Über Webers Musikalische Akademie in Berlin am 18. Juni 1816

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Notizen aus Berlin

Musikalische Akademie, vom Hrn. Kapellmeister Karl Maria von Weber aus Prag, am 18ten d. im königl. Opern-Theater veranstaltet.

Diese von dem genialen Komponisten den Musikfreunden Berlins bereitete, würdige Kunstfeyer des Jahrestages der in ihren segensreichen Folgen für Völkerglück und dauernden Frieden so höchst wichtigen Schlacht bey belle Alliance und Waterloo am 18. Juni 1815, verdient schon in Hinsicht des uneigennützig wohlthätigen Zweckes, dann aber auch wegen der gelungenen Ausführung der werthvollen Kompositionen, ehrenvoll auszeichnende Erwähnung.

Die Ouverture zur "Epimenides Erwachen" von unserm verdienstvollen Kapellmeister Hrn. B. A. Weber, bereitete die Gemüther der Zuhörer auf ernste Empfindungen wirksam vor.

Drey Gedichte von Theodor Körner, aus "Leyer und Schwerdt" liedermäßig, doch im größern Styl von C. M. von Weber komponirt und im Männer-Chor kräftig und rein vorgetragen, folgten. Zuerst das Begeisterung für dem Freyheitskampf athmende – das letzte Lied des teutschen Barden neuerer Zeit – sein "Schwerdtlied" durch die gewählte Moll-Tonart und das ermunternde „Hurrah!“ mit der großen Terz schließend, vom Tonsetzer wahr und sinnig wiedergegeben. Dann das "Gebet" voll andächtigem Gefühl. Zuletzt "Lützows wilde Jagd", ganz besonders durch den hoch jubelnden Ausruf am Schluß ergreifend.

Das letztere Lied gefiel vorzüglich und wurde auf lautes Begehren wiederholt.

Die neue Kantate "Kampf und Sieg" von dem königl. Bayerschen Hof-Schauspieler Herrn Wohlbrück gedichtet, füllte den zweyten Theil aus.

Zweckmäßig wurde das meistens sehr gelungene, und für die Lyrische Bearbeitung wohl geeignete Gedicht zuerst von Herrn Beschort vorgelesen. Dann folgte die geniale Komposition von Herrn von Weber, im Ganzen reich an Phantasie, groß und kühn ausgeführt und im Einzelnen die Parthie des Schlacht-Gemähldes sehr gelungen. Einmaliges Hören eines so kombinirten Werkes läßt nur eine leichte Skizze entwerfen.

Der erste „Völker-Chor“ wird durch eine Introduktion (D Moll) verbereitet, welche das Loßreißen der höllischen Zwietracht, die neue Unterbrechung des erkämpften Friedens schildert. Der personificirte „Glaube“ (Baßparthie, von Hrn. Fischer ausdrucksvoll vorgetragen) tröstet in einem sanften Solosatze, (B Dur) welcher durch zarte Violoncell-Solo’s in einem melodiereichen 3stimmigen Gesang übergeht, (G Dur) in dem sich „Liebe“ (wahrhaft lieblich von Madame Milder-Hauptmann) und „Hoffnung“ (Tenorparthie von Herrn Eunicke sonor gesungen) an den „Glauben“ anschließen. Voll innigen Gefühls ist die Stelle: "Eintracht ist Siegespfand". Der Krieger-Chor fällt mächtig und in kurzen Rhythmen voll Entschlossenheit und Kampflust ein: ein aus der Ferne tönender militärischer Marsch "Freundes Jubelklang" mischt sich darein. "Es naht der Feind mit wilder Wuth" wird wild gemahlt, aber zuversichtlich schließt der Chor: "Mit Gott sey unser Werk gethan." – Aus der Ferne ein kecker, verwegener Marsch des Feindes; sehr kunstvoll ist dazwischen der Gesang der Krieger aus Theodor Körners Gebet verwebt. Nun beginnt der Sturmschritt, Trommeln treten ein, der Angriff, die Schlacht, der Uebermuth des Feindes wird hier in so gewaltigen Tonmassen ausgedrückt, daß deren Beschreibung unmöglich ist. Nur muß als eine sehr glückliche Idee das erst schwache, dann immer mehr überhand nehmende: "À Ca Ira!" des Feindes angeführt werden, welches zuletzt wieder ganz erdrückt wird, als die Preußischen Flügelhörner den herannahenden mächtigen Sukkces verkünden. Nun wird das erneute Schlacht- und hier Ton-Gewühl immer heißer und wilder bis zu dem jubelnden Ausruf gesteigert: „Hurrah!“ er flieht!" – Hier tritt der Siegesmarsch mit bisher nicht gebrauchter Janitscharen-Musik und das "Heil dir im Siegeskranz" ein. Die Schlacht endet – ihr Rauschen vertönt.

In diesem mahlerischen Theil der Musik sind durchaus keine kleinlichen, spielenden Mittel angewandt und dennoch wird der höchste Effekt erreicht; auch ist der Vortheil des commentirenden Gedichts vor andern musikalischen Schlachtgemählden vorhanden und das Ganze wohl geordnet und verständlich. – Der nun folgende Schluß der Cantate ist von besonderem lyrischen Werth, und wurde in den Soloparthien trefflich ausgeführt. Der Völker-Chor schließt mit dem kunstreich durchgeführten Thema des imponirenden "Herr Gott! dich loben wir" majestätisch, und dessen Wirkung wird noch erhöht durch die, blos mit Solo-Singstimmen dazwischen wiederkehrende Bitte, mit der auch wir schließen: "Gieb und erhalte den Frieden der Welt."

Auf hohes und allgemeines Verlangen wurde die Cantate und die Lieder am 23. Juny im Conzert-Saale des Schauspielhauses zum Zweytenmal aufgeführt und mit noch größerem Enthusiasmus aufgenommen. Lützows wilde Jagd wurde abermals Da capo gerufen, und manche Stelle der Cantate vom rauschenden Beyfall unterbrochen. Nächst dem König von Sachsen hat auch der König der Niederlande Hrn. von Weber eine goldene Dose mit einem außerordentlich schmeichelhaften Schreiben zugesandtT.

Se. k. H. der Herzog von Cambridge ist den 29. Juny zu Berlin angekommen.

Madame Catalani, die vollendetste Künstlerin unsrer Zeit, und durchaus über alle Beschreibung erhaben, entzückt die Bewohner Berlins, und trotz des hohen Preises von 1 Duc. müssen bey jedem ihrer Conzerte hunderte von Menschen wieder zurückgehen. Der Sage nach wird sie auch in Prag – der Stadt, wo Mozarts hohes Genie zuerst gewürdiget und ihm Opfer gebracht wurden – ein Conzert geben.

Stanzen an Karl Maria von Weber

Wie tönte dort entzückend ein herrliches LiedAuf des Muthes erhebenden Schwingen!Begeist’rung erwacht und der Funke sprüht,Der für das Edle im Herzen erglüht,Wenn solche Töne erklingen.Und fragt ihr: von wannen kommt der Klang?Das ist seines Genius begeisternder Sang.Wie tönt es dort aus des Kampfes NachtWie der Helden gewaltiges Streiten,Lebendig gezeigt wie durch Farben-Pracht.Begleitet von lieblicher Töne Macht,Und dem Klange der schallenden Saiten!Und fragt ihr: von wannen kommt der Klang?Das ist seines Genius begeisternder Sang.Der edle Sang und der teutsche SangErfüllt uns mit heiligem Beben;Drum künde das Herz auch im feurigen Drang,Was der Herrliche vollendet errang,Das Hohe, im feurigen Streben –Lebendig sey’s in der Erinnerung KlangDas war seines Genius begeisternder Sang.

Apparat

Generalvermerk

bei Bužga Weber zugeschrieben; Weber hielt sich während Catalanis Gastspiel in Berlin ebenda auf und besuchte mehrere Konzerte der berühmten Sängerin (vgl. TB 22./24./25. Juni und 3./7. Juli 1816); als Verfasser der von Bužga zugewiesenen Schriften kommt, er zwar nicht in Frage, er lieferte aber Material aus Berlin als Vorlage; vgl. seinen Brief vom 29. Juni 1816 an Caroline Brandt. Der Text basiert u. a. auf dem Bericht zum Konzert am 18. Juni 1816 in: Königlich privilegirte Berlinische Zeitung von Staats-und gelehrten Sachen, Nr. 74 (20. Juni 1816) sowie auf dem Gedichtabdruck in derselben Zeitung, Nr. 77 (27. Juni 1816).

Entstehung

Überlieferung

  • Textzeuge: Kaiserlich Königlich privilegirte Prager Zeitung, Jg. 3, Nr. 191 (9. Juli 1816), S. 759

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Jaroslav Bužga, Vergessene Aufsätze, Berichte und Mitteilungen aus Carl Maria von Webers Prager Wirkungszeit (1813–1816), S. 105
    • Jaroslav Bužga, Vergessene Aufsätze, Berichte und Mitteilungen aus Carl Maria von Webers Prager Wirkungszeit (1813–1816), S. 119f.

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