Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Berlin, Sonntag, 5. Januar bis Dienstag, 7. Januar 1817 (Nr. 16)

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Mein geliebter Muks!

Nachdem ich mich Gestern bey Reks lange aufgehalten, und den Abend noch etwas mit zu Krauses gegangen war, fand ich deinen lieben Brief No: 15 vom 29t und 30t Xb 1816.

Du guter Kerl, schreibst an 2 Orte zugleich damit ich ja nicht in Sorgen sein darf, habe 1000 Dank dafür.     Aber du närrischer Muks was machst du für confuse Rechnungen, erst mustest du doch warten, bis du von mir erfuhrst daß die Sache abgemacht sei*, denn so bestimmt konnten es Schmidels doch nicht wißen, und du auch nicht wie lange ich noch hier bleiben müste. Nun muß ich also 8 Tage ohne Briefe und Nachricht von meinem geliebten Muks sein; daran bin ich aber selbst Schuld denn in No: 13t den du ein paar Tage nach Absendung deines No: 15 wirst erhalten haben gab ich dir ja schon die Anweisung nach Dresden. Ich sezze mich jezt auch gleich hin, und schreibe an den Englischen Gesandten, an dem immer noch die Verzögerung wegen meiner Kantate liegt*, und habe ich das so expedire ich es gleich, und reise Sonnabend d: 11t ab, so kann ich doch heute über 8 Tage die Briefe meines geliebten Muks lesen und mich daran ergözen. Du bist wohl recht traurig daß aus meiner weitern Reise* nichts geworden ist? ich sehe dir den Kummer darüber an, du Spißbub.     Ja, was hätte ich darum gegeben wenn ich deine Freude hätte sehen können – – – Geduld – – Die Konfußion in Prag* kann ich mir denken. Wie steht es denn mit deinem Benefiçe und überhaupt mit deinen Geschäften? davon sprichst du ja gar nichts. schiebe es nicht auf die lange Bank, du must deinen Jahresschluß jezt machen, sonst kömt am Ende zu viel zusammen, und du hast dann das Nachlaufen, besonders wenn du weggehst. ich bitte dich sei nicht so saumselig in solchen Dingen.     Nun muß ich an den Gesandten schreiben.

Küß also die Hand meinem geliebten Schneefuß, und gebe ihm einen guten frisch rasirten Buß.     Puntum! – .

Ich sizze da mitten in der Arbeit, was komt? Briefe. woher? von Dresden. Das hat der Schmidl gut gemacht, und soll ihm deßhalb manches verziehen sein, da er von Graf Vizthum wuste daß ich erst in der Hälfte des Monates hinkäme so hat er mir noch hieher deine lieben Briefe No: 14 und 16 geschikt, und mir dadurch eine unendliche Freude gemacht, die ich hier nicht mehr erwartet hätte. Laß dich recht abbußen du gutes Vies, hast mich nun ganz eingeholt mit den Briefen, und werde ich dir einmal 2 zugleich schreiben müßen, um wieder vor zu komen.     Du bist so brav, Nun!      Schmidl bietet mir sehr dringend an bei ihm zu wohnen, vor der Hand, ich werde es aber nicht annehmen, denn ich mag nicht genirt sein, und liebe auch die gar große Vertraulichkeit nicht.     –     Ja mein geliebter Muks, das ist gewiß meine gröste Freude, daß du dich so freuest, und heiter und glüklich bist, woraus denn auch unmittelbar mein Glük entspringt. Ich werde Dich aber schon beim Wort halten, du versprichst, mir keine trübe Stunde zu machen, und ich werde sehen, wie du das anfangen wirst, ich werde so grämlich und bißig sein, und immer brum brum machen wie ein alter Bär.     Uebrigens sei nur ganz ruhig wegen mir, ich bin auf alles in Dresden gefaßt, und dann wird es am Ende nicht so arg sein als man sich vorstellt.

Brav meine liebe Köchin, koche nur brav zu, sollst auch Gotteslohn dafür haben.     Ueber die Rolle der Undine brauch ich dir nichts zu sagen, du wirst | sie allein am besten, und beßer als die Eunike treffen*. was die Anzeige* betrifft, will ich einiges von Dresden aus, schreiben. jezt habe ich dazu keine Zeit, so wie ich auch heute leider gar nicht ordentlich mit dir pabsen kann, denn du weist wie sich alles in den lezten Augenbliken häuft. Gestern und Vorgestern habe ich ein paar komische Volkslieder comp:* Gestern Mittag bey Pölchau mit Wollanks und Abends bey Hoffmann. Wenn es nach denen Gesundheiten geht, die von dir getrunken werden, so must du eine dreidräthige Gesundheit haben. Die Stühle sind noch nicht angefangen, aber jezt kaufe ich das Zeug dazu.

Nun adje Muks, Nachtische noch ein Duzzend Millionen Bußen, und dann fort mit dem Kerl auf die Post.

Prost Mahlzeit, Muks. hast du tüchtig gefreßt? ich nicht sonderlich, habe einen tüchtigen Schnupfen von dem elenden Regen und Schlakkerwetter, wird schlechte Wege geben. Habe auch Briefe aus München, Bärmann wird mit der Harlas im Aprill nach Prag und Dresden kommen*, daß du hübsch freundlich bist, und dir zeigen läßt wie man gute Pipi bratet.     Es bleibt bei meiner Abreise d: 11t Samstag. und wenn du diesen Brief erhältst bin ich wohl schon in Dresden und dir um 22 Meilen näher.     Die werden schön über mich herfallen, und jeder sich empfehlen pp.

ich hoffe viele Zeit zum arbeiten zu haben, denn die Gesellschaften werden mich nicht plagen, auch werde ich nicht viel Bekanntschaften suchen, und mich hübsch zu Hause halten. Habe viel, viel vor. Wenn ich einmal denke ich hab ein recht Stük weggearbeitet, so geht’s immer wieder toller von vorne an. hab schon nit eher Ruh als im Grab Loß, wollen aber doch ein paar hundert Jahre in der Unruhe verbleiben, und lustig sein.      Du klagst über Theurung?      hier nimmt sie auch täglich zu, und in Dresden ist ebenfalls alles sehr gestiegen.     Mit dem Roßerle ist’s niz*, und wir werden uns ganz knapp behelfen müßen, zumal da wir doch was abgeben müßen*.      Nun, es wird schon gehen, und ist mir gar nicht bange, ich werde brav arbeiten, und Lina gut haushalten, und alles so vernünftig ökonomisch einrichten, daß wir nicht viel brauchen und doch honett leben.     Wenn ich während meines jezigen Solo Lebens so viel ersparen könnte als unsre Einrichtung kostet, das wäre herrlich. Werde ja sehen wies geht, müßen halt nicht zu viel Austern eßen, und hübsch zu Hause bleiben, das ist das wohlfeilste Vergnügen.

Nun geliebter Mukkel, Gott befohlen, ich muß schließen. bleibe gesund heiter, sparsam und fleißig. Grüße mir meine guten Junghs, und deine Mutter aufs beste, und behalte lieb deinen dich unveränderlich über alles liebenden treuen Carl.

Editorial

Summary

Privates; will an den engl. Gesandten schreiben, an dem die Verzögerung seiner Kantate läge u. am 11. abreisen; erkundigt sich nach Carolines Benefiz, mahnt sie zum Jahresabschluss; am 7.: Schmidl habe ihm Unterkunft angeboten, die er aber ablehnt; erwähnt Caroline als Undine; hat kom. Volkslieder komponiert; erwähnt Bärmanns geplanten Besuch; er hofft zur Erledigung vieler Arbeiten zu kommen; über ihre wirtschaftl. Verhältnisse

Incipit

Nachdem ich mich Gestern bei Reks

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Weberiana Cl. II A a 2, 2

    Physical Description

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)
    • am unteren Rand der Versoseite von F. W. Jähns mit Tinte: “Carl Maria von Weber an seine Braut, eigenhändig.”

    Provenance

    • vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403

Text Constitution

  • 5“4” overwritten with “5
  • ja“schon” overwritten with “ja

Commentary

  • “… daß die Sache abgemacht sei”Gemeint ist seine Anstellung in Dresden, über die er in den vorausgehenden Briefen berichtetet hatte.
  • “… Verzögerung wegen meiner Kantate liegt”Schon im April 1816 hatte Weber eine Kopie seiner Kantate für England anfertigen lassen und an den englischen Prinzregenten versandt (vgl. TB 11., 15. u. 16. April). Am 28. Juni war er Gast beim Englischen Gesandten in Berlin und gab dann am 1. Juli dort eine englische Übersetzung in Auftrag (vgl. TB). Diese Arbeit scheint sich aber verzögert zu haben, denn Weber erwähnt die noch nicht fertiggestellte englische Textunterlegung im Brief an Caroline vom 30./31. Dezember 1816.
  • “… daß aus meiner weitern Reise”Ursprünglich hatte Weber den Plan von Berlin aus weiter nach Hamburg und Kopenhagen, eventuell auch nach England (und sogar Italien) zu reisen; vgl. z. B. Brief vom 2. April 1816 an Fr. Koch oder Brief vom 24. April 1816 an Gottfried Weber. Der Ruf nach Dresden beendete diese Pläne.
  • “… – Die Konfußion in Prag”Nach dem Tod des Theaterdirektors Liebich wurde am 24. März 1817 dessen Frau offiziell die Direktion übertragen; vgl. die Abend-Zeitung vom 15. April 1817. Bis dahin führte sie die Geschäfte interimistisch.
  • “… beßer als die Eunike treffen”Johanna Eunicke war in der Rolle der Undine in der Uraufführung von E. T. A. Hoffmanns gleichnamiger Oper am 3. August 1816 im Königlichen Schauspielhaus Berlin aufgetreten. Eine möglicherweise geplante Einstudierung in Prag mit Caroline Brandt in der Titelrolle kam nicht zustande; vgl. dazu auch Webers Brief an seine Braut vom 10./11. Juli 1817.
  • “… treffen . was die Anzeige”Weber hatte laut TB am 24. Dezember die Noten von E. T. A. Hoffmanns Undine erhalten und begann bereits am nächsten Tag mit der Arbeit an seiner Besprechung des Werkes, die am 8. Januar fertig, aber erst am 20. Februar an Rochlitz übersandt wurde (vgl. Schriften).
  • “… ein paar komische Volkslieder comp:”Vgl. TB 5. und 6. Januar 1817.
  • “… nach Prag und Dresden kommen”Der geplante Besuch von Heinrich Baermann und Helene Harlas in Dresden kam erst 1818 zustande, als die beiden auf der Reise nach und von Berlin in Dresden Station machten; vgl. TB 20. Juni und 31. Juli 1818.
  • “… Mit dem Roßerle ist's niz”Eigene Pferde kaufte Weber erst 1822/24; vgl. den ThemenkommentarT.
  • “… wir doch was abgeben müßen”Gemeint ist wohl die finanzielle Unterstützung von Carolines Mutter.

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