Aufführungsbesprechung Berlin: “Karlo oder Wahnsinn aus Liebe” von Georg Graf von Blankensee am 5. April 1820
Königl. Schauspiele in Berlin.
Den 4. April: Das Vogelschießen; Lustspiel in fünf Abtheilungen von H. Clauren. […]
Den 5ten. Zum Erstenmale: Karlo; Trauerspiel in vier Abtheilungen. – Graf Karlo liebt mit Glück seiner Mutter jüngste Schwester, kann sich mit ihr jedoch der Blutsverwandschaft wegen nicht vermählen ohne des Papstes Dispensation, welche hintertrieben wird von einem die bestehenden Gesetze ehrenden Kardinal. Dieser hat einen edlen Neffen, der Karlos Busenfreund ist, zugleich aber auch für dessen Braut in still verzehrender Leidenschaft glüht. Auf diesen nun wirft Karlos den schwarzen Verdacht, daß Er durch den Einfluß des Oheims die Verweigerung der Dispensation ausgewirkt habe. Doch er will des Freundes schonen und in der Stille nach fernen Landen fliehen mit seiner Braut, welche aber auf Anstiften ihrer Schwester in den sichern Gewahrsam eines Klosters gebracht worden ist. Karlo hält diesen Streich für ein neues Bubenstück des unschuldigen Freundes, ersticht denselben, wird darüber wahnsinnig, und erdolcht endlich sich selbst. – Diese an sich gezerrte Fabel, schleppt sich in langweiliger Breite mühsam durch vier lange Acte, die dergestalt angelegt sind, daß dem Zuschauer größtentheils vorher erzählt wird, was geschehen soll; oder daß er sich erzählen lassen muß, was er so eben gesehen hat. Die Sprache ist nicht ganz ohne Werth, aber nicht durchgängig edel; dabei befindet sich noch der Uebelstand, daß die schönen Stellen ächte hors d’oeuvres sind. Dahin rechnen wir z. B. die Mortimiresirende Rede des Fernando im ersten und das Schlachtgemälde des Karlo im zweiten Act. Unter solchen Umständen mußte natürlich das Stück fallen. Die sorgsame Intendantur würde wohlgethan haben, wenn sie ein Werk nicht angenommen hätte, dessen hier in Kürze gerügte Mängel sich auch bei der flüchtigen Lesung von selbst ergeben. – Die Darstellung selbst endlich war gelungen zu nennen. Unsere Künstler und Künstlerinnen spielten mit sorgsamem Fleiße, den das Publikum achtend anerkannte durch einstimmiges Hervorrufen des Hrn. Lemm, der sich in der That alle ersinnliche Mühe gegeben hatte mit der Rolle des Karlo. Sollte das Stück etwa noch eine zweite Aufführung erleben, so werden wir unseren Bericht über die Darstellung ausdehnen.
Cs.Editorial
Creation
–
Responsibilities
- Übertragung
- Amiryan-Stein, Aida
Tradition
-
Text Source: Der Freimüthige oder Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser, Jg. 2, Nr. 77 (17. April 1820)