Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Dresden
Ems, Dienstag, 2. und Mittwoch, 3. August 1825 (Folge 1, Nr. 12)

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Guten Morgen, mein vielgeliebtes Leben. habe vortrefflich geschlafen wie immer, gebechert, gefrühstükt, geplaudert, gelaufen. — und nun bin halb gebraten von der entsezlichen Hizze in meinem kleinen Nestchen, und muß ein paar Worte mit der Mukkin reden. Heute sind Viele abgereißt*, denen ich mit neidischen Blikken nachgesehen habe. Die Meisten zufrieden, Viele ganz glüklich. Möge der gnädige Himmel mich zu den Lezteren gesellen. ich scheine jezt auf der Höhe des Effektes des Brunnens zu sein, alle alten Uebel werden rebellisch, der rheumatische Schmerz in der Brust, Zahnweh auf allen Seiten, Husten zu allen TagesZeiten, aber alles nur wandelnd, kommend und gehend. Die ersten paar Stunden des Tages bin ich meist sehr angegriffen, und fliehe in die einsamsten Winkel, komme auch sehr früh wenn noch Niemand fast am Brunnen ist, um nicht sprechen zu dürfen. sobald aber einige Becher verzehrt sind, kehrt Beruhigung in den ganzen Körper zurük, und der übrige Tag ist, einige Müdigkeit abgerechnet ganz heiter und kräftig.      Die Ärzte sagen, es müße so sein, und somit muß man in Geduld das günstige Resultat abwarten.      Ein großer Trost ist mir die Anwesenheit des Leib Arztes der Kronprinzessin Hr: v: Stosch, der herzlichen Antheil an mir nimmt, und mich tröstet und belehrt. Die hiesigen Ärzte, sind, — Bade Ärzte. — —

Die Anwesenheit Wolfs, und daß wir in einem Hause wohnen*, ist auch eine große Annehmlichkeit mehr für mich. Er kennt so alle Dinge die mich intereßiren können, und es ist eine Lust auch so ganz verstanden zu werden.

Von Lichtenstein habe ich auch Brief gehabt. Brühl hat ihm gesagt daß er die Euryanthe im 8b geben wolle, wo alle Künstler wieder zu Hauße wären, denn er wolle daß die kleinste Rolle tüchtig besezt sey. Nun, wir wollen sehen ob das Kind endlich ans Licht der Berliner kömt.

Kemble erwarte ich nun auch täglich, und bin höchst gespannt was das Resultat unsrer Unterhandlungen sein wird.      Wenn ich nur noch was recht ordentliches mache. Hier wird man so faul und verdummt so. Doch habe ich oft rechte Lust was zu schreiben.      Gott wird wohl wieder helfen wie er es bisher gethan. Da habe ich deinen No: 7 wieder durchgelesen, und mich abermals innig ergözt an dem heiteren Sinn der darin lebt. Bade und Pille ja recht ordentlich, daß der alte Grammel fortgeschafft wird, auf ewige Zeiten.      Bei mir ist schon recht ausgekehrt, und nur wenn ich so angegriffen bin, muß ich auch ein bißel still sein. — Wenn ich nur zu Hause noch eine Weile Ruhe hätte. denn das ist doch die Hauptsache bei mir.

Die vielen Gäste kosten dich allerdings Geld, aber ich bin doch froh daß es so ist; und was das Cour schneiden betrifft so ist das ganz in der Ordnung, und ich bin gar nicht eifersüchtig, denn ich weiß die Mukkin liebt den Muks, und da hat’s also gute Wege. nicht wahr meine Alte?      jezt stürz ich mich ins Waßer. wenn das viele an und ausziehen nicht wäre, wäre das nächst dem Fee das Anmuthigste des Tages.      da hast du einen guten Buß [Kußsymbol] und nun ade für heute. ade! ade! ade!

d: 3t      Da ist denn der gestrige Tag wieder so vertrödelt worden wie sein Vorgänger. Die Nacht habe ich ein bißel unruhig zugebracht weil der rheumatische Schmerz in der Brust mich so incomodirte daß ich nicht recht wußte auf welcher Seite ich liegen sollte.      Heute Morgen hat aber der beruhigende Keßelbrunnen* wieder alles weggespült. und zugleich erschien der junge Schleßinger aus Paris, der eigends hieher gekommen war um mich zu sprechen. Dieß ist mir nun allerdings intereßant genug. Er kann mir nicht genug sagen welche Furore der Freyschütz in Paris fortwährend macht*, beschwört mich so bald als möglich hinzugehen und eine Oper zu schreiben, und mochte mir sogar gern die Londner Oper ausreden. Das gelingt ihm nun freylich nicht, obwohl ich immer mehr einsehe wie unendlich wichtig für mich die Reise nach Paris ist.      Er hat mir den KlavierAuszug | des Freysch. mit italienischem Text mitgebracht*, und will nun auch mit mir unterhandeln wegen der Partitur; Da hoffe ich wohl das Emser Bad herauszuschlagen. Ach Gott, nur Gesundheit und frischen Muth, an Gelde wird es wohl nicht mehr fehlen wenn nur gearbeitet werden kann. Das wird aber mit Gottes Hülfe auch wieder kommen. ich tröste mich mit der an mir gemachten Erfahrung, daß ich vor jedem Werke dachte es würde nichts draus werden, und mir nichts mehr einfallen. am Ende gings doch, und wie die Leute sagen, gut. also courage Bajazzo*.      Heute ist ein Tag wo Ihr Euch gut unterhalten werdet, besonders Mosje Max. ich aber nebst 7000 Toiletten sehr vor einem Schwizbade zu zittern habe.      Die Kronprinzeßin giebt nehmlich heute Abend einen Ball, zu dem geladen zu sein ich die Ehre habe. Was ich da tanzen werde — — Nun! das soll schreklich sein!!! Damit ich zu meiner übrigen unendlichen Liebenswürdigkeit auch noch den Ruhm eines guten Tänzers füge. — Ach, ich bin zufrieden wenn die Leute nach meiner Pfeiffe tanzen, und mich selbst ungeschoren laßen. Das sagt der Dr. Vogler immer, ich müßte eigentlich das Bad im strengsten Inkognito brauchen können, damit mich Niemand sehen, sprechen und in Anspruch nehmen wolle.      Bekommst du denn Lüttichau gar nicht zu sehen? ich habe immer noch nicht an ihn geschrieben, noch an keinen Menschen als an dich.      Man komt nicht dazu; mag nicht, und bekomt auch gleich Kopfweh wenn man ein Stündchen schreibt oder ließt.      Schleßinger wird dich in Dresden besuchen, und dir sagen daß ich sehr wohl aussehe. Alle Leute schreyen mich drum an, und ich allein weiß wo der Hund begraben liegt. Geduld! Geduld!      Und so muß ich auch zu dir sagen, denn meine Briefe sind doch gar zu leer; aber ich weiß nitz, und ein Schelm giebt mehr als er hat.      also nimm vorlieb theures Herz und sei deinem armen alten Mops nicht böse.

     Gieb mir den Schnabel zu einem guten guten Buß. und küße auch meine geliebten Buben für mich. Der Lex hat sich gewiß recht verändert bis ich ihn wiedersehe, denn schon die 2 kleinen Mause Zähnchen müßen ihm ein ander Ansehen geben.
Ich drükke dich innigst an mein dich treu liebendes Herz. Grüße mir alle Freunde herzlichst, seid froh und glüklich und liebt Euren nur Euch liebenden
Carl.

Alles Erdenkliche von Wolfs.

Apparat

Zusammenfassung

Arzt beruhigt ihn, dass das Angegegriffensein von der Trink- und Badekur am Vormittag normal sei und der Effekt sich danach einstellen werde; ist froh über Kontakt mit dem Leibarzt der Kronprinzessin; hat Brief von Lichtenstein bekommen, der ihm mitteilt, dass Brühl die Euryanthe-Aufführung in Berlin für Oktober plane; hat Besuch von Maurice Schlesinger aus Paris gehabt, der vom Erfolg der Freischütz-Aufführungen dort schwärmte und ihm riet, eine Oper für Paris anstatt für London zu schreiben; Kronprinzessin gibt einen Ball, zu dem er eingeladen ist

Incipit

Guten Morgen, mein vielgeliebtes Leben. habe

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 195

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)
    • urspr. 1 DBl., Bl. 2 abgeschnitten
    • Randmarkierungen mit Blaustift und Rötel von Max Maria von Weber

    Provenienz

    • Weber-Familiennachlass

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Joachim Veit, Eveline Bartlitz und Dagmar Beck (Hg.), „...die Hoffnung muß das Beste thun.“ Die Emser Briefe Carl Maria von Webers an seine Frau, München 2003, S. 83-85 (mit Faks.)

Textkonstitution

  • Meisten„meisten“ überschrieben mit „Meisten

Einzelstellenerläuterung

  • „… reden. Heute sind Viele abgereißt“Darunter das Ehepaar Leerse; vgl. den diesbezüglichen Tagebucheintrag vom 1. August 1825.
  • „… wir in einem Hause wohnen“Das Ehepaar Wolff war (wie Weber) im Haus „Zu den 4 Thürmen“ abgestiegen; vgl. Kurliste Nr. 12 vom 31. Juli bis 6. August 1825, S. 147.
  • „… hat aber der beruhigende Keßelbrunnen“Gemeint ist das Heilwasser aus dem Kesselbrunnen im Zentrum des Kurhauses.
  • „… Freyschütz in Paris fortwährend macht“Die Oper wurde in Paris seit dem 7. Dezember 1824 in der französischen Fassung von Castil-Blaze unter dem Titel Robin des Bois gegeben.
  • „… Freysch. mit italienischem Text mitgebracht“Bei M. Schlesinger in Paris war 1825 der Freischütz-Klavierauszug unter dem Titel Il Franco Arciero (VN: M. S. 339.) erschienen; die italienische Übersetzung stammt von G. A. Rossi.
  • „… gut . also courage Bajazzo“Das Zitat findet sich u. a. in Gustav Schillings Erzählung Der Mantel in: Flora. Sammlung kleiner Romane und Erzählungen von A. Lafontaine, Zschokke, Kind, und andern Schriftstellern, Bd. 7, Brünn 1815, S. 104.

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