Caroline von Weber an Friedrich Wilhelm und Ida Jähns in Berlin
Dresden, erhalten Mittwoch, 30. Januar 1850

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Meine lieben Kinder!

Was soll ich nur davon denken dass ich gar nichts mehr von Euch höre? seit ihr krank? oder ist sonst etwas geschehen? Max klagt auch dass ihm auf seinen letzten Brief nicht geantwortet worden sey, und dass er gar nicht wisse wie er mit Euch daran sey. Ich kann mir diese abermalige Missstimmung wieder gar nicht erklären und es thut mir in der Seele leid dass die Empfindlichkeit von beiden Seiten imer stöhrend in unser Verhältniss eingreift. Schreibt mir wenigstens was es ist damit man sich doch vertheidigen kann, denn auf jeden Fall sind es nur wieder Missverständnisse welche wie der Nebel vor der Sonne schwinden sobald der Freund zum Freunde spricht „sieh, das hast Du mir gethan, damit hast Du mich gekränkt, und nun sage, hast Du mir weh thun wollen, oder sieht die ganze Sache durch meine schwarze Brille nur so garstig aus??[] Seht Kinder, solches immerwährende Uibelnehmen, oder sich gekränkt fühlen, muss bey so langjähriger Freundschaft doch endlich aufhören denn Ihr müsst es doch endlich überzeugt sein, dass wir Euch durch nichts haben beleidigen oder kränken wollen, und wenn es nun villeicht ja einmal so aussieht so muss der Advokat in seinen Herzen, dass heisst Eure Liebe, unsere Partei nehmen, und Euch sagen „die Webers können wohl einmal etwas thun oder sagen, was ich von Andern übelnehmen würde, aber sie haben uns zu lieb, und folglich ist das, was wie so eine Kränkung aussieht gewiss unbewusst geschehen und wir wollen ihnen ihre Ungeschicklichkeit, oder scheinbare Vernachlässigun[g] gar nicht übelnehmen, oder wir wollen sie auszanken und damit Punktum![]       Seit Ihr aber Beide durch Krankheit oder andere Noth verhindert zu schreiben, nun so verzeiht mir diesen Brief, zu welchen mich das ungeduldige Verlangen etwas von Euch zu hören veranlasste und seht ihn nur insofern für geschrieben an, dass er Euch zeigt dass es uns nicht gleichgültig ist wie Ihr für uns denkt, und fühlt.

In unserer Häuslichkeit geht es noch fortwährend, Gott lob! gut. Die Kinder wachsen und gedeihen besonders der kleine Carl welcher, aus einen kleinen Gerippchen ein dicker Posaunen Engel geworden ist. Das Nähren bekomt Nettchen sehr gut, auch hat sie Nahrung in Hülle, und Fülle, so dass der kleine Bursch nur von Muttermilch leben kann. In diesen Tagen haben wir allerdings eine rechte Fatalität gehabt welche mich, zu andern Zeiten sehr verstimt haben würde. Bey dem schnellen Thauwetter ist der häufige Schnee auf dem glatte[n] Dach über der Wohnung der Kinder so schnell geschmolzen, dass die Feuchtigkeit in Strömen durch die Decken der Stuben drang, und die Kinder kaum wussten wohin sie mit den Kleinen flüchten sollten. Das Logie ist dadurch zum ferneren wohnen ganz unbrauchbar geworden und sie müssen das erste beste Logie nehmen und in diesen Tagen ausziehn. Dass diese Sache nicht gerade ein Plaisir ist, könnt ihr denken, und ich musste in den schreklichsten Wetter herum laufen ein passendes Logie zu finden. Leider war auch noch Max nach Leipzig geschickt worden und wir armen Frauen mussten wieder einmal diese Fatalität allein durchmachen.

Zum Glück fant ich bald ein passendes Quartier, und den 1. Febr. ziehen die Kinder auf die Röhrhofstrasse No. 2. 2 Tr[e]ppen. Zu Ostern verlasse ich nun auch meine lieben, traulichen Räume* um zu den Kindern zu ziehen, welche sonst das theure Logie nicht hätten nehmen können — Nun Gott gebe seinen Segen dazu!!! Ich bringe gewiss den besten Willen mit dass das Verhältniss gut und freundlich bleibe und hoffe auch Andere werden alles vermeiden was stöhren[d] eingreifen kann! Aus Ersparniss muss ich auch für diesen Somer mein liebes Pillnitz aufgeben, wass mir recht, recht leid ist, aber was will man machen? Für Max’ens Ruhe und Behaglichkeit bringe ich gern jedes Opfer.

Nun meine lieben bitte ich nochmals mir bald zu schreiben und mir auch den Brief Webers wieder zu schicken. Meyerbeers Oper ist fertig einstudiert und wird nächsten Mittwoch den 30. gegeben. Ich bin sehr begierig darauf. Gott sey mit Euch. Vergesst nichtEure Weber

Apparat

Zusammenfassung

wundert sich über langes Schweigen, hofft, dass keine neuerliche Verstimmung der Grund ist; berichtet, dass die Kinder durch Tauwasserschaden umziehen müssen und ab 1. Februar in der Röhrhofstraße Nr. 2, 2 Treppen wohnen werden; sie wird auch dorthin ziehen, da sonst die Miete für die Kinder zu hoch wäre; am 30. Januar wird die deutsche Erstaufführung von Meyerbeers Propheten unter seiner Leitung sein

Incipit

Was soll ich nur davon denken

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Frank Ziegler; Eveline Bartlitz

Überlieferung

  • Textzeuge: Dresden (D), Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (D-Dl)
    Signatur: Mscr. Dresd. App. 2097, 134

    Quellenbeschreibung

    • masch. Übertragung nach dem verschollenen Original (Nr. 134 des Konvoluts)
    • 4 S.
    • am Kopf die Notiz: „Empfangen 30. Jan. 50.“

    Einzelstellenerläuterung

    • „… auch meine lieben, traulichen Räume“Laut Adressbuch für 1850 „gr. Plauenschegasse 9b. pt.“

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