Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Donnerstag, 6. Juni und Freitag, 7. Juni 1816 (Folge 1, Nr. 1)

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An

Mademoiselle

Carolina Brandt

Mitglied des Ständ. Theaters

zu

Prag.

bey Juden TandelMarkt

im Hause des H: Post-

Offizienten Schwarz.

Meine geliebte theure Lina

Ich bin eigentlich noch nicht in Dresden, denn die Leute tragen noch die Sachen herauf, als ich erfahren habe daß Morgen die Post nach Prag geh gienge. flugs mache ich mir also die Freude meinem lieben braven Mukkerl zu sagen daß ich glüklich und wohlbehalten so eben um 8 Uhr Abends im goldenen EngelT angekommen bin.      Gestern Abend und die ganze Nacht warst du mein einziger Gedanke. Die erste Station nachdem ich mich von dir geliebtes Leben trennen muste, hatte ich die gröste Mühe Etwas zu unterdrükken das die Polisei zu streng verbietet. dieß zog mir etwas Halsweh zu, daß sich aber heute wieder verlohren hat. jede Minute berechnete ich, wo du sein könntest und ob Du brav sein würdest. Gewiß hat mein Geist dich umschwebt, wie er es immer thut. mögest du doch auch immer seine Nähe fühlen, und das Gute was er aus seinen innigsten Tiefen dir wünscht, immer Dein Maaßstab und dein Wille sein.      ich habe viel von ewigem Regen und Kälte gelitten, wie gut war es daß ich das Leibchen und die dikken Hoseln mithatte.

So eben komt der Lohnbediente wieder mit der fatalen Nachricht daß der KamerMusikus Schmidl von dem ich wegen meiner Cantate Aufschluß hoffte, und Bassi in Pillnitz 2 Meilen von hier sind. mein Aufenthalt hier ist mir also zu gar nichts nuz, als daß ich noch zu Mad: Sandrini laufen muß, und während ich zu ihr schikke meinen confusen Brief an dich mein geliebtes Leben vollenden will.

Jezt bist du wohl im Theater und guttst zu. ich gutte die leeren Wände an und bin sehr müde, denn der gute Freytag ist noch sehr unbeholfen, und macht mir eher mehr zu thun als er hülftT. Das Wagerl hat sich bis jezt gut gehaltenT, und ich bin gar nicht b[öse] daß der Sattler nicht gekommen ist, da alles enorm theuerer als sonst ist. ich habe die ganze übrige Zeit auf Deinem Pläzchen geseßen, da ich dem Freytag unmöglich den Plaz gönnen konnt wo mein geliebter Mukel gehott hat.      ich habe mir bald Sorgen um dich gemacht, bald habe ich mich selbst damit zu beruhigen gesucht, daß Du mir so heilig versprochen hast Dich und mich zu schonen, damit ich einen fetten fetten Muks wieder finde. Heute Nacht hoffe ich zu schlafen wie ein Raz, Morgen um 9 Uhr trage ich Brieferl auf die Post, und dann gehts wieder fort bis Berlin in einem Strich. Der guten Mutter, und meinem guten Apiz alles Erdenkliche von mir.

     

Nun gute Nacht geliebtes Leben, sey brav, heiter, froh, behalte mich lieb, wahrhaft lieb! Ich küsse die [Dich] Millionenmal in Gedanken, Du liebe gute Lina, und bin ewig unveränderlich Dein treuster Carl.

d: 7t Morgens. ich bin sehr böse und ärgerlich, muß herumlaufen wegen dem Paß Visiren und werde doch erst bis Mittag expedirt.      das ist abscheulich. Ich kann dir mein geliebtes Mukkel also nur einen herzlichen guten Morgen mit einem halbösen Gesichte sagen, das aber für dich gewiß stets ganz freundlich ist. nun auf die Post, und dann wieder zum Preußischen Gesandten*. 1000 Küße. Einlage an Liebich. Gott erhalte dich gesund und froh und denke heiter, an Deinen schwi[zenden] und ärgerlichen Mukkel.    

Apparat

Zusammenfassung

Reisebericht; bedauert, Schmidl u. Bassi in Dresden nicht angetroffen zu haben

Incipit

Ich bin eigentlich noch nicht in Dresden, denn die Leute

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. II A a 1, Nr. 16

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. einschl. Adr.)
    • Siegelspur u. -loch
    • am oberen rechten Rand der Rectoseite Ergänzung von F. W. Jähns (Tinte): „ No. 1. Dresden. 6. Juni. 1816.“; auf der Versoseite unten links: „Carl Maria von Weber | an seine Braut. Eigenhändig.“
    • Rötelmarkierungen von Max Maria von Weber

    Provenienz

    • vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Muks, S. 221–223

Textkonstitution

  • „geh“durchgestrichen
  • daß„das“ durchgestrichen und ersetzt mit „daß
  • „… bin gar nicht b öse“Textverlust durch Siegelloch
  • „… heiter, an Deinen schwi zenden“Textverlust durch Siegelloch, mutmaßliche Ergänzung

Einzelstellenerläuterung

  • „… dann wieder zum Preußischen Gesandten“Laut Tagebuch traf Weber nicht den Gesandten selbst, sondern den Gesandtschaftssekretär W. Dorow.

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