Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater: darunter “Der Schutzgeist” von August von Kotzebue, April 1814

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Prag. – Den 11. Aprill: Zum ersten Mahl: Der Schutzgeist, dramatische Legende in 6 Acten mit einem Vorspiel von A. v. Kotzebue. – Selten wird wohl ein Stück mit so glänzendem Erfolge gegeben werden, als dieses, woran nun freylich das Stück selbst ziemlich unschuldig war; aber gerade an diesem Tage erhielten wir die erfreuliche Nachricht von der Besetzung von Paris durch die alliirten Heere, und diese ward durch Hrn. Liebich vor ¦ Anfang des Stückes vorgelesen, und sodann das Volkslied: „Gott erhalte unsern Kaiser!“ abgesungen. Der rauschendste Jubel eines glücklichen Volkes, das die Morgenröthe noch glücklicherer Tage anbrechen, und seinen geliebten Monarchen als den Stifter derselben sieht, füllte das Haus, und versetzte alle Gegenwärtige in eine so frohe Stimmung, daß auch das ganze Stück mit gleicher Theilnahme aufgenommen wurde, obwohl es außer einigen passenden politischen Anspielungen, welche die Zuschauer multiplicirten, sehr wenig Interesse hat, und unter die werthlosesten Arbeiten des geist|reichen Verfassers gehört. Man weiß, wie wenig Macht dieser musterhafte Prosaiker über Reim und Vers hat; wie wenig ihm mystisch-religiöse Stoffe zusagen, und es ist unbegreiflich, wie er sich in ein Feld wagt, das er nicht zu bearbeiten versteht, da es doch im Grunde kein minderes Verdienst ist, eine schöne Prosa, als gute Verse zu bilden; unbegreilich, wie Hr. v. K., der sich so oft mit beißendem Witze über den Wernerschen Mysticismus hermachte, jetzt selbst in dieser Manier arbeitet. Dlle. Brand gab den Guido mit einer rührenden Einfachheit und Herzlichkeit; auch Mad. Löwe (Königinn Adelheid), Hr.Bayer (Markgraf Azzo) und Hr. Wilhelmi (Berengar) stellten ihre Rollen vortrefflich dar.

Den 13.: Zweytes Declamatorium der Mad. Schröder im Redoutensaale. Jede Kunstausstellung dieser Frau gewährt uns neuen, erhöhten Genuß. Nebst der Bürgschaft und der Glocke wiederhohlte sie dieß Mahl: Mein Vaterland! von Körner, und declamirte zum Beschluß folgendes Gedicht von Herrn Professor Mikan:

Die Befreyer Europa’s in Paris.

Sie sind in Paris!Die Helden! Europa’s Befreyer!Der Vater von Östreich, der Herrscher der Reussen,Der Wiedererwecker der tapferen Preußen.Das Glück Ihrer Völker – es war ihnen theuer.Sie sind in Paris!Nun ist uns der Friede gewiß!Du stolzes Paris!Schon schriebst du der Erde Gesetze;Doch, Herrschaft und Übermuth plötzlich zu enden,Durchstrich Alexander die Rechnung mit Bränden.Von Moskau begann nun die Jagd und die Hetze,Bis hin nach Paris!Nun ist uns der Friede gewiß!Getäuschtes Paris!Nicht sollst du der Teutschen mehr lachen!Noch grünen in Teutschland die stämmigen Eichen,Noch stehen die Teutschen und werden nicht weichen;Er ist nun geendet, der Kampf mit dem Drachen;Sie sind in Paris!Nun ist uns der Friede gewiß!Erstauntes Paris!Du hast es nun selber gesehen,Wie Schwarzenberg mit seinen Russen und TeutschenVerstand, deine großen Armeen zu peitschen. ¦ Schon sieht man die Fahne der Huldigung wehenHoch über Paris!Nun ist uns der Friede gewiß!Du großes Paris!Du lerntest, wer groß ist, nun kennen,Ein Franz hat das blutende Herz sich bezwungen,Und Volksglück durch eigenes Opfer errungen,Groß muß ihn die Welt – muß die Nachwelt ihn nennen.Auch Franz in Paris?Dann ist uns der Friede gewiß!Befreytes Paris!Aus dir floß die Lava der Kriege;In dir sprießt die Palme – Sie haben’s verheissen,Die Väter von Östreich, von Rußland, von Preußen,Die liebliche Frucht ihrer glänzenden SiegeIst Friede gewiß!Sie senden ihn bald aus Paris.

Den 14.: Zum Besten des Herrn Polawsky: Der Westindier, Lustspiel aus dem Engl. des Cumberland von Hrn. v. Kotzebue neu übersetzt. Machte trotz des vortrefflichen Spiels des Hrn. Polawsky als Westindier, und Hrn. Wilhelmi als Major O Flacherly wenig Glück; auch müssen wir bekennen, daß diese neue Übersetzung vor der ältern nur den Vorzug einer moderneren Sprache hat, übrigens vielmehr mancher kräftige und charakteristische Zug bey dieser Bearbeitung verloren gegangen ist.

Den 15. bey Beleuchtung des Schauspielhauses zur Feyer des Geburtsfestes Sr. Durchlaucht des Fürsten Carl v. Schwarzenberg: Der Schutzgeist. Vor Anfang des Stückes hielt Herr Bayer einen Prolog von Jos. Passy (welchen diese Blätter schon aufgenommen haben), und der Enthusiasmus des Publicums für den Besieger Napoleons ließ ihn selten eine Strophe ganz vollenden. Nach Schluß des Stückes declamirte Mad. Schröder auf allgemeines Verlangen das Gedicht des Hrn. Professor Mikan: „Die Befreyer Europa’s in Paris,“ noch einmahl. Der rauschendste Beyfall lohnte Dichter und Künstlerinn, und allgemeiner Jubel endigte die Feyer des Tages.

Den 19.: Aline, Königinn von Golkonda, Oper von Berton. – Schon vor einigen Jahren versuchte es die Direction, diese Oper auf die Bühne zu bringen*, aber sie hatte mit so mancher andern französischen Oper das gleich traurige Schicksal, durchzufallen; dieß Mahl dankt sie ein günstigeres Schicksal nur der liebenswürdigen Dlle. Brand, deren Anmuth und Lebhaftigkeit die Schutzgeister dieses Genres zu seyn scheinen. Von dem übrigen Personale hat sich Niemand vorzüglich ausgezeichnet.

Mad. Grünbaum betrat nach ihrem Wochenbette zum ersten Mahl wieder die Bühne in der Schweizerfamilie*, welche zum Besten ihres Gatten gegeben wurde, und fand den glänzenden Empfang, den eine so vorzügliche Künstlerinn erwarten darf. Zu unserer großen Freude hat sie nichts von der Kraft und Fülle ihrer herrlichen Stimme verloren.

Mad. Brede ist abgegangen. Wir bedauern in ihr den Verlust einer vorzüglichen Schauspielerinn. Dagegen erfreuen wir uns des Genusses, die kunstreiche Mad. Schröder nunmehr als engagirtes Mitglied unserer Bühne zu besitzen.

Herr Siebert gab zu seinem Besten*: Das Mädchen im Eichthale, Oper von Ebell, die aber ganz durchfiel. Wir bedauern, daß der brave junge Künstler, der täglich neue Fortschritte in der Gunst des Publicums macht, keine glücklichere Wahl getroffen hat.

Editorial

Creation

Responsibilities

Übertragung
Ziegler, Frank

Tradition

    Commentary

    • O Flacherlyrecte “O Flaherty”.
    • “… auf die Bühne zu bringen”Prager Erstaufführung 1809.
    • “… die Bühne in der Schweizerfamilie”Am 10. Mai 1814.
    • “… Siebert gab zu seinem Besten”Am 24. Mai.

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