Karl Theodor Küstner an Karl Theodor Winkler in Dresden
Leipzig, Mittwoch, 27. Dezember 1826

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Erst heute ist es mir möglich geworden, zu der versprochenen Mittheilung zu kommen.

Was den Oberon anlangt, sage ich Ihnen zu vörderst, daß derselbe mit dem größten Beifalle aufgenommen worden. Man war so begeistert von der Musik als zufrieden mit der Ausführung, die Alles leistete, was unsere Mittel erlauben. Bei der Menge der Verwandlungen u Maschinerien muß ich es auch wirklich als ein Glück anerkennen, daß kein Fehler, keine Störung von Anfang bis zu Ende eintrat. — Mehrere kleine Veränderungen habe ich vorgenommen und nehme noch einige vor, die wohl von andern Direkzionen nachgeahmt werden dürften. Davon später, wenn Sie es wünschen, einmahl ausführlich. Dem Puck habe ich noch einen andern dienenden Geist, Droll, beigefügt, weil die Sängerin des Puck (Dlle Erhart) mir nicht den bedeutenden Erzählungen in Versen gewachsen schien. So spricht der Droll hier die bedeutendsten Reden, die zum Erfolg des 1t Akts | beitragen. Alle Sprechparthien als Almansor Roschana, Almansor waren in Händen vorzüglicher Schauspieler, als der Mad. Miedke H Stein u. s. w. Fremde kommen von allen Seiten dazu herbei, die Herzöge v. Braunschweig, von Altenburg u Dessau*. — Ihre Erste Liebe hat sehr gefallen*, so daß manchmahl mitten in den Reden applaudirt wurde. — Von Webers Festspiel verspreche ich mir recht viel. Ich bin schon damit beschäftigt und im 2t Theil des Januars dürfte es die Breter betreten.* D. Stieglitz hat das Gedicht gemacht, das auch recht befriedigt. Recht gut ist es, daß der Oberon vor demselben aufgeführt worden, da nun des Oberon darinn gedacht werden kann, und der Ziklus seiner Leistungen abgeschlossen werden kann. —

Ihr Neuestes mit dem Manuscript habe ich richtig erhalten*.

Nun zu der Theaterangelegenheit! Dieß theile ich, wie schon gesagt, Ihnen allein mit und rechne dabey auf die pünktlichste, strengste Diskrezion.

Stellt man mich in mehreren bedeutenden Punkten nicht besser als jetzt, gebe ich die Unterneh|mung bestimmt auf. Ob dann der Magistrat vorziehen wird, ein stehendes Theater zu erhalten u einen Unternehmer zu suchen, oder ob er Leipzig von Dresden aus mit Theater versehen wünscht, das kann ich in der That nicht sagen und glaube auch kaum, daß er sich hierüber schon berathschlagt hat. — In jedem der beyden Fälle hoffe ich meine Inventarien von Garderobe, Requisiten, Bibliothek u. s. w. verkaufen zu können*. Sollte nun der letztere Fall eintreten, so dürfte es wohl auf folgende Weise zu bewerkstelligen seyn. Der König hielt neben der Italienischen Oper, die wohl, jetzt wenigstens beibehalten würde, und sich immer in Dresden aufhalten müßte, eine deutsche Opern- und eine deutsche Schauspieler-Gesellschaft, welche beyde in Leipzig u Dresden sich abwechsellen, (aber so daß sie an einem Orte von Johannis bis Weihnachten blieben) oderdie Schauspielergesellschaft wäre im Winter in Dresden u den Sommer in Leipzig u so umgekehrt die Operngesellschaft. In den Messen, d. h. den Hauptmessen, könnten auch beyde Gesellschaften zusammen in Leipzig seyn. Jede hätte einen Direktor, der wahrscheinlich unter dem Generaldirektor stünde. Wem dieß zu übertragen wäre, darüber kann ich mir keine Muthmaßung erlauben. |

Zwey Gesellschaften zu halten, die Oper u Schauspiel zugleich gäben, dürfte kaum rathsam seyn, denn was auch der Wechsel und der Reiz der Neuheit einbrächte, ginge wieder auf die Kosten der Reise und Verändrung des Ortes. — Theilen Sie mir nun auch Ihrerseits Ihre Ideen mit, u welche Pläne wohl in Dresden Eingang finden dürften. — Auch Sie können wie sich versteht, auf meine ganze Diskrezion rechnen. — Schwierigkeiten sind freilich in allen Fällen. Was würde z. B. aus Tiek, der zur Führung selbst sich nicht eignete und sonach auf diese Weise wohl leer ausginge!

A propos! Haben Sie doch auch die Güte, mir die Arie aus Oberon zu schicken, die er für London componirt hat*. Später ist dieß eine angenehme Abwechslung.

Ich hoffe, Ihre liebe Frau wieder hergestellt, und bringe Ihnen zum neuen Jahre meine besten Wünsche. Mit aufrichtiger Freundschaft
der Ihrige
K Th Küstner
Julius Cesar nicht zu vergessen!

Editorial

Summary

berichtet über den Erfolg der Oberon-Erstaufführung in Leipzig und nennt Details zur Besetzung; freut sich auf das Festspiel zu Webers Gedächtnis, dessen Text von Heinrich Stieglitz stammt und das im Januar aufgeführt werden wird – in diesem Falle gut, dass es nach dem Oberon folgt, da somit Webers gesamtes Bühnenwerk gewürdigt wird; Überlegungen zur künftigen Organisation des Dresdner und Leipziger Theaterwesens

Incipit

Erst heute ist es mir möglich geworden, zu der versprochenen Mittheilung zu kommen.

Responsibilities

Übertragung
Frank Ziegler; Dagmar Beck; Eveline Bartlitz

Tradition

  • Text Source: Leipzig (D), Stadtgeschichtliches Museum, Bibliothek (D-LEsm)
    Shelf mark: A/2012/809

    Physical Description

    • 1 DBl. (4 beschr. S. o. Adr.)

Text Constitution

  • “(Dlle Erhart)”added above
  • “Almansor”crossed out
  • Roschanaadded above
  • “der”added above
  • “kann”crossed out
  • “… auf. Ob dann der Magistrat”durchstrichenes unleserliches Wort
  • “… eine deutsche Schauspieler -Gesellschaft, welche”zwei unleserliche durchstrichene Wortfragmente
  • “beyde”added above
  • “oder”added above
  • “… Johannis bis Weihnachten blieben) oder”Nachfolgender Text bis „zusammen in Leipzig seyn.“ als Texteinschub am unteren Blattrand.
  • “wahrscheinlich”added above
  • “zu”added above

Commentary

  • “… Braunschweig, von Altenburg u Dessau”Karl II., Herzog von Braunschweig, Friedrich, Herzog von Altenburg und Leopold IV. Friedrich, Fürst von Anhalt-Dessau.
  • “… Erste Liebe hat sehr gefallen”Das Werk wurde nach zwei Aufführungen (19. Dezember 1826, 7. Januar 1827) abgesetzt.
  • “… dürfte es die Breter betreten.”Das Festspiel Webers Gedächtnisfeier wurde im Anschluss an eine Freischütz-Aufführung als Benefiz für die Hinterbliebenen am 19. März 1827 erstmals in Leipzig aufgeführt; es fanden insgesamt 5 Aufführungen statt, weitere am 27. März, 3. und 24. April und am 3. Mai 1827. (Fambach, Leipzig).
  • “… Manuscript habe ich richtig erhalten”Vermutlich Winklers Lustspiel Die Vernunftheirat (nach Scribe), das in Leipzig am 2. März 1827 Premiere hatte.
  • “… s. w. verkaufen zu können”Küstner erhielt am Ende seiner Leipziger Direktion 1828 vom städtischen Rat eine Ablösesumme von 7946 Talern für Dekorationen, Möbel, Maschinerie und Beleuchtungstechnik, und von der Generaldirektion der sächsischen Hoftheater eine weitere von 12000 Talern für Garderobe, Requisiten, Musikalien und Bibliothek etc.; vgl. Karl Theodor von Küstner, Vierunddreißig Jahre meiner Theaterleitung in Leipzig, Darmstadt, München und Berlin, Leipzig 1853, S. 47.
  • “… er für London componirt hat”Neue Arie des Huon anstelle der ursprünglichen (in der deutschen Version der Oper aber beibehaltenen) Nr. 5, von Weber auf Bitte von J. Braham komponiert.

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