Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Samstag, 19. bis Montag, 21. April 1817 (Nr. 41)

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Mein gutes, liebes! treues Herz!

Hab mich aus dem Tancred fortgemacht /: in dem die Weixelbaums singen* :/ um zu arbeiten, hab aber gar zu große Sehnsucht nach dir, als daß ich ihr wiederstehen könnte, will also mir einen guten Abend machen, mit meinem geliebten Muks plaudern, und darf dann in Betterl gehn und gut schlafen, und dafür die morgende Nacht daran wenden.      Ich bin alle die Tage über so schändlich abgehalten worden mit dir zu pabsen, und namentlich gestern, daß ich ordentlich traurig geworden bin. und es wird dir auch so gehn, freust dich wie ich auf jeden Posttag so sehr, und wenn er dann so wenig bringt ists gar traurig, so wie man sich im Gegentheil recht behaglich fest sezt und Zeit nimmt, von Anfang recht schnell durchschnuffelt, und dann erst recht bedächtlich ließt und genießt. Wie’s denn immer in der Welt ist daß der Satan alles auf einen Haufen zusammenführt, so ist es mir jezt gegangen, und wird wohl noch eine Weile so dauern so lange die Gastrollen währen, und bis endlich einmal ein Personale beisamen ist über das man disponiren kann. Auch habe ich wieder Patienten, Mad: Mieksch, die den Pagen im Joh: v. Paris machen soll, damit es mir ja an keiner Gattung von Hinderniß fehlt. schadt aber alles nitz, wird schon gehn, und muß gehn, aber nach der Mukin habe ich dann eine rechte Sehnsucht, möchte zu ihr flüchten, brummen, schimpfen, und mich dann hätscheln und besänftigen laßen.

Gestern bin ich den ganzen Tag nicht aus den Schuhen gekommen, erst correctur Probe von Helene, dann mit Gned herumgelaufen, um 4 Uhr Mittag bey Dillon dann ins Theater Conferenz mit dem Grafen, dann zur Mieksch wegen der Rollen, dann wieder zu Dillon, gespielt und accomp: bis 12 Uhr.

Heute früh, gearbeitet. Aufsaz über Helene pp Mittag bei Gutschmids, dann in die Oper, und jezt, ah! gut, bei Muks, wenigstens so viel als möglich, doch wart, ich hole dich, – Puntum, da hott Sie die alte Lina in ihrer alten Schachtel. die Andere ist doch hübscher! und freundlicher, viel freundlicher, besonders wenn Sie in Satt oder Ett geht.      Lieber Muks, Heute ist erst der 19t Tag daß ich dich wieder verlaßen habe, und es dünkt mich schon eine Ewigkeit. ’s ist doch noch recht lange bis zum 7ber. – muß immer das alte Lied von der Geduld wieder singen. du schreibst ich solle dir nicht so gut schreiben, du kämst mir sonst einmal über den Hals? kom nur, der Hals würde sich kindisch freuen, so wie sein Herr; aber sie laßen dich nicht los, so wenig als mich hier. mit den Ueberraschungen wird’s wohl am Ende sein, in dieser Art nehmlich, den[n] übrigens hoffe ich zu Gott wollen wir uns täglich durch mehr Güte, Liebe und Sorgfalt überraschen.      Gned sagt, du sähest recht wohl, und ditt und fett aus. das hat mich sehr gefreut. sonst jammert er entsezlich über die Wirthschaft, hat mir auch erzählt daß der Stöger gewiß die Liebich heirathen wolle, auch schon einmal seine Uhr versezt habe, und ein paar 1000 Gulden Schulden gemacht, um die Gagen dekken zu können. ich fürchte es wird traurig werden. nimm dich nur in acht lieber Muks, | daß du nicht mit in die Sauçe komst. Was mit dem armen Gned hier werden soll weis ich selbst noch nicht. er hat einen gewaltigen Rival an dem jungen Genast, der schöne Figur, Stimme und Spiel für sich hat. auch fürchte ich den Dialect. nun, wir werden ja sehen.      Dienstag wird mich mein Haus Genoße Wohlbrük verlaßen. ich habe ihn recht gern gesehen, und mich gefreut ihm nüzliches erzeigen zu können, aber nach gerade ist es auch mich etwas hoch gekommen. da ich ihn mit Holz, Licht, Eßen pp allem gänzlich versehen habe, und zwar seit dem 16t März. es sind dieß bedeutende Ausgaben, die leider durch meine Verhältniße in der Welt oft herbeigeführt werden, und es nun an mir ist so manches Gute heimzuzahlen das ich genoßen habe. das wird nun alles auch viel leichter und beßer bei einer eingerichteten Wirthschaft gehn, wo sich alles beßer eintheilen läßt.

Von meinem Pianoforte muß ich dir auch erzählen, daß es wirklich ein herrliches Instrument ist, und mir viele Freude macht, wenn ich nur auch erst die Zeit gewinnen werde darauf zu spielen.

Du wirst dich auch recht abhezzen müßen arme Lina, und ich sehe dich stündlich in Gedanken wie du alles anordnest, besorgst, läufst, rennst, rechnest. meine eigentlichen Wirthschafts besorgungen werden erst zu Johanni im neuen Quartier anfangenT, wo es doch vielerlei zu ordnen geben wird. du bringst dann auch die lezten Monate recht beschränkt und unbequem zu, und wirst dich dann mit Gottes Hülfe und Seegen recht wohl in der neuen schönen Ordnung finden. Es ist recht darauf abgesehen diese Ruhe uns recht verdienen zu laßen, und das ist auch recht heilsam, dann weis man sie zu schäzen.      Es ist recht fatal daß der Schrank nicht gleich mitkommen kann, und du kannst die Möbel auch nicht so lange unterbringen bis alles beisammen wäre? gelte? Hast du denn schon ein Quartier für die Mutter? oder behältst du vielleicht ein Zimmer in deinem Quartier?* Bei Junghans wäre das wohl recht gut.

Gestern Mittag bei Dillon habe ich recht lebhaft an dich gedacht, und hätte dabei beinah gelacht über mich selbst, weil du schriebst ich würde lachen wenn ich deine Geschäftigkeit sähe, und ich ertappte mich selbst wie ich mit einer entsezlichen Gier und Aufmerksamkeit alles TischGeräth pp besah, und berechnete und überlegte. was davon hübsch und auch allenfalls für uns brauchbar wäre, und das kam mir auf einmal sehr komisch vor, da ich vorher in meinem Leben nicht viel auf so etwas geachtet habe. jezt aber verschlinge ich Stühle und Bänke mit den Augen, Salzfäßer, Meßer, Gabel, pp alles ist mir wichtig, und die Bedienten besehe ich wie ein Schneider, um mir die gefälligste Form zu der Livreé auszusuchen. Nun es wird alles recht hübsch und anständig werden. Wenn ich nur Zeit bekomme etwas zu arbeiten und Geld zu verdienen. Alles geht auch nicht auf einmal, und das nach und [nach] verschönern und bequemer machen ist auch eine Freude, das nothwendigste haben wir nun doch, und ist die bewußte Theemaschine angekommen, so ist der Thee Apparat auch bald in Ordnung. ich freue mich unendlich auf den Augenblik, wo ich dich in dein Reich einführen werde, und wo du in dem neuen Kreise, doch so viel | altes, bekanntes findest. und wie du sagen wirst, das Köpfchen auf meine Brust gelehnt, und Arm unter den Frak geschlungen, aber Mukkes! das ist schön!!! und dann wirst du geschäftig herumlaufen, und einrichten und ordnen, wie ein netter Hamster.      Errinnere nur auch die Kleinwächter an den versprochenen Stuhl! damit ich sie bald zusamen bekomme, und machen laßen kann. hab schon eine recht hübsche Form ausgesonnen dazu.

     Nun lieber Mukken Schneefuß will ich in Bett gehn. habe auch ganz heiter geplaudert, und werde mit Gott ruhig schlafen. rufe dir auch aus der Ferne eine herzliche gute gute Nacht zu, Gott segne dich + + + erhalte dich mir gesund, froh, und treu liebend deinem dich über alles liebenden treuen Carl.
Millionen Bußen. gute gute Nacht.

Mein vielgeliebter Mukes, dein Brief No: 44 den ich heute früh in der Helene Probe erhielt, hat mir Anfangs viele Freude, aber am Ende mich auch recht betrübt gemacht. du sagst ich soll nicht zanken, und ich will es auch nicht, denn unterdeßen hast du dich hoffentlich selbst genug ausgezankt, und deine voreilige Hizze bereut, vielleicht ist auch Alles schon wieder in Ordnung; aber ich kann dir nicht bergen daß mir die Sache sehr wehe thut. ich sehe alles recht lebendig vor mir, denn ich kenne alle meine Leute recht gut, aber es bleibt demohngeachtet nur, daß du nicht so streiten sollst, und immer mehr die Kunst lernen mußt, selbst mit Menschen mit denen man täglich und vertraut und herzlich umgeht, doch sich in einer gewißen achtungsvollen Ferne zu erhalten die besonders einem weiblichen Wesen so nothwendig, als heilsam und natürlich ist.      Es giebt nichts aufregenderes als politische Streite und Meinungen sie haben schon oft die Welt in Krieg und Elend gestürzt, Weiber müßen darinn gar keine Meinung haben, oder schweigen lernen, sonst kommen Sie in Gefahr mit ihren liebsten Freunden zu zerfallen, da sie nur mit dem Gefühl streiten, wo wir Männer blos Meynungen austauschen, und uns am Ende bald wieder verständigen daß wir verschiedene Ansichten haben, und uns doch lieben und ehren können. Die Heftigkeit der dir gegenüber stehenden und ihre blinde ungezügelte Partheiwuth lobe ich gewiß auch nicht, aber auf solchen Punkten muß man auch nie mit ihnen zusammen treffen. ich weiß das so etwas so unvorhergesehen komt und anschwillt wie eine Schneelawine, ich kann also nichts mehr sagen als daß es mir herzlich leid thut, besonderes da ich weiß daß mir in diesem Punkt auch nicht so ganz von der Person abstrahirend zu fühlen im Stande ist. und daß allerdings dir den Stein zuwerfen werde, der sie ebenfalls in gleichen Verhältnißen trifft; denn daß du verlangst sie hätten das Frauenzimmer in dir schonender behandeln sollen, hast du dadurch verwirkt daß du Dinge aussprachst die außer der Region des Weiblichen Treibens und Wißens liegen.      Ich wünsche sehr daß du dich ruhig und liebevoll schriftlich gegen die Doctorin aussprechen mögest, die du sehen kannst, ohne den übrigen Männern zu Nahe zu kommen, doch überlaße ich das ganz deinem Gefühl und deiner Einsicht, und warte mit Schmerzen auf deinen nächsten Brief, der mir hierüber | Beruhigung bringen soll. Es wäre recht traurig wenn ich wegen elender politischer Schwäzereyen, unserem ganzen VermählungsPlan pp andre Richtung geben müste. Nun, am Ende wirds wohl nicht so arg sein, als ich es aus deinem Briefe glaube. Gott stärke und erleuchte dich, mein vielgeliebter Mukkel, und wende alles zum Heile.

Jezt zu etwas anderm.

Gestern früh hatte ich SezProbe von Helene, hatte den Gned zu Gast im Engel, instrumentirte dann ein Duett, und war abends im Jngurd. arbeitete dann noch. Heute früh GeneralPr. von Helene. Mittag, Janusch und Knizě aus Prag zu Gästen. und heute Abend spielt Wohlbrük den Hippeltanz zur lezten Gastrolle*. Mit deinem Brief zugleich erhielt ich einen von Grünbaums, der freilich seiner guten Frau Krankheit nicht so bedeutend mahlt. ich bin recht erschrokken über deine Nachricht hierüber[.] welch ein unglükliches Wesen, wenn Sie ihre Stimme verlöhre. Nun, ich hoffe zu Gott, auch das wird nicht so arg sein.      Die Bemerkungen die du bei dieser und der Wilhelm, machst, sind so wahr, als es mich freut daß du sie einsiehst, und begfreifst. je mehr du die Ansichten und Weltkenntniß deines Carls für wahr erkennest, desto lieber und leichter wirst du seiner Ueberzeugung stets folgen, die von der innigsten Liebe und Streben für dein Wohl durchdrungen ist.

Mit Schmerzen erwarte ich deinen nächsten Brief. Grünbaums bezeige meine herzlichste Theilnahme und Wünsche zur baldigsten Beßerung. die Faniska pp sind angekommen*. Es wäre sehr übel wenn d: 1t May nicht Johann v: Paris sein könnte, weil S: M: der König d: 5t nach Pillnitz geht.

Nun muß ich schließen. Gott lenke alles zum guten, und besonders dich du lieber alter hizziger Strudelkopf. er segne dich wie ich + + + erhalte dich gesund und zufrieden. möchte gerne meinen Brief zu deinem Troste heitrer schließen, bin aber auch ehrlich. brauchst dich aber übrigens nicht zu fürchten, ich hoffe daß alles sich bestimmt bald beilegen wird.      Alles Schöne an die Mutter, und auch an die Fanatischen Tyroler die ich doch liebe, wenn sie auch zuweilen ungestüm sind.      Viele Grüße von allen meinen Bekannten hier. ich umarme dich aufs innigste, und wünschte so sehr bei dir sein zu können, aber du wirst dir schon selbst helfen.

Sey ruhig und heiter und behalte lieb deinen dich über alles treu liebenden Carl.
Millionen Billionen Bußen.

Ueber der fatalen StreitGeschichte, hätte ich beinah vergeßen dir für deine hübsche gelungene Zeichnung zu danken. Sie war das Erste, was mir bei Eröffnung des Briefes in die Augen fiel, und machte mir viele Freude. dann kam der Wermuth hinter drein.      Guter alter Hamster! auch Notenschreiben willst du lernen? nun der Gedanke ist gut, sollst schon Arbeit bekomen. muß dir gar nekkisch stehn. 1000000 gute Bußen für die Absicht und den guten Willen. gute Nacht.
gute Nacht.

Editorial

Summary

Tagebuch 18.-19. April; betr. Prager Theater; betr. Wohnungsangelegenheit; Stellungnahme zum politischen Streit zwischen Fanny Jungh und Caroline Brandt; Janusch und Knize aus Prag zu Gast, Therese Grünbaums Krankheit; Wohlbrücks letzte Gastrolle

Incipit

Hab mich aus dem Tancred fortgemacht

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Mus. ep. C. M. v. Weber 89

    Physical Description

    • 1 DBl. (4 b. S. o. Adr.)
    • Markierungen mit Rötel und Blaustift von Max Maria von Weber

    Corresponding sources

    • Muks, S. 374–379 (unvollständig)

Text Constitution

  • “und darf”overwritten
  • “kam”added above

Commentary

  • “… in dem die Weixelbaums singen”Sie gaben die Amenaide bzw. den Argirio; vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 3. Mai 1817.
  • “… ein Zimmer in deinem Quartier?”Im Frühjahr 1817 gab Caroline Brandt ihr bisheriges Quartier am Judentandelmarkt auf und zog in das Haus Kohlmarkt 514.
  • “… den Hippeltanz zur lezten Gastrolle”Hippeldanz im Epigramm.
  • “… die Faniska pp sind angekommen”Vgl. die Tagebuchnotiz zur Portozahlung am 19. April 1817.

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