Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater und Linkesches Bad: 16. bis 23. Mai 1818

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Am 16. Mai. Jakob und seine Söhne in Egypten.

Die Aufführung dieser beliebten Oper war im Allgemeinen den vorhergehenden Darstellungen derselben gleich. Nur war die unreine Stimmung und Intonation der Trompeten im Hymnus zu Anfang des 2ten Aktes etwas störend. Herr Delcher, vom Großherzogl. Hessischen Hoftheater zu Darmstadt, gab den Jakob als Gast.

Am 17. Mai. In der Stadt: Die Tochter Pharaonis. Lustspiel in 1 Akt, von Kotzebue. Ein Herr Beral machte in der Rolle des Tippel seinen ersten theatralischen Versuch. Wer wollte da streng richten. Wir verkennen, besonders in Organ und Aussprache, auch günstiger Gesichtsbildung, Anlagen zum Schauspieler nicht, aber sehr hat der junge Mann über sich zu wachen, und vor allen die Haltung seines Körpers, Gang, Armbewegung u. s. w., den Regeln des Schönen und des Anstandes mehr anzuschmiegen, um mit Erfolg auch nur die ersten Schritte auf der schweren Laufbahn des Künstlers zu thun.

Das Dorf im Gebirge.

Am 19. Mai. Auf dem Theater am Linkeschen Bade: Künstlers Erdenwallen.

Am 22. Mai. Auf dem Theater am Linkeschen Bade: Die Schweizerfamilie. Weigls treffliche Musik zu dieser Oper, die man wohl füglich eine musikalische Idylle nennen kann, bleibt ein nie welkender Lorbeerkranz, den der wackre Componist sich errungen. Ihr entschiedner Werth ist in sich begründet, und von allen, die auch nur eine Ahnung von Poesie der Musik, und von wahrem musikalischen Ausdruck haben, und die Oper nicht blos als einen musikalischen Guckkasten, oder als einen Tummelplatz, zum Wettlaufen und Springen für die Sänger betrachten, hinlänglich anerkannt. Es bedarf daher hierüber keines Wortes mehr. Mehreremal schon wurde diese Oper in italienischer Uebersetzung auf dem italienischen Theater gegeben, wo Signora Sandrini sich sehr auszeichnete. Allein eben der entschiedenen Individualität und Eigenthümlichkeit dieses rein vaterländischen Werkes wegen, läßt es weniger als irgend eine andre Oper eine Verpflanzung auf fremden Boden zu, ohne an seiner eigenthümlichen Wirkung zu verlieren. Diesmal sahen wir es nun im deutschen Gewande von der Hofgesellschaft zum erstenmal. Madame Sandrini, als Emmeline, lößte die schwere Aufgabe, in fremder Sprache eine, der gewohnten nationalen Manier fast widerstrebende Parthie, gnügend auszuführen, sehr brav. So mächtig Mad. Sandrini der deutschen Sprache auch in der Conversation ist, so fällt doch ihr fremdartiger Dialekt (besonders in der Prosa; im Gesange weniger) dem ¦ deutschen Ohre freilich etwas lästig. Allein dies gereicht ihr nicht zum Vorwurf, und benimmt dem Guten, was sie in Gesang und Spiel leistete, nicht seinen Werth. Auch müssen wir ja oft selbst von Deutschen den härtesten Provinzial-Dialekt ertragen. Ihr Spiel war (bis auf die kleine gewöhnliche Spielerei mit der Schürze, in der Arie: Wer hörte wohl jemals mich klagen? &c.) meist wahr und ausdrucksvoll, so wie im Gesange ihre beobachtete, der gewohnten Manier freilich etwas widerstrebende Einfachheit, hier, verbunden mit Gefühl und Leben, sehr lobenswerth war. Herr Delcher gab als zweite (und letzte) Gastrolle den Grafen. Es mag dem wackern Herrn Capell-Meister von Weber wohl wehe genug gethan haben, aus Rücksicht auf die einmal eingeführten Vorrechte eines Gastes, die Einlage einer fremden Musik in dieser Oper gestatten zu müssen*. Herrn Delcher ist es aber nicht zu verzeihen, daß er die Einheit des Ganzen, in sich Vollendeten, durch Einmischung des Fremden störte, ohne uns dadurch für das zu entschädigen, was er uns in seiner Darstellung des Jakob, in Mehuls Oper vermissen ließ. Als Paul trat Hr. Nitzschke (der bisher nur im Chor figurirt hatte) zum erstenmal in einer besondern und nicht unbedeutenden Rolle auf, und nicht mit Unehren. Er zeigte sehr glückliche Anlage zum Komischen, führte seine Rolle mit einer, bei Anfängern seltnen Gewandtheit und Freiheit aus, und verspricht, wenn er auf diesem Wege fortwährt, Bedeutendes für die Zukunft, sobald er sich nur durch die, ihm vom Publico gegebnen Merkmale der Zufriedenheit mit seinem ersten Versuche nicht verleiten läßt, zu glauben, er stehe schon am Ziel der Bahn, die er so eben erst betritt. Herr Hellwig gab den Richard, so wie Mad. Mieksch die Gertrud sehr wacker. Nur schien uns der treuherzige Richard zuweilen ein klein wenig zu geschmeidig. Herr Bergmann, dem die Rolle des Friburg mehr als andern zusagt, sang sehr brav, und war auch im Spiel mehr mit sich einig, als sonst zuweilen. Herr Geiling war ein recht gutmüthig launiger Durrmann, wie er hier seyn soll. Das Ganze ging gut zusammen, und verdiente gerechten Beifall.

Das Orchester trug mit aller der, dieser Musik vorzüglich gebührenden Präcision und Discretion vor, und die so richtige Wahl der Tempo’s, die grade hier so bedeutenden Einfluß auf die Wirkung des Ganzen hat, zeigte, mit welcher Einsicht und mit welchem Mitgefühl Herr von Weber den Geist des Componisten und des ganzen Werkes aufgefaßt hat. Nur der sogenannte Kuhreigen, im dritten Akt, schien uns ein etwas gemäßigtes Zeitmaß zu vertragen. Doch ist auch dieses, zum Theil wenigstens, Gegenstand individueller Ansicht.

Am 23. Mai. In der Stadt: Paolo e Virginia.

F.

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater und Linkesches Bad: 16. bis 23. Mai 1818, dabei besonders über „Die Schweizerfamilie“ von Weigl

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Albrecht, Christoph; Fukerider, Andreas

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 2, Nr. 137 (10. Juni 1818), Bl. 2v

    Einzelstellenerläuterung

    • „… dieser Oper gestatten zu müssen“Laut Tagebuch eine „Arie aus Atalia“.

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