Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Berlin, Dienstag, 25. Juni 1816 (Folge 1, Nr. 6)

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Mein guter herzliebster Mukel!

Dein lieber freundlicher Brief vom 17t huj: kam wie ein lichter Punkt in vielerley Unangenehmes das ich d: 22 und 23t erfahren muste. Die Catalani war die Ursache alles diesen, da sie d: 21t angekomen, gleich ihr Concert auf d: 24t ansezte*, daß nun alles da rannte und lief, und seine lezten paar Groschen hervorsuchte kannst du denken, und ein großer Theil meiner Freunde bestürmte mich, mein Concert aufzuschieben, dieß wollte und konnte ich nicht, erstlich weil ich keine Zeit zu müßigem Zusehen habe, und 2t weil ich alle aufgeschobenen Concerte pp haße.      Ich dachte also, wie Gott will, — und gab guten Muths d: 23t mein ConcertT. Zu allem Unglük kam noch daß nach 4 wöchentlichen elendem Wetter gerade d: 22t das schönste Wetter einfiel, und auch d: 23t Morgens kein Wölkchen zu sehen war, auf einmal um 1 Uhr aber fieng es an zu regnen. und siehe da es war so gar schlecht nicht. freylich hätte ich ohne die Catalani bestimmt 100 Louisdor mehr eingenommen, aber so war ich froh noch ohne Schaden durchzukommen, da die Unkosten sich auf 300 Gulden ConventionsGeld belaufen.      Der Beyfall war abermals ungeheuer. Lüzows wilde Jagd wurde wieder da capo gerufen, und ich hatte alle Ursache aufs vollkommenste Zufrieden mit dem Enthusiasmus und der allgemeinen Liebe zu sein. Die Ausführung trefflich. Tags vorher hatte ich die Catalani beym Fürst Radziwil bewundert, und wurde zugleich der Königin der Niederlande vorgestellt, die mich mit Höflichkeiten über meine Kantate überschüttete.      Gestern erhielt ich einen Brief von dem gesamten Chor Personal der mich sehr freute und rührte, aus Dankbarkeit und Achtung für meine Komposition thun sie sämtlich auf Ihr Honorar in meinem Concert Verzicht, und fühlen sich aufs schönste durch meine Zufriedenheit belohnt. Doch nun eile ich so viel als möglich fort, und warte nur noch etwas ab.      ich bin recht traurig daß ich nun keinen Brief von dir hier mehr erhalten werde, da ich so dum war dir schon in No: 3 zu schreiben daß du nach Carlsbad schikken solltest. freylich wußte ich damals noch nichts von der Wiederholung der Kantate. Doch nun genug und übergenug von mir, und zur Beantwortung Deines liebenden guten Schreibens.      Du hattest wohl Recht, mein guter Muks auf die Post böse zu sein, denn dein Carl versäumt gewiß keinen Posttag. Du armer MukkenKönig hast doppelte Angst wegen mir ausstehen müßen, d: 15t und 18t hingegen hast Du im Voraus die Angst für d: 23t überstanden.      Apiz ist ganz voll deines Lobes über die Rolle in der Vaterliebe*, und wenn Papa und Mama Liebich sogar sich bewegt haben, so war es gewiß äußerst sehr, und indem ich dir dazu von Herzen gratulire, freut es mich daß du fleißig und thätig bist.      Ein Benehmen wie Allrams thut freylich wehe, aber übersehe es meine geliebte Lina, denke nur daß es auch sehr schmerzlich ist, immer | in untergeordnetem Range zu stehen, und daß eine unendliche Güte des Herzens, Resignation, und Gerechtigkeit dazu gehört, es duldend zu tragen, und nicht wenigstens traurig darüber zu werden.      Also habe Nachsicht mit solchen verzeihlichen Schwächen, bedenke daß du mit ihnen leben must, und suche lieber den Schmerz den ihnen dein überwiegendes Talent verursachen muß, durch Freundlichkeit und Anspruchslosigkeit zu mildern.

Wenn es mir irgend möglich ist, bringe ich gewiß mein Bild wieder mit*. ich werde darauf bestehen daß es abgezeichnet wird, damit ich es selbst wieder dem abergläubischen Mukkel überliefern kann, und damit ich keine Haue kriege.      Ja wohl lieber Mukkel, ich wollte Du könntest mich umschweben, du würdest wohl zufrieden sein. Es ist wahr, ohne Bußen geht es nicht ab, /: siehst du! hör ich dich rufen, und ich lache :/ aber es sind nur die Ankunfts und Abscheds Bußen; und du wirst es meiner ehrlichen Nase schon ansehen, daß ich Niemand von Herzen gebußt habe.

ich bin brav, wie immer.      Puntum!

Ich bin froh daß Liebich schon einen Baßisten hat*. Grüße sie beyde freundlichst von mir, und sobald als möglich ist werde ich schon kommen.

Lieber Mukkel, manchmal treffen doch deine Ahndungen ein. /: aha! jezt spizt du die Ohren :/ d: 17t Abends wo Du so eine Angst hattest, hat mich wirklich der Teufel in seinen Klauen gehabt. ja ja, gewiß. denn ich ersehe aus meinem Tagebuche, daß nachdem Morgens die Probe der Kantate gewesen war, ich Abends beym Fürst Radzivil die Szenen aus dem Faust von Göthe gehört habe, die er componirt hat.      Teiferl hat mir aber nichts gethan, sondern mir viel Vergnügen gemacht, und sogar dasviele Gefrorne was ich bey ihm gegeßen habe, hat mir nichts geschadet.

Jezt heißt es schließen mein geliebter Mukkel. ich bitte dich ja mich bey meinem guten Apitz aufs Dringendste zu entschuldigen, daß ich ihm auch dießmal nicht antworte, da ich zu lange mit Muks geplaudert habe. 1000 herzliche Grüße an ihn und die Mutter.      Ach nur ein 4tel Stündchen im Ett. und LipperlKomedie. nun bald —
ich küße dich Millionenmal, sey brav und gedenke heiter deines dich unveränderlich treu liebenden Carls.

Heute Mittag speise ich beim Kronprinzen. willst Du mit?

Apparat

Zusammenfassung

berichtet ausführlich über die zweite Aufführung der Sieges-Kantate in Berlin; betr. Prager Theater

Incipit

Dein lieber freundlicher Brief vom 17t huj: kam

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 66

    Quellenbeschreibung

    Provenienz

    • Weber-Familiennachlass

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Muks, S. 238–242

Textkonstitution

  • „… bin brav , wie immer“brav und: wie immer dreifach unterstrichen

Einzelstellenerläuterung

  • „… auf d: 24 t ansezte“Zum Konzert vgl. u. a. AmZ, Jg. 18, Nr. 29 (17. Juli 1816), Sp. 499f.
  • „… die Rolle in der Vaterliebe“Auch in der Rezension im Sammler (Jg. 8, Nr. 87 vom 20. Juli 1816, S. 360) wird Caroline Brandt (neben Carl Liebich) aufgrund ihrer Rollendarstellung in der Vorstellung am 15. Juni positiv hervorgehoben.
  • „… gewiß mein Bild wieder mit“Ein Bildnis von sich hatte Weber als mögliche Vorlage für die bei Schlesinger erscheinende, von Friedrich Jügel gefertigte Aquatinta mit seinem Porträt zur Verfügung gestellt; laut Tagebuch hatte er es am 28. April 1816 J. N. Hummel nach Berlin mitgegeben. Die erste Begegnung mit Jügel ist im Tagebuch am 7. Juli 1816 festgehalten.
  • „… Liebich schon einen Baßisten hat“Nach dem kontraktbrüchigen Abgang von F. Siebert übernahm L. Zeltner ab August 1816 dessen Stelle.

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