August Whistling (für den Verlag C. F. Peters) an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
Leipzig, Mittwoch, 1. Juli 1863

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Hochgeehrter Herr!

Nachdem ich gestern Ihre werthe Zuschrift vom 29 Juni erhielt, muß ich wohl mit der Antwort eilen, obgleich meine Forschungen noch gar nicht zu Ende sind.

Vorerst empfangen Sie für Ihr so schätzbares ausführliches Schreiben vom 21 Juni den aufrichtigsten Dank, nicht nur von der Verlagshandlung selbst, sondern auch von dem ergebenst Unterzeichneten, der sich herzinnigst für den herrlichen Meister und Alles, was ihn betrifft, interessirt.

Durch meinen alten Freund Brauer in Dresden waren Sie mir längst schon als der beste oder einzige Weber-Kenner geschildert, und deshalb lieb geworden; Ihr so liebes Schreiben hat jedoch meine kühnsten Erwartungen von Ihrer Gefälligkeit und Liebenswürdigkeit übertroffen.

Nach langen Herumsuchen in den abgelegten Manuscripten ist es mir nur gelungen, 3 Handschriften des Nachlasses zu finden:

No 9, 11* und 15 (wieder in Copie)*

Ferner 3 Copien für den Notenstecher:

No 12*, 13* u. 14.

Dazu lege ich noch die Gombartsche Ouverture, welche sehr rar ist, & die Sie vielleicht nicht zur Hand haben.

Wollte und könnte ich Ihnen alles das schreiben, was auf den Nachlaß Bezug hat, so würde ich auch wohl 20 Seiten brauchen. Leider geht das nicht, aus verschiedenen Gründen; dagegen rechne ich darauf, daß Sie auf Ihrer Wiener Reise jedenfalls durch Leipzig kommen, und die Handlung Peters mit Ihrem Besuche beehren; da läßt sich in ½ Stündchen viel sprechen & mittheilen, zu gegenseitigem Interesse!

Sollten Sie erst auf der Rückreise nach hier kommen, so ersuche ich Sie, vorläufig Haslinger nichts von der Cantate mit dem Euryanthe-Finale zu sagen. Sollte die Verlagshandlung noch zur Herausgabe schreiten wollen, so wird sie dann direct bei Haslinger anfragen, mit dem sie in freundschaftl. Verkehr steht. Daß Weber den Marsch mehrmals benutzte, so wie daß in der Cantate diverse Oberon-Motiwe sind, war uns längst bekannt. –

Neu dagegen war die Notiz über Rübezahl & Peter Schmoll, so wie daß die Palmiden-Arie (welche als Handschrift Webers *) gekauft wurde – von Meyerbeer ist !!! (u. gedruckt!) Letzerer sollte ja auch eine unvollendete Oper von Weber („Pinto“?) vollenden; ist Ihnen das Nähere bekannt? Die Bruchstücke sollten auch verkauft werden, aber Herr Böhme (der damalige Besitzer der Handl. Peters –) lehnte die Offerte ab. Er kaufte den Nachlaß auch nicht auf Einmal, sondern nach und nach. – Daß der Marsch mit Chor* in der Handschrift Weber’s da war, könnte ich beschwören; es war ein Quart=Format, u. zierlich geschrieben. Wahrscheinl. hat Herr Böhme einige Weber’sche Manuscripte verschenkt, nachdem solche für den Stecher copirt waren; – er hatte auch die köstlich geschriebene Partitur des Concertstückes mit gekauft, die jetzt (leider!) im Besitz des Comp. Charles Voss ist! –

Da auch Mad. Böhme* unlängst gestorben ist, so konnte ich bis heute nichts über den Verbleib jener Handschriften ermitteln; vielleicht daß ein entfernter Verwandter noch Etwas davon weiß.

Wegen der Ernte-Ouverture* wage ich nichts Genaues über die Handschrift zu sagen; sollten Sie Ihre Weber-Arbeit vor der Reise zum Druck vollenden wollen, so können Sie ja diese Ouverture mit „zweifelhaft“ – (oder ähnlich –) bezeichnen.

Un nun Adieu bis auf hoffentlich baldige persönliche Begrüßung! Hochachtungsvollst
ergebenst
pr. pr. C. F. Peters
A. Whistling

*) laut untersiegelter Quittung! –

Editorial

Summary

hat J . Manuscripte aus dem Nachlaß herausgesucht, u. zwar Nr. 9, 11 u. 15 u. 3 Copien für den Notenstecher Nr. 12, 13 u. 14, dazu legt er noch die rare Gombartsche Ouvertüre, hofft auf seinen Besuch, da zu weitläufig alles zu beschreiben. Er solle Haslinger noch nichts von der Cantate mit dem Euryanthe-Finale sagen, dankt für Mitteilung, dass die als Weber angekaufte Hs. von Meyerbeer ist (Palmiden-Arie), ob er Näheres wisse über die Vollendung der Pintos durch Meyerbeer, die Fragmente wurden seinerzeit Herrn Böhme angeboten, der sie ablehnte. Der Nachlaß wurde von ihm nach und nach gekauft. Glaubt beschwören zu können, dass der Marsch mit Chor von Weber in dessen Handschrift da war. Vermutet, dass Böhme Autographe verschenkt habe. Concertstück ist jetzt im Besitz von Charles Voss. Über die Handschrift der Ernte-Ouvertüre wagt er nichts auszusagen

Incipit

Nachdem ich gestern Ihre werthe Zuschrift

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Weberiana Cl. X, Nr. 493

    Physical Description

    • 1 DBl. (4 b. S. o. Adr.)

    Corresponding sources

    • Weberiana 10 (2000), S. 22–24

    Commentary

    • “… N o 9 , 11”Die Weber versehentlich zugeschriebene Canzonette „Sicchè t’inganni“ (JV 88), publiziert als Nachgel. Werk Nr. 11, stammt von Franz Danzi; eine Abschrift durch Weber befand sich in seinem Nachlass.
    • “… 15 (wieder in Copie )”Zahlunterstreichung und Zusatz in Klammern von Jähns (Blei).
    • “… N o 12”Ouvertüre zur Ernte-Kantate, nach Motiven Webers komponiert von J. W. Kalliwoda; vom Verlag Weber unterschoben als Nachgel. Werk Nr. 12.
    • “… N o 12 , 13”Nachgel. Werk Nr. 13, Bearbeitung des Marschs Nachgel. Werke Nr. 8 durch einen unbekannten Arrangeur.
    • “… Daß der Marsch mit Chor”Nachgel. Werke Nr. 13, siehe oben.
    • “… Da auch Mad. Böhme”Emilie Louise Böhme, geb. Frenzel (geb. 1799 oder 1801), seit August 1844 verheiratet mit Carl Gotthelf Böhme, war am 19. Dezember 1860 gestorben.
    • “… Wegen der Ernte-Ouverture”Nachgel. Werk Nr. 12, siehe oben.

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