Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Dresden
Paris, Mittwoch, 1. März 1826 (Nr. 7)

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A Madame

la Baronne de Weber

a

Dresde.

en Saxe.

Waltersche

Hofbuchhandlung.

Da sizze ich noch, meine geliebte Mukkin, statt daß ich schon im Wagen unterweges nach Calais sein sollte, und zwar um recht einfältiger Ursache willen.      Es ist nehmlich am Wagen ein Eisen gesprungen, und seit 3 Tagen hätte es gemacht sein können nach Versprechen und Bestellung. Gestern um 5 Uhr komt der verdammte Schmidt und sagt daß ich denn Wagen nicht vor heute Mittag haben könnte. das ist mir nun höchst unangenehm, aber was ist zu machen. Geduld! ich werde also mit Gottes Hülfe morgen abkutschen, und wenn alles günstig ist d: 5t in London sein ehe du diese Zeilen erhältst.      Ängstige dich aber ja nicht wenn mein Bericht der Ankunft in England nicht zu dem Tage eintrifft den du dir vielleicht ausrechnest. denn man kann oft in Calais 4–5 Tage still liegen, ohne stürmisch Wetter, wenn nehmlich nur der Wind so steht daß die Strömung gegen den Hafen geht, wo denn kein Schiff auslaufen kann. aus eben diesem Grunde wirst du wohl manchmal 2–3 Briefe von mir auf einmal bekommen; also, ums Himmels willen, nur nie sich geängstiget.

d: 27t sezte ich meine Visiten Runde fort. aß Mittags bei Auber, und sah Abends die Olimpia.      Welch ein großes Schauspiel ist hier die Oper. Das herrliche Gebäude, die Maßen auf dem Theater und im Orchester sind imposant und Ehrfurcht gebietend.      Die Oper wurde vortrefflich gegeben. das Orchester hat eine Kraft und Feuer wie ich noch nichts ähnliches gehört.      es wurde viel applaudirt, aber nur von gewißen Pläzzen aus, und man behauptet die Aufnahme sei sehr lau gewesen. in dem darauf folgenden Ballet*, hatten der Benefiziantin zu ehren die Schauspieler und Sänger aller Königl: Theater sich zu einem Zuge vereinigt, eine Achtungs Bezeugung die auch nur hier so Statt findet*. Um 3/4 auf 1 war es aus.      Gestern, d: 28t derselbe Tageslauf. Besuche geben und empfangen. ich versuche es erst gar nicht zu beschreiben wie man mich empfängt, weil es wirklich über alle Beschreibung ist, wenn ich sagen wollte was die größten jezt lebenden Künstler mir für Dinge sagen, müßte das Papier roth werden, und wenn man mich hier nicht stolz macht, so bin ich wirklich allzu verdorben.      Mittag war ich bei Schleßinger mit Berton, Auber, Onslow pp. sehr angenehm.      dann sah ich Boyeldieus neuste Oper, La Dame blanche /: die weiße Frau :/ wo ich mich äußerst ergözte. welch herrliches Ensemble, wie spielen und singen diese Leute* — — Grüße Winkler herzlich von mir, und sage ihm er möge ja diese Oper übersezzen.      Gestern kam ich denn ungewöhnlich früh zu Bette, um 11 Uhr. Wie wohlthätig dieses Klima wirkt, ist der Beweiß daß mein Husten immer noch so selten, milde, und lösend ist, als ich dir in meinem lezten Briefe schrieb. und ich trinke Wein, eße manches was nicht zu vermeiden ist, spreche nicht wenig. und befinde mich doch beßer als in Dresden. der alte Pär läßt Rothes bestens grüßen, er hängt noch sehr an der Kapelle und spricht mit aller Liebe von ihr.

Es bliebe überhaupt nichts zu wünschen übrig, wenn du und die Buben hier wären. ach lieber Gott, ich habe solche Sehnsucht nach Euch, du kannst es kaum glauben. Wenn ich nur erst in London bin daß ich öfter Briefe von dir bekomme, es ist gar zu betrübt so lange Zeit vergehen zu sehen, ohne zu wißen wie es zu Hause geht.      da hast du es doch wirklich einmal beßer. gestehe es Muks! Das ist aber auch billig denn du armer Kerl hast ja sonst gar nichts, mich suchen sie doch mit Weyrauch zu betäuben. doch — du hast die Tante!!! das vergeße ich immer. habt Ihr denn auch so schönes Frühlings Wetter wie wir hier?

Nun ade für heute und für Paris. Gott gebe seinen besten Seegen, dir Gesundheit und den Kindern. sey brav, brav, und behalte lieb, deinen dich über Alles liebenden, alten, treuen  Carl. Morgen bin ich erst 14
Tage von Hauße, welche
Ewigkeit dünkt es mich schon!
Die besten Grüße an
alle Freunde, hoffentlich
ist der gute Roth schon wieder
auf den Beinen.

Editorial

Summary

wegen Wagenpanne muss er noch in Paris bleiben; berichtet über weitere Visiten und Theaterbesuche am 27./28. Febr.; nach Olympia-Aufführung lobt er das Orchester und La dame blanche, die Winkler übersetzen sollte; erwähnt Besuch bei Auber und Paër; Familiäres

Incipit

Da sizze ich noch, meine geliebte Mukkin

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Mus. ep. C. M. v. Weber 214

    Physical Description

    • 1 Bl. (2 b. S. einschl. Adr.)
    • Siegelspur und -loch [restauriert]
    • Rötelmarkierung von Max Maria von Weber

    Provenance

    • Weber-Familiennachlass

    Corresponding sources

    • Reisebriefe, S. 90–92
    • Worbs 1982, S. 127–129

Thematic Commentaries

Text Constitution

  • “… können nach Versprechen und Bestellung.”Komma überschrieben mit Punkt
  • “denn”sic!
  • “… Es bliebe”bliebe möglicherweise überschrieben aus: wäre
  • nichts“nur” overwritten with “nichts

Commentary

  • “… in dem darauf folgenden Ballet”Gegeben wurde das zweiaktige Ballett La Dansomanie von Pierre Gardel (Musik von E. N. Méhul); vgl. die Ankündigung in La Nouveauté, Journal du commerce, des sciences, de la littérature, des théatres et des arts, Jg. 1, Nr. 178 (27. Februar 1826), S. 1 und den Bericht ebd. Nr. 180 (1. März 1826), S. 2.
  • “… nur hier so Statt findet”Die erste Aufführung der dritten Fassung von Spontinis Oper in der Pariser Salle Le Peletier (Opéra) am 27. Februar 1826 fand als Benefiz für Alexandrine Caroline Branchu (1780–1850) statt, die mit der Rolle der Statira ihre Bühnenkarriere beendete; vgl. Françoise Henri Joseph Castil-Blaze, L’Académie impériale de musique. Historie littéraire, musicale, choréographique, pittoresque, morale, critique, facétieuse, politiquenet galante de ce théatre de 1645 à 1855, Bd. 2, Paris 1855, S. 198 sowie Carl Ferdinand Becker, Die Tonkünstler des neunzehnten Jahrhunderts. Ein kalendarisches Handbuch zur Kunstgeschichte, Leipzig 1849, S. 26.
  • “… spielen und singen diese Leute”In der Uraufführungs-Einstudierung an der Opéra comique (Premiere am 10. Dezember 1825) sangen am 28. Februar 1826 u. a. F. Valère (Gaveston), Antoinette-Eugénie Rigaut (Anna), Louis-Antoine-Eléonor Ponchard (Georges), Louis Féréol (Dikson), Marie-Julie Boulanger (Jenny) und Marie Desbrosses (Marguerite); vgl. La Nouveauté, Journal du commerce, des sciences, de la littérature, des théatres et des arts, Jg. 1, Nr. 179 (28. Februar 1826), S. 1.

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