Carl Maria von Weber an Gaspare Spontini in Berlin
Dresden, Donnerstag, 7. Februar 1822

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Wohlgebohrner Herr GeneralDirector und Ritter!
Hochgeehrtester Herr und Freund!

Ihrem Wunsche gemäß habe ich Ihr geehrtes Schreiben vom 12t Jan: Herrn Geh: Rath von Könneritz zugestellt; und bemerklich gemacht wie höchst unangenehm besonders mir die Verzögerung seines schreibens an Sie, sein mußte.

Ehe ich zur Beantwortung der andern Punkte Ihres Briefes schreite, erlauben Sie mir, ein offenes treu gemeintes Wort zu sprechen. Man muß Ihnen meine Briefe nicht gut übersezzen! Es herrscht in dem Ihrigen eine gereizte Empfindlichkeit, ein Mißtrauen in meine Aufrichtigkeit, die nur zu sehr mit den übrigen freundlichen Dingen die Sie die Güte haben mir zu sagen, kontrastirt.      Mein theurer, hochverehrter Herr und Freund!, laßen Sie diesen verstimmenden Ton nicht unter uns Plaz greiffen. Unsre beiderseitige Stellung ist von der Art, daß wir es nicht nöthig haben einander Schmeichelhaftes zu sagen, wenn wir es nicht auch so fühlen.      Sie sind ein weltberühmter Mann, ein von einem großen Monarchen mit Recht hochgefeyerter und geliebter Künstler, der einen großen Wirkungskreis frei beherrscht.      Was mich betrifft, so habe ich Gelegenheit gehabt meine wahrhafte Zuneigung zu Ihren Werken durch die That zu beweisen, ehe ich die Ehre Ihrer persönlichen Bekanntschaft genoß.      Ich habe 1813 in Prag, mit Cortez die Oper eröffnet. die Vestalin neu in Szene gesezt*, und von den Einschiebseln und Verkürzungen mit der Sorgfalt und Achtung gereiniget, die man einem solchen Werke schuldig ist.      Eben so, hier in Dresden kurz nach meiner Ankunft*. |

Warum sollte ich also jezt blos Theilnahme zu haben scheinen? Ich kenne keine äußere Veranlaßung die mich bestimmen könnte ein Intereße zu heucheln das meinem Innern fremd wäre.

Sie bedürfen meiner gar nicht: ich, hege die Ueberzeugung von Ihnen, daß Sie selbst wenn Sie mein Feind wären, nicht der Aufführung meiner Arbeiten hinderlich sein würden.      Also, laßen Sie uns vertrauungsvoll mit einander handeln, und nehmen Sie freundlich auf, was ich aus Grund des Herzens Ihnen hier sagen mußte.

Es giebt der kleinlichen Quälereyen auf der Künstlerlaufbahn ohnedieß genug, wir wollen uns das Leben nicht noch mehr verbittern.      Und nun zu Ihrem Briefe.

Ich glaube nicht daß mein zweiter Brief dem ersten wiedersprechen sollte.      Es ist natürlich, daß, je mehr man wünscht eine Sache so gut als möglich zu geben, man nicht ganz frey von einer gewißen Ängstlichkeit in der Wahl der Mittel ist; weil man sich nichts vorzuwerfen haben will, und der Komponist nicht soll sagen können, so und so wäre es beßer gewesen.

Die Spaltung unserer Kräfte in deutsche und italienische Oper, führt dieses mehr noch als anderswo herbei.

Cantù wird höher gestellt, und ist kräftiger als Bergmann. Demohngeachtet eignet er sich mehr zum kolorirten als deklamatorischen Gesang. die Schwierigkeiten die ich Ihnen vorzähle, sollen Sie nicht zu dem Glauben bringen daß das Werk nicht gegeben werden solle, sondern Ihnen vielmehr beweisen, daß ich die Sache von allen Seiten betrachte, um das Vortheilhafteste heraus zu finden. |

Was die Uebersezzung betrifft*, thut es mir leid daß H. Valentini weder Zeit noch Musikkenntniß, noch Sie Lust, haben es unter Ihrer Aufsicht geschehen zu laßen.

H: Montucci hat wohl Opern itali: gedichtet, aber keine übersezt, welches ein großer Unterschied ist. H: Wagner aber ist der Musik und der Sprachen mächtig, hat dieß schon bewiesen, durch die Vestalin und Cortez*, und es ist also wohl natürlich daß man zuerst an ihn denkt.

Die Errichtung einer ital: Oper in Wien ist noch ungewiß, und überhaupt dieser Tausch eine Nebensache. Was die Stimmung des Publikums in Dresden, für Ihre Musik betrifft, so kann die seit einer Reihe von Jahren stets gleich warme Theilnahme deßelben an Ihrer Vestalin und Cortez wohl beweisen, daß es diese Gattung zu schätzen weiß.

Die Königl: Kapelle dankt Ihnen hiemit achtungsvollst durch mich für die Erlaubniß die Ouv: der Olimpia aufführen zu dürfen. Sie wurde den 1t Februar gegeben*. ich wohnte den Proben bei*, und das Publikum zollte den rauschenden Beifall, der diesem feurigen Strome überall folgen muß.

Genehmigen Sie die wiederholten Versicherungen meiner vorzüglichen Achtung und Freundschaft, und glauben Sie mich stets Ihren
wahrhaft ergebenen
CMvWeber

Editorial

Summary

bezeugt Spontini seinen guten Willen und schildert ihm die Schwierigkeiten, die der Aufführung der Olympia in Dresden noch im Wege stehen; erwähnt geplante Errichtung einer italienischen Oper in Wien, Aufführung der Ouvertüre zur Olympia in Dresden und Spontinis Ansehen beim Dresdner Publikum

Incipit

Ihrem Wunsche gemäß habe ich Ihr geehrtes Schreiben

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: London (GB), The British Library (GB-Lbl)
    Shelf mark: MS. Add. 33.965, f. 342–343

    Physical Description

    • 2 Bl. (3 b. S. o. Adr.)

    Corresponding sources

    • Shedlock, J.S.: “Letters from Weber to the Abbé Vogler and to Spontini” in: Studies in Music by Various Authors. New York 1901, S. 247–250 (in Englisch)

    Commentary

    • “… Vestalin neu in Szene gesezt”Prager Erstaufführung des Cortez unter Webers Leitung am 9. September 1813, Wiederaufnahme der Vestalin am 3. Oktober 1813.
    • “… Dresden kurz nach meiner Ankunft”Premiere der Vestalin am 17. Januar 1818.
    • “… Was die Uebersezzung betrifft”Ursprünglich war geplant, die Olimpie in Dresden in italienischer Sprache zu geben, die Erstaufführung (12. November 1825) fand dann aber doch in deutscher Sprache statt. Zur partiellen Unterlegung des italienischen Textes im I. Akt der Dresdner Partitur vgl. Huck 1999, S. 39 sowie WeGA, Bd. III/11b, S. 348f.
    • “… durch die Vestalin und Cortez”Die Dresdner Textdrucke für die dortigen Erstaufführungen in italienischer Sprache (Vestalin 17. Oktober 1810, Cortez 11. Oktober 1814) geben als Autor der italienischen Textfassungen Niccolo Perotti an.
    • “… den 1 t Februar gegeben”Viertes Abonnements-Konzert des neu gegründeten Dresdner Konzert-Vereins am 1. Februar 1822; zum kompletten Programm vgl. AmZ, Jg. 24, Nr. 19 (8. Mai 1822), Sp. 312f. Dort heißt es zu der Ouvertüre, die das Programm beschloss: sie „war für uns neu; der Componist der Vestalin war darin nicht zu verkennen.“
    • “… ich wohnte den Proben bei”Im Tagebuch hielt Weber nur eine Probe am 31. Januar 1822 fest.

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