Aufführungsbesprechung Leipzig: Oberon von Carl Maria von Weber am 24. Dezember 1826 (Teil 1 von 4)

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Oberon, König der Elfen.
Große romantische Feenoper in 3 Aufzügen,
nach dem Englischen des Planché von Th. Hell.
Musik von Carl Maria v. Weber.

Der gestrige Tag sollte uns doppelt schön begrüßen. Einmal als heilige Nachfeier des hohen Geburtsfestes unsers vielgeliebtesten Vaters und Königs, wo die Millionen seiner Getreuen alle in Andacht und Rührung segnend, dankend und betend zum Himmel blicken, und wie der Tugend schönste Kränze um das heilige Greisenhaupt in vollkommenster Pracht strahlen, eben so die seligsten Thränen des Entzückens und der Liebe, als Perlen um die Stufen seines Thrones winden; und diesen hohen Tag der Wonnen sollte dann unsers großen landesgebornen Meisters hohes Lied, welches er gesungen, noch in seines Daseyns letzten Stunden liebend an Vaterland, König und Volk gedenkend: diesen Tag sollte Weber grüßen mit der Allgewalt seiner Töne, die ein Riesengeist geschaffen für eine Ewigkeit, sollte ihn grüßen zwischen Wehmuth und Jubel, zwischen Jauchzen und Thränen, des hohen Glückes der Gegenwart erinnernd und des großen Verlustes der letzten Zeit: und so geschah es!

Herr Stein sprach einen vom Hofrath Meth. Müller meisterhaft gedichteten Prolog, mit Einfachheit, Rührung und Wärme, so daß alle Herzen schon von dem Bedeutenden der Feier gewaltig angeregt in Jubel, Freudejauchzen, im wonneüberströmenden Lebehoch überflutheten und der donnernde dreifache Liebesgruß dem Vater des Vaterlandes, dem heiligen Greisenhaupte unsers Vaterhauses, dem Stern’ unsers Lebens galt.

Die Ouverture begann und mit ihr erschloß sich auch der reiche Strom der Melodieen, die der Meister in den frappantesten Abstufungen zwischen die Massen des Gesammten, Großen, die Idee des Nachfolgenden vorbildend, gewebt hat, und der Lichthimmel, das bunte fantastische Feenland, das In- und Durcheinandergreifen von Zauber und Wirklichkeit dämmerte auf, umstrickend bald mit liebesüßen Ketten der Töne, wie sie wahrhaftig nur den reinsten Geisterchören entflöten können, bald erfassend und in ahnungsvolles Grau’n, mächtiges Ergriffensein versetzend durch die Gewalt und den zuströmenden, durcheinanderfluthenden Gang der Passagen, zwischen dem immer wie ein himmlischer Stern, eine überirdische Blume der melodische Hauptgedanke, aufragt und Licht und Glut über Nacht und Wogendrang ergießt.

Gleich nach dem Aufrollen des Vorhanges entzückte schon der über alle Beschreibung schöne Chor der Elfen, die von Oberon’s Schlummer singen. Prachtvoll gewählt war hiebei Decoration, Costume und Gruppirung; das Staunen und Ergriffenseyn des Publikums äußerte sich durch eine lautlose Stille, kein Athemzug bewegte die Masse von Tausenden. Höchst imposant folgt darauf Oberon’s Arie: „Schreckens Schwur! Dein wildes Quälen!“ Es ist nicht der Knabe Oberon, wie ihn Wieland zeichnete: es ist der hohe König der Elfen in männlicher Kraft und Größe, so wie seine dienende[n] Geister, Puck und Droll, Shakespeare’s Sommernachttraum entnommen. Wie höchst überraschend ist gleich darauf nicht Rezia’s Er¦scheinung zwischen Wolken in der magischen Beleuchtung ihrer Laube, wie wunderreizend ihre Arie, welche Bild und Seele vergegenwärtigend in Hüon’s Traume tönt. Dieser erwacht von Oberon’s Lilienstabe berührt und wie die Zaubergestalten des Schlummers noch an und in ihm vorüberziehend mit magischer Gewalt Liebe und Sehnsucht wecken, so grüßt ihn der Feenchor: „Ehre und Heil dem, der treu ist und brav“ &c. und erregt mächtig den Ritter. Er empfängt Hüon’s Geschenke und den ruhmwürdigen Auftrag; die Wolken des Hintergrundes verschwimmen und Bagdad liegt in malerischer Perspective vor des Staunenden Blicken, der die Ueberraschung ausdrückt in dem seelenvoll gezeichneten Gesange: „Kann ich meinen Auen trauen?“ &c. Zwischen Tanz und Melodieen entschwebt der Geisterkönig auf seinem Schwanenwagen; den Paladin, der inzwischen Babekan, Rezia’s gehaßter Bräutigam, vor einem Löwen gerettet, schützt das Zauberhorn gegen den Zorn des Undankbaren, dessen Lippen sich verbrannten an Scherasmin’s Zauberbecher, welchen dieser zur Labung gereicht. Nach dem Scenen-Wechsel erscheinen unsere Helden wieder in einem Hause nahe vor Bagdad. Ein herrlicher Sing- und Jubelmarsch tönt hinter der Scene zu Hüon’s Arie: „Von Jugend auf im Kampfgefild’“ &c. Wie meisterhaft hat hier nicht der Componist die Abstufung des Großen, Ernsten, der Ring- und Kampflust in die selige Vorahnung eines neuen Daseyns, der schönsten Liebe süße Sehnsucht („Süß’ wie des Abends Wehen“ &c.) aufgelös’t.

Im Garten des Harems, wo der Mond auf Weiher und Gebüschen sich wiegt, erblicken wir nun Rezia, des Kalifen Tochter, mit ihrer Sklavin Fatime. Auch sie singt der schönsten Leidenschaft Sehnsucht und Vorgefühl; denn auch ihr erschien im Traume des schönen Ritters Bild, der Liebe gebend, Rettung bringend, nahen soll: und er nahet. Fatime verkündet es, und die Entzückung verschmilzt in einem seelenvollen Duo, welches ebenso die großartigen Corden der Virtuosität für die kühnsten Striche der Charakteristik, als das unnennbar weichste Ineinanderklingen der Gefühlmomente zum trefflichen Finale verkettet; dazwischen hallt der dumpfe Chor der Serailwache: „Dunkel ist es schon und spät“ &c., Rezia jubelt noch einmal: „Seele, froh in Jubelklängen“ &c. und der Vorhang fällt, während der Beifall brausend und donnernd hervorbricht, der schon nach jedem Musikstücke überströmend zwischen die Handlung und den überschwenglichen Gesammteindruck des Ganzen sich stürzte.

Gleichmäßig beginnt der zweite Aufzug mit einem Sklavenchor. Auch hier ist in Decoration und Draperie das Höchste gethan; das Land der Wirklichkeit gränzt täuschend an das der Zauberei. Der Kalife sitzt im Saale mit Babekan, seinem Eidam, rings umher die große Dienerschaar; sie singen ernst und gemessen wie in orientalischer Feierlichkeit und Pracht: „Ehre sei dem großen Kalifen und Preis!“ – Rezia erscheint nun auf seinen Befehl, um Babekan’s Hand zu erhalten und durch die Schaaren der Wache stürzt Hüon mit Scherasmin zu ihrer Rettung herbei, das Wunderhorn äußert wieder seine Kraft, und von Scherasmin’s Hand fällt der syrische Prinz. Die Verheißungen sind gelös’t, auch Fatime folgt der geliebten Herrin und dem Knappen des Ritters. Sie singt nun die schöne, gediegene Arie: „Arabiens einsames Kind“ &c. (Die Fortsetzung folgt.)

Apparat

Zusammenfassung

Teil 1 von 4

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Ziegler, Frank

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 11, Nr. 17 (19. Januar 1827), S. 68

Textkonstitution

  • „landesgebornen“sic!

Einzelstellenerläuterung

  • Hüon’srecte „Oberons“.

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