Carl Maria von Weber an Friedrich Rochlitz in Leipzig
Prag, Montag, 22. April 1816

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S: Wohlgebohren

dem Herrn Hofrathe

Fried: Rochlitz

zu

Leipzig

Mein theurer Freund!

Ich habe Ihnen so oft und viel geklagt, daß ich nun auch bey etwas froherer Stimmung Ihre Theilnahme in Anspruch nehmen muß. Ich bin seit einiger Zeit nach manchen trüben Kämpfen und Stunden um ein gutes heiterer und ruhiger geworden. der lang vorbereitete Schritt meine Verbindung mit dem hiesigen Theater aufzulösen ist geschehen*, und ich empfange nun manchen erfreulichen Beweis von Achtung und Liebe, die sich freylich etwas zu spät, und bey meinem gewißen Verluste – äußern.      Binnen wenig Monaten werde ich also ganz wieder der Welt angehören, und freylich auch alle Leiden und Unahnnehmlichkeiten des Reisenden Künstlers zu tragen haben, auch oft vielleicht durch üble Zufälle gedrängt, auf die sicherere Existenz zurükblikken, aber ich werde auch mehr leisten, ich werde mir nicht selbst in der aufgedrungenen Schlaffheit unerträglich sein, und mein Wißen wird sich mit jedem Schritte bereichern.

Wir haben jezt den Klavierspieler und Comp. Hummel aus Wien hier* und seine Anwesenheit ist mir ein neuer Sporn geworden, täglich ein paar Stunden dem Pianoforte zu widmen.      Sein Spiel ist außerordentlich sicher, nett, und geperlt, auch zuweilen elegant. ganz das was Clement als Violinspieler ist.      das eigentliche tiefere Studium der Natur des Instrumentes ist ihm aber ganz fremd geblieben.      Er hat hier durch seine unermüdliche Präzision ungemein viel Aufsehn gemacht, in seinem Concert den 19t. er giebt ein 2tes künftigen Freytag d: 26t*.      Auch Sie werden Ihn bald hören, und gewiß sehr erfreut über diese mechanische Vollendung in der flachen SpielArt sein.      Auch ist er ein herzlicher gerader Wiener, gefällig und prunklos mit seiner Kunst wie es rechtens ist*.

Aus der Musikalischen Z: von diesem Jahr habe ich gesehen, daß Sie mit gütiger Vorsorge aus meinem Briefe vom 17t Februar eine Notiz über meine Cantate gezogen, das ich dankbar erkenne*. Es hat auch schon Früchte getragen, indem ich von Bremen aus um die Partitur ersucht worden bin, um sie zu einem wohlthätigen Zwek am Jahrestag d: 18t Juny 1816 aufzuführen.      Ein paar beyfällige Freundes Worte wie Ihnen meine Ideen und Streben | zusagten, hätten mich freylich noch mehr erfreut, aber ich denke Sie mir zum Troste, in vieler freudiger Beschäftigung, und freundlichen Sorgen für die Ereigniße in Ihrem Hause, und gedenke dabey auch dankbar so manches erhebenden Wortes was Sie mir in meine Trübe Stimmungs Nacht zuriefen, und gedulde mich gerne bis zu dem Augenblike wo es auch Sie wieder dazu drängen wird Ihrem Freunde von Ihnen zu erzählen.

Ich fange nun an meine Kantate in alle Länder zu zerstreuen und möchte sie besonders gerne in Berlin d: 18t Juny a: c: selbst aufführenT, wozu ich den König bey Uebersendung der Part: um Erlaubniß gebeten habe.      Auf jeden Fall besuche ich diesen Sommer Karlsbad auf ein paar Wochen. die Theaterluft hat mir so mancherley Rheumatischen Stoff pp in den Körper gejagt, daß es mir sehr nothwendig ist.      Erst vor kurzem habe ich an einer HalsEntzündung 8 Tage das Bette und Zimmer gehütet und kann mich noch immer nicht ganz erholen.

Beethovens Schlacht bey Vittoria ist 2 mal hier gegebenT, und hat beynah mißfallen, wahrscheinlich weil die Erwartung zu hoch gespannt war, und es mit dem die wirkliche Schlacht darstellen wollen immer eine mißliche ja unwürdige Sache ist. ich habe dabey die / wohl verzeihliche / Freude erlebt, daß dabey das Andenken an meine Cantate sehr lebendig wieder im Publikum zu meinem Vortheile geworden ist, und man jezt erst allgemein mit Enthusiasmus ihrer erwähnt.

Doch nun genug von mir, ich habe wieder einmal nach Herzenslust geplaudert da ich weis daß es zu theilnehmenden Herzen gesprochen ist.      Ich grüße Ihr liebes Haus aufs herzlichste, Gott erhalte Sie alle froh und gesund, und dabey gedenkt auch zuweilen, deß gewiß treuen und innigst verehrenden Freundes Weber.

Apparat

Zusammenfassung

äußert sich über seinen Entschluss, Prag zu verlassen; berichtet über ein Konzert Hummels in Prag; betr. Sieges-Kantate und Anzeige ders. in der AmZ; berichtet über die Aufführung von Beethovens Schlacht bei Vittoria in Prag

Incipit

Ich habe Ihnen so oft und viel geklagt

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. II A c, 12

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (3 b. S. einschl. Adr.)

    Provenienz

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • MMW I, S. 517–518

    Einzelstellenerläuterung

    • „… hiesigen Theater aufzulösen ist geschehen“Vgl. das Schreiben vom 14. April 1816 an Carl Liebich zur Vertragskündigung.
    • „… . Hummel aus Wien hier“Ankunft Hummels in Prag laut Tagebuch am 9. April 1816.
    • „… künftigen Freytag d: 26 t“Vgl. dazu Webers Rezension über die beiden Konzerte.
    • „… Kunst wie es rechtens ist“Vgl. hierzu ergänzend Brief vom 24. April 1816 an Gottfried Weber.
    • „… gezogen, das ich dankbar erkenne“In der AmZ, Jg. 18, Nr. 10 (6. März 1816), Sp. 154f. ist ein Hinweis auf die Kantate und in Sp. 155–158 der Text der Kantate abgedruckt.
    • a: c:Abk. von „anni currentis“.

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