Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Berlin, Freitag, 14. Juni und Sonnabend, 15. Juni 1816 (Folge 1, Nr. 3)

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Mein guter geliebter Muks!

Dein armer Carl ist so gehezt, und jeden Augenblik so umlagert, daß er kaum ein paar Augenblikke zu seiner Erholung und Erquikung, nehmlich mit seiner geliebten Lina zu plaudern, erhaschen kann. Vor allem mein gutes theures Leben laß dir für deinen lieben lieben Brief vom 7t und 8t huj: danken. Er hat mich unendlich gerührt, und wehmüthig froh gemacht. Gott erhalte dich in dieser Stimmung, bei diesen Vorsäzzen, Ansichten, Vertrauen und Glauben. dann wird uns gewiß einst eine heitere sorgenlose Zukunft winken. Nur in deinen Armen hoffe ich das Glük meines Lebens zu finden, und dadurch dann hoffentlich auch das deine zu gründen ist gewiß mein innigstes Bestreben, um dieses alles aber gewiß zu erlangen wird dein Streben nach Charakter Festigkeit und handlen nach reiner Ueberzeugung, nicht leidenschaftlicher Aufwallung, – einzig und allein den Grundstein unseres Glükes wahrhaft legen können. Deine so liebevollen Äußerungen über mich muß ich mit Stillschweigen übergehen da sie mich wirklich fast beschämen, da ich mich troz des besten Willens doch mancher Härte schuldig weis. – Ich habe gestern eine recht wohlthätige Stunde mit der guten Koch von dir verplaudert ehe wir nach Pankow fuhren, wo ich die armen Eltern Jettchens Jordans besuchte. das war ein trüber weicher Tag. der Abend desto heiterer in einem Musikalischen Kreise, bey Weiß*, die das hübsche Geldbeutelchen mir schikte von Hamburg und nun wieder hier etablirt ist. — nu nu! nur nicht eifersüchtig!! ist nirgends Gefahr.      siehst du?!!

d: 11t wo ich mein[en] Brief No: 2 an dich abschikte hatte ich mich so verspätet daß ich keine weiteren Visiten mehr machen konnte, sondern in meinem Staatswagen nur noch den Brief auf die Post mit allem Glanz selbst brachte. ich dachte mir dabey wie du lachen würdest wenn du mich so sähest und das wüßtest. die Vorstellung des Oedip war im Ganzen genommen herrlich. dann beim Staatsrath Jordan große Gesellschaft. ich mußte spielen und schien den Leuten zu gefallen. d: 12t kam um 7 Uhr schon mein Verleger zu mir, und um 9 Uhr gings wieder zum König pp —      Abends ½ 7 Uhr So weit war ich vor Tisch als ich zur Gesellschaft gerufen wurde, und von ½ 4 Uhr bis jezt an einer großen Tafel aushalten muste, jezt habe ich mich weggestohlen, um meinem lieben Mukkel beim Leuchten fürchterlicher Blizze und dem Rollen des Donners zu schreiben und meinen Bericht fortzusezzen, bis mich der Wagen in die Gesellschaft bey Lichtenstein abholt. – also d: 12t unter 1000 langweiligen Visiten und Besorgungen, war auch die sehr intereßante Bekanntschaft Hoffmanns des Verfaßers der FantasieStükke, Hau hau trau au au !!      Es ist wahr daß aus diesem Gesicht ein wahrhaft kleines Teufelchen heraussieht. er hat ein neues Werk geschrieben des Teufels Elixire, wovon er mir den ersten Theil mitgab, ich habe aber noch nicht Zeit gefunden eine Sylbe davon zu lesen. dann hatte ich eine lange Unterredung mit dem Grafen Brühl, wo er vielerley zu seiner Entschuldigung wegen mir vorbrachteT, und endlich von dir viel die Rede war. Nachdem ich | gehörig über dich losgezogen hatte, so kamen wir über folgende Bedingungen für dich überein*.      du spielst 6 Rollen und bekömst für jede 10 Louisdor. ich glaube H: von Muks kann damit zufrieden sein, und dem Comissionär bey der Zurükkunft noch einige gute Bußen extra geben. Nachtische war Seidlers Concert in dem er das Unglük hatte, ohnmächtig zu werden*.      Abends Gesellschaft bey Gabains.      nach so einer Gesellschaft die gewöhnlich bis 1-2 Uhr dauert, ist es kein Spaß wieder in den Thiergarten zu gehen*, was ohngefähr so weit ist als von der Kleinseite in Liebichs Garten.

d: 13t als Gestern, nebst Visiten, Besorgungen ppp nach Pankow und Abends bey Weiss wie ich vorher bemerkte.      von heute d: 14t weißt du auch schon was bis jezt geschehen ist.      Meine Gesundheit ist bewundernswürdig gut, und ich kann weder über Kopf noch Magen klagen, desto mehr aber über das Ding das zwischen beyden klopft, und das manchmals vor Sehnsucht aus dem Kasten herausspringen möchte. übrigens geht es mir sehr gut. die Achtung und Verehrung die ich von allen Seiten genieße ist wahrhaft groß, und die Prager Damen würden sich sehr sehr wundern wenn sie sähen wie man hier einen Künstler ehrt, welches manchmal so weit geht daß es in Verlegenheit sezt. so darf ich Z: B: bey denen Soupeès nichts wünschen, oder einen Teller wegsezzen wollen, wo nicht alles fliegt mich zu bedienen, und sich jedes ein Vergnügen daraus macht einem die kleinsten Dienste zu leisten.

Auf diesen Brief wirst du mir hieher nicht mehr antworten können, sondern nach Carlsbad poste restant.      Morgen fangen meine Proben an. und dann so bald als möglich nach Carlsbad, und dann – heim, und – kuscheln.

     

jezt gute Nacht geliebte Seele sey fortdauernd brav, und gesund ditt und fett. die Mutter grüße ich bestens und danke für den VerhaltungsZettel. auch an Freund Apitz alles Schöne.      Morgen ein weiteres. Gute gute Nacht, mein theures Leben, ewig dein dich treu liebendster Carl.

d: 15t Nachmittags.      Müde und matt nur noch 2 Worte, ehe ich den Brief abschikke. Gestern habe ich einen recht schönen Abend bey Lichtenstein verlebt meine Cantate gemacht pp bis ½ 2 Uhr. dann blieb ich gleich bey ihm übernacht. um 9 Uhr fiengen meine Proben heute an, die abwechselnd bis 3 Uhr gedauert haben, dann bin ich nur herausgegangen um diesen Brief an meinen geliebten Muks abzusenden, bin tüchtig naß und matt und abgesponnen, trage ihn jezt auf die Post. und bin dann Abends bey Hoffmann.      Ach könnte ich mich doch so unsichtbar einpakken und zu dir fliegen, ich habe oft gar eine unüberwindliche Sehnsucht nach meiner geliebten Lina.

Nun Gott erhalte dich gesund und froh, künftigen Dienstag d: 18t mögest du mir den Daumen halten*. damit ich für Reise Sorge und Plage wenigstens die Freude habe daß es gut geht. ich küße dich Millionenmal, theures geliebtes Wesen. Ewig dein unveränderlich treuer Carl.

Editorial

Summary

Tagebuch 11.–15. Juni; gesellschaftliche Aktivitäten in Berlin (Bekanntschaft mit E.T.A. Hoffmann); berichtet über ein Gespräch mit Brühl wegen Engagement Caroline Brandts nach Berlin

Incipit

Dein armer Carl ist so gehezt, und jeden Augenblik

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Mus. ep. C. M. v. Weber 64

    Physical Description

    Corresponding sources

    • Worbs 1982, S. 75–77
    • Muks, S. 227–231

Text Constitution

  • “abwechselnd”uncertain transcription

Commentary

  • “… einem Musikalischen Kreise, bey Weiß”Zur Gesellschaft beim Ehepaar Weiß vgl. auch den Tagebucheintrag.
  • “… folgende Bedingungen für dich überein”Zur Gastspielanfrage vgl. Webers Brief vom 30. Dezember 1815.
  • “… Unglük hatte, ohnmächtig zu werden”Zum Konzert im Konzertsaal des Schauspielhauses vgl. das Programm in der Anzeige in den Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen 1816, Nr. 70 (11. Juni) sowie den Bericht in AmZ, Jg. 18, Nr. 29 (17. Juli 1816), Sp. 497f.
  • “… in den Thiergarten zu gehen”Weber wohnte in der Beer’schen Villa im Tiergarten.
  • “… du mir den Daumen halten”Am 18. Juni 1816 führte Weber seine Kantate Kampf und Sieg aufT.

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