Max Maria von Weber an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
Riesa, März 1849

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[…] Ich kann mich nicht leicht eines Monats entsinnen, wo ich so beharrlich hinterm Arbeitstisch gesessen hätte wie diesen März, und doch ist von handgreiflichen Resultaten effektiv nichts erzielt worden. In der Bosheit darüber habe ich mich nun lediglich mindestens vier bis fünf Stunden täglich mit den Sprachen beschäftigt und will nun geraume Zeit jede selbständige Produktion an den Nagel hängen, höchstens, um mit dem Versemachen nicht ganz aus der Routine zu kommen, etwas übersetzen. Ein Pröbchen derart, ein Sonett Camöens, lege ich bei, ohne Hoffnung, daß es Ihnen einen ähnlichen Eindruck machen könne, wie mir, da der Glockenklang der iberischen Sprachen ohne Gleichen ist. […] Manchmal, wenn ich so in meinem traulichen Stübchen sitze, meiner schön angewachsenen Bibliothek gegenüber, und der Geist der Wahrheit und Schönheit aus irgend einem Studium oder einer Anschauung mir so recht vertraulich nahetritt und mich seiner lieblichsten und erhabensten Offenbarungen würdigt, dann erscheint es mir auf Augenblicke, als entbehre ich gar nichts, als wäre das höchste Gut in der Gesellschaft dieser Geister mein. Noch öfter aber überfällt mich eine unaussprechliche Sehnsucht nach irgend einem geliebten Wesen, plötzlich, in Momenten, wo ich dessen gar nicht gedachte, jagt mich auf von der Arbeit und zwingt mich zu den energischsten Anstrengungen, um nicht überwältigt zu werden von diesem Gefühl. Wie viele stundenlang konsequent durchgeführte Gedankenreihen hat nicht das innere Erscheinen des freundlichen Gesichtchens meines Töchterchens oder der Klang eines Wortes zerrissen, das von ihr auszugehen schien. Die späteren Abendstunden, welche ich von 9 Uhr an gewöhnlich zuhause zubringe, sind oft wie von Dämonen erfüllt. Meine lebendig aufgeregte Phantasie, deren Zähmung mir ohnehin so viel Mühe macht, treibt dann zügellos ihr Spiel. […]

Apparat

Zusammenfassung

klagt über seine Einsamkeit in Riesa, beschäftigt sich mit Übersetzungen und Sprachstudien

Incipit

... Ich kann mich nicht eines Monats entsinnen

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Frank Ziegler

Überlieferung

  • Textzeuge: Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 324–325

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