Wilhelm Beer to Giacomo Meyerbeer in München
Berlin, Tuesday, July 21, 1812

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Herrn

Meierbeer aus Berlin

in

München

Liebe Mayer!

Mein mehr monathliches Stillschweigen breche ich heute nicht durch Zufall sondern aus einem sehr wichtigen Grunde, und dieser Grund heißt: Tausend Freunde sind nicht genug und ein FreundFeind ist schon zuviel*. Ich habe nehmlich diesen Morgen einen Brief v. Gottfried Weber an den Herrn v. Weber gelesen der mir wirklich weh gethan hat, denn du weißt daß ich dich trotz dem daß du mich oft en bagatelle behandelt hast sehr lieb habe und daß mich nichts mehr freuen kann als Gutes von dir reden zu hören, der entgegen gesetzte Fall aber mir noch in weit größerem Maaße Aerger verursacht. Nun ist mir heut eine Schilderung von dir, deren Verfasser (Gottfr: Weber) einer deiner besten Freunde ist zu Gesichte gekommen welche du gewiß nicht ans Fenster stecken würdest. Er schreibt nehmlich an den Herrn v. W. daß er dir schon seit April 8. Briefe geschrieben worauf er gar keine Antwort erhalten; seine Frau habe sich während ihres Wochenbettes* ein Geschäft daraus gemacht dir ein kleines Andenken zu verfertigen und er dir eine seiner Kompositionen zugesandt um deine Meinung darüber zu hören, aber keine Zeile welche ihm die Ankunft dieser Sachen gemeldet hätte empfangen. Zuletzt wäre er gezwungen gewesen einen ihm sehr wenig bekannten Menschen in München zu beauftragen sich die Musik von dir zurück geben zu lassen welche derselbe ohne ein Weiteres erhalten habe. Jetzt kann er wie natürlich nicht mehr umhin dieß als bloße Faulheit und Nachläßigkeit zu betrachten sondern ist gezwungen es als Verachtung und als ein Zeichen daß du mit ihm brechen willst anzusehen. Er läßt sich darüber ohngefähr mit folgenden Worten aus. „Beer wird zuweilen durch eine Kleinigkeit worauf kein anderer Mensch achten würde piquirt und sucht sich alsdann durch kindischen Trotz und Grobheit in seinen Augen Genugthuung zu verschaffen[“]“; und noch viele andere dergleichen Ausfälle auf deinen moralischen Karakter die ich nicht mehr wörtlich be | halten habe. Auch erinnere ich mich daß er 2. Empfehlungen erwähnt die er dir für sehr große Häuser in München gegeben wobei dir gesagt worden daß dieselben nicht bloße Empfehlungsschreiben wären sondern auch andere Anzeigen enthielten. Allein eben so wenig dieser als der übrigen Sachen Schicksal ist ihm zu Ohren gekommen: doch, wie kann ich dir alles erzählen was er einen ganzen Bogen hindurch von dir spricht. Nächsten Posttag schicke ich dir eine Copie davon um meiner Aussage die gehörige Glaubwürdigkeit zu verschaffen. Vielleicht bewegt dich dies ihm zu antworten. Auch Vater und Mutter waren ganz erstaunt und betrübt darüber. Du selbst wirst erstaunt sein wenn du es liest. Uebrigens weiß ich recht gut daß ich mich vielleicht deinem Mißfallen ausgesetzt habe. Du sagst vielleicht wahrscheinlich, „wie kann sich der Schwachkopf[]“ oder wenn es glimpflich kommt, []das Kind, unterstehen mich zu tadeln[], aber dein Wohl und Weh ist mir zu sehr ans Herz gewachsen, als daß ich eine Beschimpfung dabei achten sollte. Auch habe ich diese Zeilen einestheils darum geschrieben welch weil es mich gedauert hat wie sehr Vater und Mutter deshalb betrübt waren

Der Deinige
Wolff Beer.

Das hier einliegende Gedicht ist von Kley – von wem das andere ist weiß ich auch nicht. Sonderbar ist es daß Kleys Gedicht auf die Schmähschrift Bezug hat und daß beide grade an einem Zeitungstag eingerückt worden sind.

Editorial

Summary

teilt den Inhalt von Gottfrieds Beschwerdebrief an Weber, Meyerbeer betreffend, mit

Incipit

Mein mehr monatliches Stillschweigen breche ich heute nicht durch

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: N. Mus. Nachl. 97, A/38

    Physical Description

    • 2 Bl. (3 b. S.)
    • PSt: LEIPZIG
    • Rötelanstreichungen von fremder Hand

    Corresponding sources

    • Becker (Meyerbeer), Bd. 1, S. 192–193

Text Constitution

  • “Freund”crossed out
  • “Feind”added above
  • “seit Apriladded above
  • “zurück”added above
  • “vielleicht”crossed out
  • “wahrscheinlich”added above
  • “welch”crossed out
  • “weil”added above

Commentary

  • “… Freund Feind ist schon zuviel”Sinnspruch aus: Johann Gottfried Essich, Lesebuch für Deutschlands Jugend, zur vorläufigen Kenntniß von der Bestimmmung des Menschen, und seinen zerschiedenen Berufsgeschäften, Frankfurt/Main, Leipzig 1800, S. 187.
  • “… habe sich während ihres Wochenbettes”Am 17. Februar 1812 war Sohn Alexander geboren worden.

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