Adolf Müllner to Ernst von Houwald
1820

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Was ich in Nr. 4 und 5 meiner Tübingischen Literaturblätter von Oehlenschlägers Hirtenknaben gesagt habe, gilt auch von dem Drama, welches Ew. Hochwohlgeboren mir mitgetheilt haben: die Kritik kann tausenderlei dagegen einwenden, aber es wird ihr schwer werden, Recht zu behalten gegen den Genius. Der schauerlich stille Gang der ewigen Gerechtigkeit und Milde, welche die Hand des Wahnsinnigen an die Schnur hebt, daß er unbewußt den Verrath räche und zugleich die einzige Freude, die für ihn noch möglich ist auf Erden, sich bereite, erfüllt die Brust mit der Nähe übersinnlicher Mächte; und der Tod des Unglücklichen, so gezeichnet, rührt das Herz zu einem wahrhaft wunderbaren Gefühl von schmerzloser Wehmuth und inniger Freunde. Er flieht mit der Geliebten von dem Strande, wo er litt; er weiß es nicht, daß er dem Leben entflieht, aber wir wissen es und preisen ihn glücklich.

Lesen Sie, verehrter Herr, am angeführten Ort dasjenige, was ich über Oehlenschlägers Behandlung der beglückten Liebe gesagt habe. Hier ist Ihr Takt hinter dem des talentreichen Dänen zurückgeblieben. Keine Verlobung! Die lebende, glückliche Liebe, die irdische Vermählung ist Null neben der unglücklichen, todten. Die Liebenden selbst müssen, um dieser Wiedervereinigung ihrer Eltern willen, ihre Wünsche vergessen. Wir wissen, daß sie erfüllt werden! das ist genug. Sie werden mich verstehen.

Der erste Akt ist zu leer; zu wenig Licht über die Vorbegebenheit; Caspar sollt’ es durch Erzählung dessen, was er weiß, wenigstens so viel geben, als nöthig ist, seinen Parallelen zwischen den Phänomenen des Meeres und des Himmels und dem Menschenleben gleich Anfangs den Schein des Vagen und Gemeinplätzlichen zu ersparen. Unser Antheil würde steigen, wenn er uns so die Möglichkeit ahnen ließe, daß Ulrich die Verlorene wiedersähe, lebend wiedersähe. Wir können, da sie untreu war, es nicht wünschen, wir sehen keinen Ausweg – die geheimnißvolle Obmacht öffnet ihn; er sieht sie todt wieder, wähnt sie lebend und stirbt. Sie werden fühlen, wie die Befriedigung im Preise steigt, je früher unsere Einbildungskraft veranlaßt wird, sie zu suchen.

Das Stück ist übrigens rein tragisch, warum nennen Sie es Drama? Weil das milde tragische Princip darin herrscht? Das macht keinen Unterschied.

Sie müssen mir vergeben, was ich auf Ihre Aeußerungen bei Gelegenheit der Albaneserin an Contessa schrieb. Die Bewunderung ist mir ein Gräuel geworden. Sie sehen ja wohl ihre Folgen. Gassenjungen bewerfen dafür meinen Namen mit Koth und Niemand ist, der ihnen sage, was sie sind. Mögen Sie nicht ähnliches erfahren!

Hätten Sie – hätte Contessa nicht Lust, zuweilen über die neuen dichterischen Erscheinungen im Literaturblatt zu sprechen? Auch die Kritik, die Sie kalt nennen, kann warm werden, kann bis zur Stufe der schönen Kunst getrieben werden, wenn das Talent an Kunstwerken sie übt.

Editorial

Summary

Stellungnahme zu Houwalds Leuchtturm mit Bezug auf eine Kritik in den Tübingischen Literaturblättern

Incipit

Was ich in Nr. 4 und 5 meiner Tübingischen Literaturblätter von Oehlenschlägers Hirtenknaben

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Verbleib unbekannt

    Corresponding sources

    • Houwald, Ernst von: Ernst von Houwalds sämmtliche Werke, Leipzig: Göschen, 1858, Bd. 1, S. 30–31

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