Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Dresden
Berlin, Samstag, 30. November 1816 (Folge 2, Nr. 5)

Back

Show markers in text

Absolute Chronology

Preceding

Following


Direct Context

Preceding

Following

Mein vielgeliebter MukenKönigsKönig.

Heute nur in Eile wenig Worte, als Lebens – Gesundheits und Arbeits Zeichen. Es ist der lezte Tag im Monat, und also Morgen der gefürchtete 1. Xber dem ich, Gott sei dafür gelobt und gedankt, ruhig ins Angesicht sehen kann, denn ich bin bis auf unbedeutende Kleinigkeiten ganz fertig*. Fange also nun die beiden versprochenen Arien an, einige Rezensionen* pp und laufe alle Nachmittage und auch von 1–2 Uhr herum um weitere EmpfehlungsBriefe zu sammeln, und meine Reise möglichst gut vorzubereiten, denn ich sehe wohl daß man das gewiße für das ungewiße vor der Hand nehmen muß.      Auch die Bewegung wird mir gut thun, denn ich bin von dem vielen Sizzen und angestrengten Denken ganz düster im Kopf geworden, aber frohen Herzens und voll guter Hoffnung und Muth für die Zukunft.      Ich war fast unschlüßig ob ich dir heute noch nach Dresden schreiben solle, aber ich wollte es doch lieber thun, da es doch möglich ist daß du den Dienstag noch da bist. Den nächsten Posttag muß ich nun schon wieder nach dem alten Loß, Prag genannt, die Briefe adreßiren.      Es ist seltsam daß ich so gar nichts von da höre, kein Apiz, kein Jungh, Niemand schreibt. Auch meine übrigen Corresponde[n]ten sind wie todt, es ist aber auch gut, denn jezt hätte ich doch Niemandem geantwortet, und schreibe ich Ihnen so bin ich offenbar im Vortheil, was mir beim Briefwechsel selten geschieht, außer mit einem gewißen Schneefuß.

Wie geht es dir denn mein geliebtes Leben? ich bin immer bey dir, und manchmal must Du meine Geistige Nähe fühlen. Nachmittag hoffe ich Nachricht von dir zu erhalten und freue mich schon kindisch darauf, will auch diesen Brief nicht eher schließen, um dir recht brühwarm antworten zu können. Lauska war heute Morgen bei mir, und grüßt dich, der arme Teufel geht ganz zerstört umher*, und wir jammern was rechtes zusammen.      d: 28t habe ich bis 10 Uhr Abends geschrieben. Gestern bis 8 Uhr, dann gieng ich mit Lichtensteins zu Brose, zum Thee, Ball und Souppé. fand da Wollank und sezte mich mit ihm in eine Ekke, wo wir bis 11 Uhr plauderten, dann zu Tische giengen, und endlich um ½ 2 Uhr in Bett. deine Gesundheit wurde fleißig getrunken, und viel von Dir gepapßt.      Jezt wünsche ich dir guten Appetit, Muks, es ist gleich Eßenszeit und ich muß mich noch rasiren pp freße heute mit Lichtenstein in der Gesezlosen Gesellschaft. wollt es wäre schon vorbey und hätte einen Brief von Lina. ich küße Dich 1000mal. —      Abends.      Da ist ja Gottes Seegen in Fülle, ein Brief vom guten Muks, einer von Jungh mit fröhlicher Botschaft, den ich hier beischließe und zurükerbitte, und 1 von Rochliz. mit Leipzig ist es nichts*. Nun muß ich aber noch geschwind mit dir zanken, /: was aber leider nur kurz ausfallen kann, weil die Post geht :/ erstlich, ist etwas trübe gestimmt der arme Schneefuß, 2t aber, i Du Schlingel und schlechter Hund, Meine einzige wahre Freude, meine Stärkung, mein Trost, soll ich zu lang finden, und etwa gar nicht lesen? Was sind das für dumme RedensArten, die kann wohl allenfalls ein Komplimenten Schneider seinem Herrn Mäzén machen, aber Muks mir!!! nun warte nur, Haue und in Bett. – Schreibe ich denn etwa weniger? und wie viel | würde ich erst schreiben, wenn ich nicht so unmenschlich in der Arbeit stäke. also – bleibt es bei der Haue. – Der Schluß deines lieben Briefes ist wieder heiterer, und beruhigte mich wieder. was den Ring betrifft lieber Muks so ist jeder gelöthet, und ich hoffe er wird halten, was aber meine Liebe betrifft so wird es wohl keinen Ring geben, und sei er so stark daß man Berge daran aufhängen könnte, der  meine sie würdig und in ihrem ganzen Umfange Sinnbildlich darstellte.      Ett und Bußen werden dir ehrlichst aufgehoben und darf ich mit reinem Herzen dich einst Schnuffeln laßen.

Das Gleiche hoffe ich von deinem lieben Herzel, und daß du durchaus brav bist. daß ihr noch nicht gezankt habt, ist schon ein sehr gutes Zeichen, Gott erhalte es dabey.

Nun muß ich schließen und hätte dir doch noch so viel zu sagen, aber wann habe ich das auch nicht.      Alle Bekannten und Freunde grüßen, an Kystings werde ich ausrichten.      Gott erhalte dich heiter und froh und Gesund, und behalte lieb deinen Dich über alles so innigst liebenden treuen Carl.

alles Schöne an die Mutter, Freund Schmidl und Paßy.
Gott schenke Dir glükliches Wetter zur Reise
ich mache Dir von Herzen *.

Editorial

Summary

teilt mit, dass seine Kompositionen für Schlesinger fertig seien; Reisevorbereitungen; Tagebuch 28.-30. Nov.; die Aussicht auf eine Anstellung in Leipzig habe sich zerschlagen; Privates

Incipit

Heute nur in Eile wenig Worte

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Weberiana Cl. II A a 1, Nr. 22

    Physical Description

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)

    Provenance

    • vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403

    Corresponding sources

    • Muks, S. 263–266

Thematic Commentaries

Text Constitution

  • “meine”crossed out
  • s“S” overwritten with “s

Commentary

  • “… auf unbedeutende Kleinigkeiten ganz fertig”In dem mit Schlesinger am 29. Juni 1816 abgeschlossenen Vertrag war als Ablieferungstermin der Werke der 1. Dezember 1816 vereinbart.
  • “… versprochenen Arien an, einige Rezensionen”Aus diesem Zeitraum sind keine Rezensionen Webers nachweisbar. Weber meint vermutlich die etwas später entstandene Besprechung der Oper Undine.
  • “… Teufel geht ganz zerstört umher”Auch Lauskas Frau war nach Dresden abgereist; vgl. Webers Briefe vom 21. November und 9. Dezember 1816.
  • “… mit Leipzig ist es nichts”Zum Angebot an Weber, die musikalische Leitung der Leipziger Oper zu übernehmen, vgl. die Tagebuchnotiz vom 11. Juli 1816 sowie die Briefe an Gänsbacher vom 4. August 1816 und an Gottfried Weber vom 17. September 1816. Weber hatte sich trotz seiner ursprünglichen Ablehnung im Brief an Rochlitz vom 22. November nochmals nach dem Stand der Dinge in Leipzig erkundigt.

    XML

    If you've spotted some error or inaccurateness please do not hesitate to inform us via bugs [@] weber-gesamtausgabe.de.