Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Dresden
Berlin, Samstag, 23. November 1816 (Folge 2, Nr. 2)

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An

Mademoiselle

Carolina Brandt.

Wohlgebohren.

Mitglied des Ständischen

Theaters zu Prag. dermal,

zu

Dresden.

im Gasthofe zum goldenen Engel.

Mein vielgeliebter Muks.

Einen schönen guten Morgen! Hat Er ausgeschlafen in Dresden und hott jezt beim Kaffenée? wahrscheinlich, und da komt auch mein Brief No: 1 gegangen, während ich den 2t schreibe.      Die große Kälte hat mir recht bange um dich gemacht und ich warte mit Sehnsucht auf Nachricht von dir, wie es euch beiden geht.      Ich bin Gott sei Dank gesund, Nur Gestern Abend hatte ich eine solche Müdigkeit und ziehen in den Gliedern, was wohl vom vielen Sizzen kommen mag.      d. 21t Abends war ich in Gerns Concert* was recht voll war, und ziemlich gut gieng. Dann zu Hause und bald in Bett.

Gestern den ganzen Tag gearbeitet, und erst Abends in die Iphigenie gegangen, die recht gut gegeben wurde, und mir viele Freude machte, auch war es recht voll*. Dann zu Hause und in Bett. Heute ist nun großer Posttag, da ich den guten Junghs schreiben muß, und auch einige langweilige Briefe an mehrere Zeitungen wegen der schlechten Arrangir Geschichte von Hofmeister in Leipzig, über welche ich meinen Grimm drukken laßen muß*, zum schrekkenden Exempel.

Ich habe gestern auch an Rochlitz geschrieben, ihm mein Portrait geschikt*, durch die Bender’s die nach Leipzig reisen, und zugleich mich erkundigt wie es mit dem Leipz: Theater steht. auf jeden Fall schadet es nichts mehrere Aussichten zu haben*.      So eben hat mich Lauska unterbrochen, und wir viel von Dir gepabst. Er grüßt dich 1000 mal.

Mein geliebter Muks ich möchte Dir gar zu gern einen Buß geben. man sollte glauben die Arbeit müße mir jezt recht flekken da ich mich gar nicht aus dem Neste rühre, es ist aber gar nicht wahr, denn ich denke vielmehr an dich und verträume die Zeit wenn du mir ferne bist, als wenn ich weiß daß ich zu einer gewißen Zeit in die Stiefel kriechen und zu meinem Schneefuß laufen kann, von dem ich dann neue Stärkung hole, und die Gedanken fröhlich und in Schaaren gezogen kommen, da sie freundlich gepflegt und gefüttert werden. nun aber ist es einsam und öde um mich. außer meinen Hausleuten die sich recht oft und mit wahrer Liebe deiner errinnern, habe ich seit d: 19t Abends Niemand wieder gesehen, da ich nicht ausgehe, und bei der Kälte jeder gern zu Hause sizt.      Nun Gott wird ja auch diese Zeit vorüber gehen laßen, und hoffentlich zu unserm Heil und Frommen.

ich möchte dir gern ein + machen, und thue es in Gedanken von Herzen. addio bis Nachtische.      100 00000 Millionen Küße.

Nun das Eßen wäre auch verzehrt, der Kaffee getrunken, und jezt ist es 4 Uhr, aber so finster daß ich habe Licht schlagen müßen, um meine Briefe vollends zu expediren.      Vor Dienstag werde ich wohl schwerlich etwas von dir hören, und das ist eine lange Zeit; beinahe 8 Tage ohne genau zu wißen wie es meinem Muks geht. das könnte wirklich sehr beunruhigen wenn ich nicht vertrauend auf deine Faßung und Gottes Gnade wäre. Ich habe es auch heute Jungh geschrieben welch eine große Beruhigung es für mich wäre, dich so gefaßt und ergeben vertrauend gesehen zu haben. Diese Kraft und Muth zur Ausdauer in allem kann nur die Ueberzeugung geben, das man das Gute will, und dann auch nie von oben verlaßen ist. Auch an Kleinwächter habe ich geschrieben und ihm angezeigt daß du ihm 40 Fried:dor für meine Rechnung bringen wirst, zugleich empfahl ich dich seiner und seiner Familie Freundschaft, versäume es also nicht, sie zu besuchen.

Nun lebe wohl und Gesund mein vielgeliebtes theures Leben. Seid verträglich, und du sanft. [Be]halt mich lieb. Grüße Paßy und Schmidl bestens.
 Ewig dein treuer Carl.

Editorial

Summary

Tagebuch 21./22. November; habe an mehrere Zeitungen geschrieben wegen des bei Hofmeister erschienenen Arrangements seines Quintetts; betr. Zahlung an Kleinwächter

Incipit

Einen schönen guten Morgen! Hat Er ausgeschlafen

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Weberiana Cl. II A a 1, Nr. 21

    Physical Description

    • 1 Bl. (2 b. S. einschl. Adr.)
    • Siegelrest und -loch
    • am linken Rand der Adressenseite Echtheitsbestätigung von F. W. Jähns: “Carl Maria von Weber an seine Braut. Eigenhändig.”

    Provenance

    • vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403

    Corresponding sources

    • Muks, S. 256–259
    • Rosendorfer, Herbert, “Die Welt kann durch ihn nur besser werden. Eine Liebeserklärung an den deutschen Komponisten Carl Maria von Weber”, in: Oper aktuell. Die Bayerische Staatsoper 1998/99, hg. von Hanspeter Krellmann, München 1998, S. 85 (Text komplett, aber ohne Adresse)
    • Faksimile bei Gehrmann 1899, Tafel zwischen S. 50 und 51

Thematic Commentaries

Text Constitution

  • “… vielgeliebtes theures Leben. Seid verträglich”Dreifach unterstrichen
  • “Be”supplied by the editors
  • “… du sanft . Be halt”Textverlust durch Siegelloch

Commentary

  • “… war ich in Gerns Concert”Zum Konzert im Konzertsaal des Schauspielhauses vgl. den Kommentar zum vorhergehenden Brief.
  • “… auch war es recht voll”Aufführung im Opernhaus mit F. Wild als Gast in der Rolle des Orest.
  • “… meinen Grimm drukken laßen muß”Zu Webers Reaktion auf das Arrangement des Klarinettenquintetts als Sonate für Klavier von C. F. Ebers vgl. seine Warnung.
  • “… , ihm mein Portrait geschikt”Im November 1816 hatte Friedrich Jügel sein Weber-Porträt, zu dem der Komponist mehrmals in Berlin gesessen hatte, bei Schlesinger veröffentlicht. Eine erste Anzeige erschien in: Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen, 1816, Beilage zu Nr. 145 (3. Dezember).
  • “… nichts mehrere Aussichten zu haben”Zum Angebot an Weber, die musikalische Leitung der Leipziger Oper zu übernehmen, vgl. die Tagebuchnotiz vom 11. Juli 1816 sowie die Briefe an Gänsbacher vom 4. August 1816 und an Gottfried Weber vom 17. September 1816.

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