Über Heidelberg (Aus einem Briefe)

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Ueber Heidelberg.
(Aus einem Briefe.)

Mit Recht erwartest Du über meinen Aufenthalt in Heidelberg einige Nachricht von mir, und gern ergreife ich die Feder, um mich über diesen Gegenstand mit Dir zu unterhalten. Mit welchem Vergnügen rufe ich mir hier die Erinnerung an jene Zeiten zurück, wo man uns von der schönen Pfalz erzählte. Wie ein fernes Arcadien träumten wir sie uns, in dem die Natur alle Sorge für den Menschen übernommen, und ihr ganzes Füllhorn auf einmal ausgeschüttet habe. Wie sehnten wir uns damals nach dem Lande, und wahrlich wir hatten recht. Zwar hat der verderbende Krieg gerade diesen Gegenden tiefe Narben zurück gelassen, welche aller Reichthum des Bodens noch nicht auszugleichen im Stande war; aber schön ist das Land, unaussprechlich schön; hätte ich auch nur Heidelberg gesehen, so würde schon dieser Ausruf gerechtfertigt seyn.

Wir fuhren gegen Abend* von Mannheim nach dem gepriesenen Heidelberg, dem Sitze der schönsten Natur, und zugleich einer der jetzt berühmtesten hohen Schulen Deutschlands. Die Ebene, durch die wir kamen, scheint ein ungeheurer Garten voll früchte-schwangerer Obstbäume. Herrliche, in kurzen Strecken von einander liegende Dörfer zeugen von dem reichlich ertragenden Boden, der einzig unversieglichen Quelle der Wohlhabenheit eines Landes. Links, in der Entfernung von etwa 2 Stunden liegt die prachtvolle Bergstraße, eine Bergkette von ungefähr 10 Stunden Länge, der wir uns nun in schiefer Richtung näherten, und deren Umriß immer imponirender im Abendlichte sich entfaltete. Als wir nun um Wiblingen, dem letzten Dorfe unsrer Fahrt, hervorkamen und ich zum ersten Male Heidelberg erblickte unten im Eingange des Neckarthals, über ihm die stolze Burg der Pfalzgrafen in majestätische Ruinen halbversunken, und die Berge mit dem üppigen Grün, und den Spiegel des Neckars mir zur Seite, der, von einer malerischen Brücke bekrönt, sich hinter die in einander geschobenen Berge verliert, und die ganze Gegend vom Abendlichte der Sonne erglänzte, und balsamischen Blütenduft hauchte – Da rief ich, meiner nicht mehr mächtig: O Gott! wie herrlich, wie unendlich schön ist deine Natur! Meine Reisegefährten, Kinder des hiesigen Landes, antworteten mir im pfälzischen Dialekte: Ja, s’ist wirklich hübsch. – Mich ärgerte es, zu sehen, wie kalt die Angewöhnung die Menschen macht gegen Genüsse, die sich ihrem Auge täglich und unaufgesucht darbieten; ich tröstete mich aber durch die Bemerkung, wie manche Männer erster Größe am Abende ihres Lebens ihr mon repos hier aufschlagen, und daß so diesem schönen Himmelsstriche doch sein Recht und die gebührende Anerkennung zu Theil wird.

Von dem Innern der Stadt, ihren Umgebungen, von dem hiesigen Gelehrtenwesen u. d. gl. nächstens ein mehreres; denn heute denke ich dir, unserer Verabredung gemäß, noch einiges über Musik mitzutheilen.

Sehr erwünscht war es mir, während meines Aufenthaltes in Mannheim, Darmstadt und Heidelberg Gelegenheit zu finden, die Bekanntschaft des genialen Claviervirtuosen und Componisten, Carl Marie Freiherrn von Weber zu machen. Ein Mann voll Genies und vielseitiger Ausbildung, welcher nicht durch seine Compositionen allein, sondern auch zugleich durch mehrere literarische Arbeiten* dem Publikum bekannt ist, und es noch mehr zu werden verdient. Er hat in Mannheim zwei öffentliche Conzerte, und eines in Heidelberg* gegeben, und überdieß zweimal im Mannheimer Museum* mehrere seiner Compositionen theils selbst vorgetragen, theils durch die in dieser Gesellschaft verbundenen Dilettanten und Hofmusiker aufführen lassen. Von den frühern unter diesen fünf Produktionen ist in der allgemeinen Mus. Zeitung und im Morgenblatte* von Mannheim und Heidelberg aus, bereits ehrenvolle Erwähnung geschehen, und vorzüglich sind im Mannheimer Artikel schon ausführliche Schilderungen und Beurtheilungen geliefert. Ich selbst habe nur dem Heidelberger Conzerte und der neuesten Aufführung im Mannheimer Museum beigewohnt. An beiden Orten spielte Herr von Weber ein Adagio und Finale von einem Clavierkonzerte*, wozu er, wie es scheint, den ersten Satz noch nicht fertig hat. Das Adagio, blos von drei Violoncellen und Violon* begleitet, ist äußerst ausdrucksvoll und zart gehalten, nur vielleicht etwas zu kurz; das Finale hingegen vielleicht das gelungenste was ich in dieser Gattung noch gehört hatte; aus den einfachsten Elementen zusammengesetzt, und dabei von dem höchsten Effekte. Auch erwarb ihm dieses Produkt den höchsten Beifall, zumal in Mannheim, wo er, auf allgemeines „Ancora“ der Zuhörer, Finale sammt Adagio wiederholen mußte. Ebenfalls lobenswerth ist ein Rondo, welches er für Mademoiselle Frank* vom Mannheimer Hoftheater eben komponirt hatte. Es ist im Geiste der bessern ältern italiänischen Schule geschrieben, aber neu an Ideen und Wendungen, und wurde von Mademoiselle Frank mit Anmuth und Geschmack, wiewohl mit einiger Schüchternheit, vorgetragen. Noch hörte ich im Heidelberger Conzerte Variationen für Violoncell, ebenfalls von Herr von Webers Arbeit, vorgetragen von einem sehr braven Violoncellisten, Herrn A.von Dusch aus Mannheim, welcher seine juristischen Studien an der hiesigen alma et antiquissima eben beendigt hat. Die Composition ist unbedeutend, desto bedeutender aber die Schwierigkeit der Passagen, welche nicht selten der Natur des Instruments ein wenig zu widerstreiten scheinen, jedoch von Herrn von Dusch mit vieler Kraft und Präzision und richtigem Geschmacke vorgetragen wurden, bis auf eine, nicht eben die schwierigste, welche er, sey es nun aus Zerstreuung oder durch welchen sonstigen Zufall, fallen ließ. Das Publikum war an beiden Orten sehr zahlreich, und der Beifall, den Hr. v. Weber erntete, beinahe ungetheilt.

Apparat

Generalvermerk

Zuschreibung/Kommentar: Die Zuschreibung beruht auf einigen vom Autor angeführten Details des Textes – die Fahrt von Mannheim nach Heidelberg, das erstmalige Kennenlernen Heidelbergs, die Erwähnung des Aufenthalts in Mannheim, Darmstadt und Heidelberg, die Bekanntschaft mit C. M. v. Weber, der Besuch der beiden Konzerte am 26. Mai in Mannheim und 30. Mai 1810 in Heidelberg und die Kenntnis der bisherigen Konzerte und Besprechungen – die nur auf Gänsbacher zutreffen (vgl. TB bzw. die Schilderung in Gänsbachers Denkwürdigkeiten, S. 34–35, wo er ebenfalls die herrliche Lage dieses Städtchens hervorhebt). Dass es sich dagegen nicht um den von G. Weber versprochenen Text handelt (vgl. C. M. v. Webers Brief vom 23. Juni 1810 an G. Weber: a propos wenn du in dem Aufsaz in die Eleg:[ante] Z:[eitung] etwas davon erwähnen könntest, daß ich auch in Litterarischer Hinsicht etwas zu leisten strebe, wäre es mir sehr lieb, aber nur bald), geht aus C. M. v. Webers Mahnung im Brief vom 30. April 1811 hervor: du wolltest ja einmal in die Elegante etwas ausführlicheres über mich schreiben, wo du hauptsächlich die 3 Rüksichten als Ausübenden, Schreibenden, und Componirenden betrachten wolltest. C. M. v. Weber und Gänsbacher haben somit die Aufführungen ihrer Werke in Mannheim bzw. Heidelberg gegenseitig besprochen (vgl. 1810-V-10).

Entstehung

Überlieferung

  • Textzeuge: Zeitung für die elegante Welt, Jg. 10, Nr. 139 (13. Juli 1810), Sp. 1101–1103

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