Sendschreiben an den Verfasser des Aufsatzes über Mannheim

Back

Show markers in text

Sendschreiben
an den Verfasser des Aufsatzes über Mannheim in Nro. 142 des Morgenblatts* vom 14. Juni.

Sie haben gleich im Eingange Ihres Aufsatzes Jedermann eingeladen,* Ihr Referat allenfalls zu berichtigen; Sie werden es also gewiß nicht mißdeuten, wenn wir hier von dieser Ihrer gütigen Erlaubniß Gebrauch, und Ihnen einige Unrichtigkeiten bemerklich machen, welche wir in Ihrem Aufsatze gefunden haben. Wir beschränken uns dabey auf den musikalischen Theil des Artikels, und überlassen andern die Würdigung der Frage, ob Mannheim durch die Demolirung der Festungswerke verloren habe* u. s. w.

Sie beginnen den musikalischen Theil mit einem Urtheile über die abonnirten Concerte* des vorigen Winters. Sie finden die darin aufgetretenen Concertisten gut, die Ensembles aber schlecht: den Gesang mittelmäßig, nur machen Sie eine Ausnahme zu Gunsten zweyer Liebhaberinnen*; hier findet sich ein kleiner Verstoß, indem die erste derselben, Mad. Weber, seit 3 bis 4 Jahren in den abonnirten Concerten nicht mehr, sondern nur in den Museums-Aufführungen, singen mag.

Ihr Urtheil über Mad. Schönberger ist ein sehr übereinstimmender Auszug des von uns bereits in Nro. 22. des Badischen Magazins* über diese Künstlerin ausgesprochenen Urtheils: Wir würden es einen treuen Auszug des unsrigen nennen, wenn Sie nicht sagten: Mad. Schönberger müsse „sich auf Musik beschränken, welche für eine Baßstimme, oder noch richtiger, für einen Bariton, gesetzt ist“*; wir hingegen waren der unmaßgeblichen Meinung, Mad. Schönberger möge in Ermangelung eigentlicher Alt-Rolen als Nothbehelf lieber Baß- oder Baritono-Rolen, in Alt transponirt, singen, als Tenor-Rolen Loco; vor allem aber empfehlen wir der Altistin, Alt zu singen; von welchem aber Ihre oben ausgehobene Phrase sie auszuschließen scheint.

Von den musikalischen Aufführungen im Museum* sagen Sie viel schönes, lassen aber wieder eine falsche Thatsache einfließen, nämlich: daß die dortigen Musiken größtentheils von Liebhabern ausgeführt werden. Außer dem Dirigenten, dem weiblichen Singpersonal, dem ersten Tenoristen, und wenigen Bogeninstrumentisten, besteht das ganze übrige Personal aus Musikern ex professo, durch welche sämmtliche Blase-Instrumente nebst der Pauke, Controbaß, und ein großer Theil der Violinen executirt werden, an deren Spitze auch ein Professeur* steht. Unter solchen Umständen, (das sehen Sie selbst ein) ist denn wirklich nicht wohl zu behaupten, die Museums-Musiken würden größtentheils durch Liebhaber executirt.

G. Giusto.

Editorial

General Remark

Zuschreibung: Sigle

Kommentar: G. Weber nimmt hier Bezug auf den mit N. gezeichneten Bericht über Mannheim im Morgenblatt für gebildete Stände (vgl. Kom.). Dessen Verfasser dürfte nach dem Eintrag im Redaktionsexemplar im DLA Marbach (v. Wächter) Karl Friedrich August Christoph sein. Wächter übt in seinem Artikel zum Teil herbe Kritik nicht nur an den musikalischen Aufführungen, sondern auch an den Leistungen im Schauspiel: Wo einst Iffland, Beil, Böck mit Meisterhand zeichneten, erringen jetzt unsinnige Gebärden, Geschrey und Toben nur zu oft den ersten Preis (S. 580), ein Urteil, das dann durch die Würdigung einzelner Leistungen gestützt wird. Der letzte Teil, in dem u. a. die Gastrollen angesprochen sind und die von Stuttgart für erste Rollen in der Oper erwartete Wilhelmine Mayer erwähnt wird, schließt mit den Worten: eine Aushülfe thut wahrlich noth, aber nicht allein in diesem Fache. Leben Sie wohl! (S. 588). – Diese Angriffe Wächters wurden durch weitere Antikritiken beantwortet, so von Karl Jakob Wagner in: Morgenblatt für gebildete Stände, Jg. 5, Nr. 240 (7. Oktober 1811), S. 959–960, und Dusch, der im Badischen Magazin ein Gegengift ankündigte (1811-V-38), das dann in der Zeitung für die elegante Welt erschien (1811-V-72). Zu Marianne Schönberger vgl. auch 1811-V-10 und 1811-V-76.

Creation

Tradition

  • Text Source: Badisches Magazin, Jg. 1, Nr. 95 (21. Juni 1811), pp. 378–379

Text Constitution

  • “… Nothbehelf lieber Baß- oder Baritono-Rolen”hier urspr.: oder als Baritono-Rolen = sinnentstellender Fehler; entsprechend 1811-V-10 korrigiert

Commentary

  • “Aufsatzes über Mannheim … 142 des Morgenblatts”Morgenblatt für gebildete Stände, Jg. 5, Nr. 142 (14. Juni 1811), S. 567–568; Nr. 145 (18. Juni 1811), S. 580; Nr. 146 (19. Juni 1811), S. 584, und Nr. 147 (20. Juni 1811), S. 588.
  • “im Eingange Ihres Aufsatzes Jedermann eingeladen,”Vgl. a. a. O., S. 567: Es sey demnach Jedem, der anders sieht und urtheilt, erlaubt, dagegen aufzutreten, und nach seiner Meynung zu berichtigen; nur sey er sich seiner Leidenschaftslosigkeit eben so gewiß als ich.
  • “Frage, ob Mannheim … Festungswerke verloren habe”Vgl. a. a. O., S. 567–568: Mannheim hat sich in den letzten sieben oder acht Jahren, wo ich es nicht besucht hatte, in seinen Umgebungen ganz verändert; ob auch verbessert? möchte man mit Nein beantworten […] Die prächtigen Alleen, welche sonst die Wälle und Umgegenden zierten, sind mit jenen verschwunden, oder in Folge der Belagerung mit einem Theil der schönen Gärten auf den Straßen nach Heidelberg und Schwezingen zerstört worden; – was an ihre, so wie an die Stelle der eingerissenen Festungswerke kommen soll, ist entweder nur erst im Plan oder im Werden.
  • “Urtheile über die abonnirten Concerte”Vgl. a. a. O., S. 568: So viel Gutes läßt sich von den Konzerten selbst nicht sagen. Einzelne Ausführungen, besonders auf den in dem hiesigen Orchester so gut besetzten Blasinstrumenten, waren mitunter vorzüglich. Dagegen aber fehlte Kraft und Feuer, wo Zusammenwirkung nöthig war, und auch der Gesang war sehr mittelmäßig.
  • “zweyer Liebhaberinnen”Vgl. a. a. O., S. 568: Zwey Liebhaberinnen, eine Mad. Weber und ein Fräulein Schmalz, welche beyde Stimmen und schönen Vortrag besitzen, machten allein eine Ausnahme.
  • “in Nro. 22. des Badischen Magazins”Badisches Magazin, Jg. 1, Nr. 22 (24. März 1811), S. 86–88 (1811-V-10).
  • “sich auf Musik … Bariton, gesetzt ist”Vgl. Morgenblatt, a. a. O., S. 568, paraphrasiert nach 1811-V-10.
  • “musikalischen Aufführungen im Museum”Vgl. a. a. O., S. 568: Die Aufführungen geschahen dort meistens von Liebhabern, und mit vieler Pünktlichkeit; zum Museum vgl. Kom. 1810-V-06.
  • Controbaßrecte “Contrabaß”.
  • “an deren Spitze auch ein Professeur”Das Orchester im Museum wurde von Michael Frey geleitet; vgl. 1810-V-19 (Teil 3).

    XML

    If you've spotted some error or inaccurateness please do not hesitate to inform us via bugs [@] weber-gesamtausgabe.de.