetzung.)

Am Meerufer finden wir die Geretteten wieder. Die Wellen locken und die Wimpel des Schiffes wehen. Quartett: „Ueber die blauen Wogen &c.“ das froh und hoffnungreich, wie ein Jubelruf des erwarteten Glückes ist. „An Bord! An Bord!“ tönt es Tutti und begrüßt jubelvoll Wellen und Wind.

Jetzt aber kommt der Kern der Handlung und mit ihr auch der Hauptstern des Tongewebes. Der Sturm hat die Liebenden mit vernichtendem Arme auf hoher See erfaßt. Puck, Oberons Diener, erscheint in einer kolossalen Felsenkluft zwischen Donner und Blitz, unter dem Donnertoben des Orchesters – das die Ton-Elemente alle in gewaltiger, aber klarer, imposanter Kraft entfaltet, und so ruft der Geist die Elementargeister auf, um die Bedrängten zu retten. – Arie mit Chor, von erschütternder, großartiger Wirkung von einem Effekte, zu dem die Mittel nur dem Componisten der Wolfschluchtscene des Freischützen zu Gebote stehen können. Höchst meisterhaft ist das Ineinanderfließen der Instrumentirung, des Gesanges in dies Toben der Elemente und so wieder zurück, gesetzt, überraschend und mit einer Consequenz sonder Gleichen fortgeführt, wo wir jetzt die stürmende See, wo die Elemente selbst rasen, wo die Kunst des Maschinisten und Decorateurs die höchste Täuschung erreicht hat, wo das Orchester immer noch charakterisirend fortströmt, als jetzt Hüon mit Rezia, dem Tode entronnen, auftreten; sie sinkt ohnmächtig nieder, es erfolgt Hüons Gebet in der rührendsten, feierlichsten Weise eines trefflichen Canon gehalten. Sie erwacht und läßt den Geliebten sich entfernen, um von einer Felsenhöhe nach einem Schiffe zu lugen; inzwischen zerfließen die schwarzen Wolken des Himmels und die Sonne geht im Hintergrunde unter. Recitativ mit Arie: „Ozean, du Ungeheuer.“ Hier erreicht auch die Dichtung die Höhe der Poesie und der in wechselnden Tonarten markirte Gesang schlingt sich ihr an in meisterhafter Identität. Sie erblickt ein Schiff, das durch die Wogen steuert, winkt mit dem Schleier und jubelt im wachsenden Tempo „Heil! Es ist ein Boot – ein Schiff!“ Aber es sind Seeräuber, die an’s Land treten; Hüon fliegt zu spät helfend herbei, die Wundergaben: Horn und Becher, sind verloren, er erliegt unter der Ueberzahl; während er für todt niederfällt, wird Rezia von den Piraten fortgeschleppt. Finale: Oberon kommt aus den Wolken, melodischer Gesang der Meermädchen, welche die Wellen durchschimmern. Droll bedeckt den ohnmächtigen Ritter ¦ mit Blumenfestons, um ihn im Traume nach Tunis zu schaffen. Duett zwischen Oberon und Puck: „Hieher, ihr Elfen all’ &c.“ Tanz der Elfen, dazwischen Chor der Meermädchen, meisterhaft abgerundetes Ensemble, und der zweite Akt ist beschlossen.

Rezia ist dem Emir von Tunis verkauft worden; hier treffen sie Scherasmin und Fatime, welche beide dem Haremsgarten vorstehen. In der ersten Scene singt Fatime die Arie: „Arabien! mein Heimathland!“ eine der glanzvollsten Piecen. Darauf folgt ein Duett zwischen ihr und Scherasmin, in welchem besonders die humoristische Seite auf das treffendste herausgehoben ist. Hüon erscheint nach ihrem Abgange, von Droll herbeigezaubert, und erwacht. Freudiges Wiederfinden; er erfährt Rezia’s unglückliches Loos; sie ersinnen Pläne zu ihrer Rettung; er muß sich in Sklavenkleider hüllen. Terzett: „So muß ich mich verstellen?“ herrlich instrumentirt und abgeschlossen. Scene im Harem: Der Emir schildert in gewählten Worten seine Liebesgluth für die neu erworbene Sklavin; sie erscheint auf seinen Befehl, er belauscht sie im Hintergrunde, sie singt ihre Cavatine: „Traure, mein Herz &c.“ die so ganz von dem Hauche ihrer Wehmuth, ihres endlosen Schmerzes angehaucht ist. Sie weist des Emirs Liebe zurück, doch er läßt ihr Bedenkzeit. Inzwischen hat die Favorite desselben, Koschana, die Neigung des Gebieters zu der Fremden mit Neid und Eifersucht gewahrt, und beschließt Rache. – Garten. – Hüon tritt auf und singt das schöne Rondo: „Ich juble in Glück und Hoffnung neu &c.“ Blumen und ein beschriebenes Blatt wurden ihm aus einem Fenster des Harems zugeworfen. Er soll in einem Boskett des Gartens erscheinen. – Die Geliebte hofft er dort zu finden und geht. – Prachtvoller Kiosk. Hüon kommt: es ist alles leer, dann entrollt sich der Vorhang des Hintergrundes und Roschana liegt reizend hingestreckt, von dämmerndem Rosenlicht umflossen, auf einer Ottomane, imposant im Reichthum der Gewänder und ihrer eigenen Schönheit. Sie tritt hervor: bestürmt ihn, sie zu rächen, den Emir zu tödten &c., der Chor tanzender Mädchen unterstützt ihr Gesuch bei dem Pflichtgesinnten; es liegt in diesem Chor und in Hüons Zwischengesange das entflammende, zitternde Gefühl der Aufregung, die weichste Melodie einer hinreißenden Gewalt, daß ich diese Stelle für eine der meisterlichsten, durchdrungensten des ganzen Tongebildes halte. Wie die Passagen hier durcheinander rauschen in Tanz und Spiel, wie sie ihn locken, während er mit Blumen umwunden wird, wie ein wahrhaft betäubender Rausch, eine unwiderstehliche Gewalt in ihnen lebt, dies liegt außer aller Beschreibung. (Die Forsetzung folgt.)

Editorial

Summary

Teil 2 von 4

Creation

Responsibilities

Übertragung
Bartlitz, Eveline

Tradition

  • Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 11, Nr. 18 (20. Januar 1827), pp. 72

    Commentary

    • Koschanarecte “Roschana”.

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