Georg August von Griesinger an Carl August Böttiger in Dresden
Wien, Samstag, 20. September 1823

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Mein verehrter Freund,

Ich erfahre heute durch Ihre Pflegtochter, daß Sie nach Freiberg verreist sind. Zugleich lassen Sie mir sagen, daß Weber mit seiner Oper wenig Unterstüzung von Seiten des hiesigen SängerPersonals hoffe, und ob denn die deutsche Oper wirklich so vernachläßigt sey ?

Nein, antworte ich, aber sie kann, wie keine deutsche Oper in der Welt, mit den italienischen Künstlern in die Schranken treten, die wir seit sechs Monaten hier zu bewundern Gelegenheit hatten. Ich habe Ihnen immer von der ausgezeichneten Virtuosität dieser Leute gesprochen, mit denen sich auch nicht Ein Sänger in ganz Deutschland meßen kann. Das ist kein Vorurtheil, sondern unbestreitbares factum. Im Norden wollt Ihr das nicht glauben, und Frau v. Piquot erzählte mir, daß wenn sie von den italienischen Gesanghelden gesprochen habe, sie mit Achselzüken angehört worden sey.

Unsere Grünbaum, Sonntag, Unger, unser Forti, Jäger, Seipelt p.p. können in jeder deutschen Oper mit Ehren auftreten, und werden  in Dresden, Berlin, Hamburg, Cassel pp. Lorbeeren einärndten. Das ist aber alles nur Mittelgut gegen eine Fodor, | einen Lablache, David, Ambrogi pp. und es ist unmöglich zu verlangen, daß wenn man sechs Monate hindurch mit dem Vortreflichsten was Italien im Gesang aufbieten kann, gesättigt worden ist, das Mittelmäßige nun eben denselben Eindruk machen soll. Der Rossinianismus und Anti Rossianismus kommt dabei in gar keine Betrachtung. Mozart, Rossini, Weber, Mehül pp. mögen im inneren Werth ihrer Compositionen auf gleicher Höhe stehen. Begreiflicher Weise wird jedoch der das meiste Glük machen, der zur Ausführung seiner Muse mit den tüchtigsten Sängern auftreten kann.

Das hiesige Pubikum ist übrigens sehr gerecht; was gut ist, wird anerkannt, nur kann man sich für eine mittelmäßige Ausführung nicht so exaltiren wie für eine vortrefliche.

Dixi! Totus Tuus Gr.

Editorial

Summary

durch Böttigers Pflegetochter erfährt Griesinger, dass Weber glaube, wenig Sänger-Unterstützung in Wien zu erfahren, darauf antwortet G. ausführlich, dass er das nicht glaube, allerdings seien die italienischen Sänger ohne Frage die besseren, das war unlängst zu erleben, und das Wiener Publikum sei gerecht und könne sich für Mittelmaß nicht begeistern

Incipit

Ich erfahre heute durch Ihre Pflegetochter

Responsibilities

Übertragung
Frieder Sondermann; Eveline Bartlitz

Tradition

  • Text Source: Dresden (D), Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Handschriftenabteilung (D-Dl)
    Shelf mark: Mscr. Dresd. h 37:4, Bd. 64, Nr. 193

    Physical Description

    • 1 Bl. (2 b. S.)

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